2 subscriptions and 5 subscribers
Article

Mittelohrentzündung: Was hilft, wenn das Ohr schmerzt? - SPIEGEL ONLINE

Am Anfang steht oft eine harmlose Erkältung. Nach ein paar Tagen macht sich ein starker stechender Schmerz im Ohr bemerkbar, eventuell hört man auch schlecht. Spätestens dann ist ein Besuch beim Arzt angeraten. Denn eine Mittelohrentzündung ist nicht nur unangenehm: Wird sie nicht behandelt, können schwere Komplikationen auftreten.

Eine akute Mittelohrentzündung entsteht, wenn Viren oder Bakterien aus dem Nasen-Rachen-Raum ins Mittelohr wandern. Jeder kennt das: Bei einem starken Schnupfen geht auch das Ohr zu. Der Nasen-Rachen-Raum und das Ohr sind über die Ohrtrompete, die Eustachische Röhre, miteinander verbunden.

Wie sich eine Mittelohrentzündung typischerweise entwickelt, erklärt Holger Sudhoff, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Klinikum Bielefeld: Bei einem Virusinfekt schwelle die Schleimhaut in der Ohrtrompete an. Weil das Mittelohr nicht mehr ausreichend belüftet werde, vermehrten sich dort Bakterien.

Antibiotika: Gezielter Einsatz sinnvoll

Eine virale Infektion könne man mit Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten behandeln, sagt Michael E. Deeg, Sprecher des Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Wird eine bakterielle Infektion nachgewiesen, verschreiben HNO-Ärzte in der Regel ein Antibiotikum, spätestens wenn sich die Symptome nach zwei bis drei Tagen nicht gebessert haben.

Ärzte und Eltern müssen dabei den Nutzen des Medikaments - ein Verhindern von Komplikationen und ein rascheres Abklingen der Beschwerden - gegen die Risiken abwägen, also die möglichen Nebenwirkungen des Antibiotikums für den Patienten und die Gefahr, dass Erreger gegen das Mittel resistent werden.

Roland Laszig, Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik in Freiburg zählt die möglichen schwerwiegenden Folgen einer unbehandelten Mittelohrentzündung auf:

Die Entzündung kann auf das Gleichgewichtsorgan übergreifen, sie kann den Gesichtsnerv schädigen, sie kann zu einem Abszess im Warzenfortsatz führen, einer sogenannten Mastoiditis, die operiert werden muss. Der Warzenfortsatz ist ein zur Schläfe gehörender Knochen hinterm Ohr. Dringt die Entzündung ins Innenohr vor, kann das zum Verlust des Hörvermögens führen. Ein Durchbrechen bis ins Hirn ist sogar lebensbedrohlich.

Laszig warnt daher davor, bei einer bakteriellen Entzündung zu lange mit der Antibiotika gabe zu warten. "Wir sehen bei uns in der Klinik mindestens einmal in der Woche eine Mastoiditis, weil eine Mittelohrentzündung unzureichend, unterdosiert oder falsch behandelt wurde", sagt der HNO-Arzt. Auch Deeg rät davon ab, Ohrenschmerzen nur mit Hausmitteln wie Zwiebelsäckchen zu behandeln, ohne einen Arzt zu konsultieren. "Wenn es wehtut, weiß man nicht, warum es wehtut. Ein gerötetes vorgewölbtes Trommelfell mit einem eitrigen Sekret weist auf eine bakterielle Entzündung hin. Das kann nur der Arzt sehen, wenn er ins Ohr schaut."

Vor allem Kinder sind betroffen

Besonders häufig kommen akute Mittelohrentzündungen bei Kindern vor. Etwa zwei Drittel der Kinder in Deutschland haben laut einer Studie in ihren ersten sechs Lebensjahren mindestens einmal eine Otitis media. In einigen Fällen ist eine vergrößerte Rachenmandel - besser bekannt als Polypen - die Ursache.

"Betroffene Kinder sind daran zu erkennen, dass sie ein schläfriges Gesicht machen, den Mund ständig offen halten und eine Schnarchatmung haben", sagt Deeg. Um wiederkehrende Entzündungen zu vermeiden, hilft oftmals eine Operation der betroffenen Rachenmandel. Achtung: Wenn Kinder Zigarettenrauch ausgesetzt sind, erhöht das ihr Risiko für eine Mittelohrentzündung.

Manche Menschen leiden jahrelang immer wieder an Mittelohrentzündungen und einer ständig verschlossenen Ohrtrompete. Abhilfe kann unter anderem eine Methode schaffen, die vor einigen Jahren am Klinikum Bielefeld von Holger Sudhoff und Kollegen entwickelt wurde: Dabei wird ein Ballonkatheter an die Engstelle im Ohr geschoben und dort aufgeblasen. Rund zwei Minuten wird der Druck aufrechterhalten, sodass sich die Ohrtrompete dehnt, anschließend wird der Katheter wieder herausgezogen. "Die Operation dauert nur fünf Minuten, sie muss aber unter Narkose und unter stationären Bedingungen durchgeführt werden", sagt Holger Sudhoff, der die Methode maßgeblich mitentwickelt hat. Als mögliche Nebenwirkung werden selten auftretende, ungefährliche Blutungen im Nasen-Rachen-Raum genannt.

Ein kürzlich veröffentlichter Fachartikel fasst den Wissensstand zur Ballondilatation zusammen: Da sie noch sehr neu ist, liegen bislang nur Daten aus kleinen Studien vor. Es sei ein sicher vielversprechendes Therapieverfahren, schreibt Hans Wilhelm Pau von der Universität Rostock in "HNO". Aber es handele sich eben um erste Ergebnisse, die in größeren Untersuchungen bestätigt werden müssten.

Das Verfahren sei auch bei chronischen Mittelohrentzündungen anwendbar, die nicht von alleine ausheilen, berichtet Sudhoff. "In der vorantibiotischen Ära ist so etwas ziemlich häufig vorgekommen", sagt Deeg. Seitdem akute Mittelohrentzündungen konsequent behandelt und chronische Mandelentzündungen operiert werden, treten Komplikationen deutlich seltener auf.

wbr/Caroline Mayer, dpa
Original