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Dienen in der Bundeswehr soll beliebter werden

© dpa Darauf haben Soldaten lange gewartet: Das Attraktivitätsgesetz bringt viele Verbesserungen im Berufsalltag der Bundeswehr.


Fast könnte man meinen, im Bundestag seien Handwerker eingezogen. Denn es war viel von Meilensteinen und Durchbrüchen die Rede, als in dieser Woche in Berlin über die letzten Feinheiten von Ursula von der Leyens (CDU) Reformgesetz für die Bundeswehr diskutiert wurde.

Das Gesetz ist am Donnerstagnachmittag vom Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen worden. Das Gesetz mit dem sperrigen Namen „Bundeswehrattraktivitätssteigerungsgesetz" ist Teil eines breiten Arsenals an Maßnahmen, das die Verteidigungsministerin unter dem Slogan „Attraktivitätsoffensive" vor gut einem Jahr vorgestellt hat.

Das Ziel: Der Dienst fürs Vaterland soll beliebter werden. Dazu hatte sie schon sogenannte „untergesetzliche" Schritte wie mehr Kitas und weniger Versetzungen der Soldaten angekündigt. Das Gesetz regelt nun weitere 22 Aspekte wie ein höherer Sold oder flexiblere Arbeitszeiten. Fast eine Milliarde Euro kostet es in den kommenden vier Jahren.

Mehr Geld und geregeltere Arbeitszeiten

Soldaten können sich über das neue Gesetz freuen: sie bekommen mehr Geld und mehr Zulagen. Alle, die sich in eine besondere Gefahr begeben, werden dafür zukünftig besser entlohnt. Dazu zählen zum Beispiel Soldaten, die Sprengsätze entschärfen oder nach Minen tauchen.

Und weil Fachkräfte wie IT-Spezialisten und Sanitäter fehlen, bekommen Soldaten aus Truppenteilen mit Personalengpässen einen satten Bonus. Sie erhalten 20 Prozent mehr Gehalt, wenn in ihrem Arbeitsbereich mehr als sechs Monate lang mindestens jede zehnte Stelle nicht besetzt werden kann. Außerdem wird das Gehalt für den Freiwilligen Wehrdienst um 60 Euro erhöht. Bisher liegt das zwischen 777 und 1146 Euro monatlich.

Eine weitere Neuerung: Erstmals ist von nun an die Arbeitszeit der Soldaten geregelt. Wer sich nicht auf hoher See oder im Kriegsgebiet befindet, soll nur noch 41 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Auch Teilzeitarbeit soll bei der Bundeswehr künftig besser möglich sein. Außerdem sollen Soldaten, die nur einige Jahre gedient haben, für die Zeit bei der Bundeswehr im Rentensystem höher nachversichert werden. Das betrifft drei Viertel aller Soldaten.

Aufholen von fälligen Reformen

„Mit den beschlossenen Maßnahmen machen wir den Arbeitgeber Bundeswehr wieder konkurrenzfähig", zeigt sich der verteidigungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Henning Otte, überzeugt. Er lobt die Anstrengungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn Vater oder Mutter im Kriegseinsatz sind, übernimmt der Bund beispielsweise die Kosten für Haushaltshilfen. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, ist mit dem Gesetz zufrieden. Er bezeichnet es als Meilenstein.

Wird der Dienst in der Bundeswehr damit nun also attraktiver? Mitnichten, sagen Kritiker. Die neuen Arbeitszeitregeln und die Anhebung der Gefahrenzulagen holten nicht viel mehr als das nach, was sich über Jahre angestaut habe. Seit 25 Jahren waren die Erschwerniszulagen nicht erhöht worden, Teilzeitarbeit war bisher nur bei bestimmten Voraussetzungen möglich.

Für den öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft gelten diese Regeln längst. „Das hat nichts mit gesteigerter Attraktivität zu tun, sondern mit vernünftigen Voraussetzungen für einen Arbeitsplatz", sagt der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner (Grüne). „Das Gesetz war überfällig und es gibt noch viele Baustellen ", meint der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP). Er bezweifelt, dass eine 41-Stunden-Woche wirklich umsetzbar ist.

Schließlich lasse sich in Krisenregionen oder selbst bei Übungen im Inland nicht einfach Feierabend machen. Auch der Chef der Arbeitsagentur, Frank-Jürgen Weise, der schon die Kommission zur Umstrukturierung der Bundeswehr zur Berufsarmee geleitet hat meint: „Imagebildend sind die Kleinklein-Änderungen nicht."

