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Live und in Farbe: Christian Lindner an der Goethe-Universität

Vor der Bundestagswahl 2017 hatte es einen regelrechten Hype um den Spitzenkandidaten der FDP Christian Lindner gegeben. Nach dem Aus der Jamaika-Koalitionsverhandlungen scheint der Hype etwas abgenommen zu haben. Bei einem Großteil der Studierenden an der Goethe-Universität, die am Montag, 28. Mai, in einem der größten Hörsäle der Universität saßen, kam der derzeitige Bundesvorsitzende der FDP allerdings immer noch sehr gut an. Lauter Beifall, Gelächter an den „richtigen Stellen" und nur wenige leicht provokante Fragen.

 

Lindner hat nicht gelindnert


Die Liberale Hochschulgruppe Frankfurt (LHG) hatte zu einem Vortrag von Christian Lindner zum Thema „Eine neue Generation Politik in Europa" eingeladen. Fünf Minuten vor Beginn der Veranstaltung erschien Lindner dann auch und wurde von der Präsidentin der Goethe-Universität begrüßt. „Ich bin gekommen und habe heute nicht gelindnert!", verkündete er lachend. „Lindnern" wird in Anspielung auf das Aus der Jamaika-Verhandlungen dann verwendet, wenn jemand in letzter Minute von einem Vorhaben noch abspringt. 


Kritik und ausbleibender Protest


Noch bevor er sich irgendwelchen inhaltlichen Punkten widmete, spielte Lindner auf einen möglichen Gegenprotest zu seinem Vortrag an. Er fragte nach der Grünen Hochschulgruppe, von denen jedoch niemand im vollbesetzten Saal zu sein schien, woraufhin Lindner mit seinem Vortrag begann. Grund für die Anspielung war ein Statement der Grünen Hochschulgruppe auf Facebook, in dem sie den Auftritt Lindners und die LHG stark kritisierten: „Dass sich die LHG als eine Vorfeldorganisation ihrer Mutterpartei begreift und deshalb lieber Wahlkampf für die FDP als Hochschulpolitik für die Studierenden macht, ist das eine. [...] Dass sie sich aber einem Politiker anbiedert, der mit ausländer * innenfeindlichen Parolen versucht, AfD-Wähler * innen zu beeindrucken, ist dann aber doch etwas unglücklich. [...] Der LHG würde es gut stehen, die Veranstaltung abzusagen und sich von den populistischen Aussagen Lindners zu distanzieren." 


Auf Nachfrage von Merkurist meinte der Pressesprecher der LHG Nathaniel Ritter dazu: „Christian Lindner hat mehrfach klar gestellt, wie er die auf dem FDP-Bundesparteitag getätigten Aussagen gemeint hat. Eine Beschreibung der Realität stellt in unseren Augen noch lange keinen Populismus dar." Die LHG habe sich über den Besuch Christian Lindners gefreut und wünsche der Grünen Hochschulgruppe viel Erfolg dabei, eine ähnliche Veranstaltung mit Robert Habeck organisiert zu bekommen. Über die Frage, ob man (Spitzen-)Politiker an Hochschulen überhaupt sprechen lassen sollte, gibt es an der Goethe-Universität in Frankfurt offensichtlich verschiedene Positionen. 


Lindner und Europa 

„Jede Antwort auf die großen Herausforderungen beginnt mit Europa." - Christian Lindner

Zu Beginn seines Vortrags äußerte sich Lindner stark pro-europäisch und erntete dafür aus allen Reihen Zustimmung im Saal: „Jede Antwort auf die großen Herausforderungen beginnt mit Europa", sagt Lindner. Vom Klimaschutz über die europäische Außenpolitik bis hin zu einer Verteidigungsgemeinschaft sehe er europäische Aufgaben. Allerdings seien nicht alle Fragen immer europäisch zu lösen und einfach nur mehr Geld für Brüssel sei ebenfalls nicht die richtige Antwort. „Ich glaube, dass die EU ein staatliches Dings-Bums bleibt", antwortete er auf Nachfrage eines Studenten zu der zukünftigen Gestaltung der EU.


Seitenhiebe und Gelächter 

Von dem Thema Zukunft der EU kam Lindner schnell zum Thema Innenpolitik. Hier und da verteilte er unter Gelächter kleine Seitenhiebe. Mal ging es um Seehofers Heimatministerium und die Kreuze, die nun in bayrischen Amtsstuben hängen, mal um Angela Merkel und die gescheiterten Koalitionsverhandlungen und mal um Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. „Ich habe Politik studiert. Ich habe gelernt, Texte kritisch zu lesen. Frau Katrin Göring-Eckardt hat Theologie studiert. Sie hat gelernt, an etwas zu glauben", meinte Lindner in Bezug auf die Gestaltung der Klimawende. 


„Christian Lindners Auftritt belegte zweifelsfrei seine Eloquenz, täuschte aber dennoch nicht über inhaltliche Schwächen hinweg. Den Grünen in Person von Kathrin Göring Eckhart vorzuwerfen, zu starr an Dinge zu glauben und selbst immer wieder an die angebliche Macht und Regulierung des Marktes zu appellieren, erschließt sich mir nicht", findet der Politikstudent Markus Lange. Auftritten von Politikern an Universitäten solle man allgemein kritisch gegenüberstehen, da sie schnell als Wahlkampfinstrument missbraucht werden können, findet er. Bei dem Auftritt von Christian Lindner mit einer „klaren Themendefinition und dem Aufbau als Diskussionsveranstaltung" sei dies jedoch kein Problem gewesen.


„Lindner an der Goethe-Uni zu hören, hat uns Studierenden die Chance gegeben, große Berliner Politik hautnah zu erleben. Durch das Frage-Antwort-Prinzip konnte man zudem selbst Fragen an den FDP-Vorsitzenden stellen. Das fand ich gut", meint Julius Bopp zu dem Ablauf des Besuchs.„Man hat gemerkt, dass Christian Lindner ein grandioser Redner ist. Er hat immer professionell gekontert und hatte Humor. Dadurch hat er dem subjektiven Inhalt Seriosität verliehen", sagt Leon Wiedenhöfer. Eine Kommilitonin sieht das anders: „Lindner ist sicherlich ein guter Redner, das hat er gezeigt. Allerdings hätten bestimmte (teilweise abfällige) Bemerkungen und Sticheleien nicht sein müssen. Gerade die fanden viele der Anwesenden aber anscheinend recht gut, dem Applaus nach zu urteilen."


Noch ein Flyer und ein Selfie 

Alles in allem wird Christian Lindner diesen Auftritt wahrscheinlich als Erfolg - bei seinen Anhängern an der Goethe-Universität - werten können. Merkurist gegenüber äußerte er sich sehr zufrieden und positiv über die Stimmung im Hörsaal. Der ein oder andere nutzte die Chance noch für ein Selfie mit Lindner. Inhaltlich war bei der Veranstaltung zwar nichts wesentlich Neues oder Überraschendes dabei, doch die Veranstaltung scheint auch einen positiven Effekt für die Liberale Hochschulgruppe gehabt zu haben, die im Anschluss noch ihre Flyer verteilen konnte.

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