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EIN COWBOY SATTELT UM

Wer kennt ihn nicht, den Lonesome Cowboy, der schneller zieht als  sein Schatten. Im dritten Band der Lucky-Luke-Hommage-Reihe steigt  der gezeichnete Westernheld vom Pferd aufs Velo um.

Text: Bruno Angeli

Beim Stichwort Lucky Luke denken viele an ihre Kindheit. Lucky Luke war beste Medizin,  wenn  es  galt,  eine  Grippe  durchzustehen. Lucky Luke machte Spitalaufenthalte  erträglich.  Der  Cowboy  gehört  zusammen  mit  Tim  und  Struppi  sowie Asterix und Obelix zu den populärsten Helden des europäischen Comics. Den  Lonesome  Cowboy  gibt  es  bereits  seit mehr als 70 Jahren. So lange schon parodiert  die  Heldenfigur  die  Mythen  und Legenden des Wilden Westens. Erfunden wurde Lucky Luke von Mau-rice de Bévère, später bekannt als Morris.  Wenige  Wochen  nachdem  britische  Truppen  Brüssel  von  der  deutschen  Besatzung befreit hatten, trat Bévère seinen neuen  Job  als  Zeichner  in  einem  Trickfilmstudio  an.  Bereits  mit  20  Jahren  träumte er von einem Cowboy und des-sen Begleiter, einem weissen Pferd. 1946 musste  das  Trickfilmstudio  schliessen.  Bévère  und  andere  talentierte  Zeichner  und  Autoren  fanden  aber  beim  Comicmagazin «Spirou» Unterschlupf. Hier erschien  dann  auch  die  erste  Episode  mit  Lucky Luke. Zwei Jahre später übersiedelten  Bévère  mit  seinen  Kollegen  Jijé  und  Franquin  in  die  USA.  Im  Land  der  unbegrenzten  Möglichkeiten  wurde  aus  Lucky  Luke  der  Cowboy,  wie  wir  ihn  heute kennen. Die vielen Eindrücke, die Morris  vor  Ort  sammelte,  flossen  in  Lucky Lukes Geschichten ein.

HOMMAGE AN DEN COWBOY

Grossen Anteil daran hatte auch Harvey Kurtzman,  der  Gründer  der  Zeitschrift  «Mad», den Morris in den USA kennen-lernte.  Grossen  Einfluss  auf  die  Figur  Lucky Luke nahm aber auch René Gos-cinny,  der  Erfinder  von  Asterix.  Er  war  ab  1955  Textautor  und  Szenarist  von  Lucky  Luke.  Das  Gespann  Morris/Gos cinny brachte mit «Des rails sur la prairie»  seine  erste  gemeinsame  Geschichte  heraus.  Das  Duo  realisierte  zusammen  viele weitere Storys rund um den Lonesome Cowboy. Als Goscinny 1977 starb, ging  es  mit  diversen  Autoren  weiter.  2001 starb auch Morris. Seit 2003 zeichnet Hervé Darmenton unter dem Pseud-onym  Achdé  die  Cowboy-  und  Wildwestparodie. 2016 und 2017 erschienen zum 70-Jahr-Jubiläum zwei Hommagen an  Lucky  Luke.  Der  Band  «Der  Mann,  der  Lucky  Luke  erschoss»  stammt  von  Matthieu Bonhomme. Der zweite heisst «Jolly  Jumper  antwortet  nicht»  und  wurde von Guillaume Bouzard realisiert. Die Huldigungen unterscheiden sich stilistisch stark voneinander und auch von der Originalserie.

«FAHRT MEHR FAHRRAD!»

2019  erschien  nun  ein  weiterer  Band  in  dieser  Hommage-Reihe.  «Lucky  Luke  sattelt  um»  stammt  vom  42-jährigen  deutschen Zeichner Mawil (Markus Witzel).  Der  Berliner  wurde  bekannt  durch  Comics wie «Kinderland», «Wir können ja Freunde  bleiben»  und  dem  «Supa-Hasi». Die Story des Comics soll hier nicht nacherzählt werden. Doch wie der Titel  bereits  verrät:  Lucky  Luke  steigt  vom Sattel seines geliebten Pferdes Jolly Jumper auf ein Velo um. Nach anfänglichen  Schwierigkeiten  und  einer  schlangenlinienförmig  im  Wüstensand  hinterlassenen  Fahrspur  kommt  der  Cowboy  bald  klar  mit  seinem  neuen  Untersatz.  Der  Comic  enthält  viele  tolle  Episoden, in denen sich Velofahrende wiederfinden können.  So  zum  Beispiel  jene  mit  den  platten  Reifen  oder  jene,  in  denen  ein  Mitarbeiter der Eisenbahn sich mit dem Velotransport  schwertut.  Mawil  kennt  sich  offensichtlich  mit  der  Problematik  aus.  Im  Gespräch  mit  dem  Redaktions-netzwerk Deutschland antwortete er auf die Frage, was ihn am Velo so fasziniere: «Ich  bin  der  festen  Überzeugung,  die  Welt  wäre  ein  besserer  Ort,  wenn  mehr  Menschen  Fahrrad  fahren  würden.  Das  Fahrrad  ist  eine  der  wenigen  Menschheitserfindungen,  bei  denen  die  Vorteile  klar überwiegen. Das ist eine der wenigen Botschaften  in  meinem  ‹Lucky  Luke›.  Also,  Leute,  fahrt  mehr  Fahrrad.  Es  tut  euch und der Umwelt gut!»

HINTERGRUND 

Albert  Overman  und  Albert  Pope  spielen  im  Comic  eine  wichtige  Rolle.  Sie  sind  Konkurrenten,  wobei  Pope  im  Comic  auf  Hochräder  setzt  und  Overman  auf  das  modernere  Velo.  Die  Figuren  basieren  auf  realen  US-Persönlichkeiten  um  1890.  Pope  importierte  europäische  Hochräder  und  bemühte  sich  um  US Patente  für  diese Velos. Fahrradhersteller in den USA mussten ihm etwa zehn US Dollar Lizenzgebühr  für  jedes  gefertigte  Velo  bezahlen.  Die  von  ihm  gefertigte  Marke  nannte  sich «Columbia». Auf der Höhe des Velo-Booms in den USA (um 1895) stellte Pope pro Jahr rund eine Million Velos her. Sein Konkurrent Overman gründete die Overman Wheel Company in Chicopee Falls, Massachusetts. Er produzierte ab 1882 Velos der Marke Victor. 1900 wurde die Veloabteilung jedoch bereits weiterverkauft.

Erschienen in Velojournal 3/2019