Imagearbeit im „Showroom“

Für ihr Image hat die Bundeswehr an anderer Stelle einiges getan. Im Herzen Berlins am S-Bahnhof Friedrichstraße hat sie einen Showroom eröffnet, eine Art Rekrutierungsbüro. Die Bundeswehr soll in der Hauptstadt deutlich Flagge zeigen. Wer will, kann sich dort zu Schnuppertagen bei der Marine anmelden – Anfahrt mit der Bahn inklusive.

Die Marine sucht derzeit händeringend nach Freiwilligen. Im Showroom, an der Basis der Nachwuchsrekrutierung sozusagen, hält man nicht viel von Ursula von der Leyens Reformplänen: „Vereinbarkeit von Beruf und Familie – schön und gut. Aber wie soll das im Auslandseinsatz klappen?“ , fragt Hauptmann Jürgen Klau ohne Umschweife.

Er leitet den Showroom, in dem es an diesem Nachmittag eher ruhig ist. „Die jungen Leute wollen einen sicheren Job mit guter Bezahlung“, ist sich Klau sicher.

Nach Internetempfang auf der Stube oder der Entfernung der Kaserne vom Heimatort habe ihn noch nie jemand gefragt, sagt er. Stattdessen interessiere die jungen Menschen wie hart die Grundausbildung wirklich ist und wie es im Auslandseinsatz abläuft. „Das jetzige Gesetz betrifft ja auch eher die jetzigen Soldaten“, sagt Klau, während auf dem Flachbildschirm hinter ihm ein Eurofighter-Kampfflugzeug durch die Wolken fliegt.

Gesetz spricht spezielle Zielgruppe an

Dass er damit Recht hat, bestätigt der Sozialforscher Gregor Richter vom Institut für Militärgeschichte der Bundeswehr in Potsdam. Erschwernis- oder Personalbindungszulagen seien Instrumente, die spezielle Zielgruppen ansprächen, schreibt er in einer Stellungnahme für den Verteidigungsausschuss.

Doch die Arbeitszeitregelungen oder die im Gesetz verankerten verbesserten Aufstiegschancen schätzt er als erfolgsversprechend für die Agenda Attraktivität ein. Ein sicherer Job und gute Bezahlung sind laut der jüngsten IHK-Jugendstudie des Sinus-Instituts entscheidende Faktoren.

Aber genauso wichtig ist das Betriebsklima, Selbsterfüllung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Nähe zum Heimatort. Die Studie untersuchte zwar nur Jugendliche in Baden-Württemberg, laut Institut ließen sich daraus jedoch durchaus bundesweite Trends erkennen. Für die Bundeswehr sind solche Studien wichtig, sie muss schließlich künftig 60.000 Bewerber pro Jahr akquirieren. Daraus werden dann die benötigten 20.000 Soldaten ausgewählt.

Schimmlige Kasernen und veraltete Ausrüstung

Der Wehrbeauftragte mahnt noch mehr Anstrengungen bei der Sanierung von Kasernen an, die teilweise trotz Schimmel oder Kloakengeruch noch in Betrieb seien. Ministerin von der Leyen hat zwar angekündigt, die Unterkünfte in den kommenden Jahren für 750 Millionen Euro erneuern zu wollen. Doch der Erfolg der Attraktivitätsoffensive werde möglicherweise gefährdet durch veraltete Waffen und Geräte wie das Transportflugzeug Transall.

Nicht nur Unterkünfte und Ausrüstung sehen die Gewerkschaft Verdi und die Linkspartei als ein Hindernis zur Attraktivität. „Das Problem ist, dass es zu wenig Klarheit gibt über das Profil der Bundeswehr“, bemängelt Gewerkschafter Christian Fuhrmann bei einer Anhörung im Verteidigungsausschuss. Bundestagsmitglied Michael Leutert (Linke) fordert, die Bundeswehr solle „nur noch sinnhafte Einsätze verfolgen.“

Dies sei der Fall gewesen, als die deutsche Marine bei der Zerstörung syrischer Chemiewaffen im Einsatz war. In Sachen inhaltliche Neuausrichtung wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gerade aktiv. Die Verhandlungen für ein neues Weißbuch der deutschen Streitkräfte haben gerade begonnen.

Kasernen, Ausrüstung, Weißbuch – bis all die Meilensteinchen zusammengesetzt sein werden, wird im Showroom der Bundeswehr in Berlin Mitte weiter informiert und aufgeklärt. „Überzeugungsarbeit wollen wir jedoch nicht leisten“, meint Hauptmann Klau. Das Grundinteresse am Militär müsse einfach bestehen, schließlich sei der Beruf Soldat wie kein anderer.





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