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Münchner Bayernkaserne: Medizinische Versorgung von Flüchtlingen

Asylbewerber haben Anspruch auf eine medizinische Akutversorgung. Doch Sprach- und bürokratische Barrieren machen es vielen Flüchtlingen schwer, Zugang zum System zu finden. In München hat der Ärzteverein Refudocs mithilfe des Sozialministeriums und der Stadtverwaltung eine Akutpraxis für Asylbewerber eröffnet. Sie könnte als Modell dienen.

Dr. Mathias Wendeborn steht in einem Durchgangscontainer aus Blech und zeigt auf die verschiedenen Türen, die sich zum behelfsmäßigen Flur hin öffnen. „Wir haben hier vier Praxisräume, ein Warenlager, einen Sozialraum, eine Rezeption, ein Wartezimmer und Toiletten", erklärt der Kinderarzt.

Über ein Jahr hat es gedauert, bis er und seine Mitstreiter vom Verein Refudocs die Idee von einer Akutpraxis für Flüchtlinge verwirklichen konnten. Seit Januar sind die Container auf dem Gelände der Bay­ernkaserne im Münchner Norden nun vollständig eingerichtet. In dem ehemaligen Militärlager aus dem Zweiten Weltkrieg befindet sich eine der beiden zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber in Bayern. Im vergangenen Jahr waren hier zeitweise über 2000 Flüchtlinge untergebracht.

Bürokratiearme Finanzierung außerhalb des Kassensystems

Hausärzte, Kinderärzte, Gynäkologinnen und Psychotherapeuten bieten in der Akutpraxis fünf Tage pro Woche Sprechstunden für akut erkrankte, traumatisierte und schwangere Flüchtlinge an. Sie tun das stundenweise neben ihrer Tätigkeit in der eigenen Praxis oder als Ruheständler in ihrer Freizeit. Über 70 Ärztinnen und Ärzte stehen auf dem Verteiler des Vereins Refudocs, der als Praxisinhaber fungiert. „Die Finanzierung läuft außerhalb des Kassensystems. So können wir viel Bürokratie vermeiden", erklärt Dr. Wendeborn.

Die Regierung von Oberbayern, die auch die Anschubfinanzierung der Praxis übernommen hat, zahlt den Refudocs pro geleisteter Arztstunde einen vertraglich vereinbarten Festbetrag. Davon behält der Verein einen Teil für die Bezahlung von Fachangestellten und für den Betrieb der Praxis ein. Was übrig bleibt, wird an die Ärzte ausbezahlt.

„Wir sind ziemlich günstig", erklärt Dr. Wendeborn. „Durch unsere Arbeit werden sogar Kosten eingespart, da wir durch unsere Präsenz vor Ort viele unnötige Notarzteinsätze und Krankenhauseinweisungen vermeiden können."

Schusswunden, Tropenkrankheiten, Krätze

Die Behandlung von Asylbewerbern stellt die beteiligten Ärzte immer wieder vor besondere Herausforderungen. Diese sind aber nicht unbedingt medizinischer Natur. Zwar kommen vereinzelt Patienten mit seltenen tropischen Erkrankungen oder schlecht verheilten alten Schusswunden in die Praxis, doch die typischen Fälle seien mit hausärztlicher Routine gut zu bewältigen, sagt Dr. Wendeborn.

Häufig gehe es eher darum, Prozesse zu verbessern. In den ersten Monaten hätten sich viele Patienten mit Krätze vorgestellt. „Sie hatten nur die Kleidung, die sie am Körper getragen haben, und nur ein Bettlaken pro Person. Da nutzt es natürlich nichts, wenn Sie einfach eine Creme verschreiben." Inzwischen wissen die Ärzte, wie Wechselwäsche für die Scabies-Patienten schnell zu bekommen ist. Im Warenlager der Praxis können sie auch Laken und Kleidung bereithalten und den Patienten in Einzelfällen mitgeben.

Sprachbarrieren machen Dolmetscher erforderlich

Ein weiteres Problem sind Verständigungsschwierigkeiten. Die meisten Patienten sprechen kein Deutsch und viele verstehen weder Englisch noch Französisch. Zu den Praxissprechzeiten sind daher immer ein bis zwei Dolmetscher vor Ort. Sie sprechen die Sprachen, die von der Mehrheit der Asylbewerber verstanden wird. In einer Erstaufnahmeeinrichtung ändert sich das ständig. Im Moment sind vor allem Albaner aus dem Kosovo in der Bayernkaserne untergebracht. Demnächst werden wieder mehr Flüchtlinge aus Syrien erwartet.

Dr. Wendeborn hofft, dass das System, das die Refudocs in München etabliert haben, künftig von anderen Städten kopiert wird. Er sieht die Akutpraxis in der Bayernkaserne als eine Art Pilotprojekt. „Wir können dieses Prinzip exportieren", sagt der Kinderarzt. „Wenn wir andernorts einen Partner wie das Bayerische Sozialministerium finden, können wir theoretisch überall in Deutschland Dependancen aufmachen. Wenn der Verein genug Spenden bekommt, könnten wir es sogar ohne Partner machen."

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