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Mental Load: "Mutti macht das schon" ist nicht mehr zeitgemäß

Über "Mental Load" - frei übersetzt die Last, an alles denken zu müssen - wird dieser Tage viel gesprochen. Endlich, möchte man sagen, schließlich steckt dahinter ein altes Problem. Jahrzehntelang konnte Mann sich darauf verlassen, dass Mutti das schon macht. Bei unseren Eltern waren die Rollen noch klar verteilt, Papa ernährte die Familie und Mutti schmiss zu Hause den Haushalt und zog die Kinder groß. Aus vielen Gründen ist dieses Modell heute nicht mehr möglich, zeitgemäß und in Hinblick auf die Rente sogar brandgefährlich.

Familie ist Teamwork: Väter müssen aktiv werden

Das Problem: Zwar stieg die Erwerbsquote der Frauen deutlich, nicht aber das männliche Engagement in Sachen Haushalt und Kinderbetreuung. Böse formuliert: Viele Mütter haben mit der Erwerbsarbeit eine weitere Baustelle neben Haushalt und Kinderbetreuung dazubekommen. Außerhalb der Filterblase "Neue Väter" gibt es genug Männer, die nach acht bis zehn Stunden Büro, etwas Superdaddy-Show plus Autowaschen und Rasenmähen am Wochenende ihren Beitrag zum Familienleben als erledigt ansehen. Umso wichtiger ist es, dass viele Frauen keinen Bock mehr haben, die ganze Familienarbeit allein zu stemmen, und ihren Unmut lautstark formulieren. Etwas flapsig gesagt: Um einen Mütterstreik - Mann stelle sich die Folgen vor - zu verhindern, müssen wir Väter endlich mal aktiv werden.

Aber meine Frau hat doch Spaß daran, werden jetzt viele Männer sagen (oder wenigstens denken). Aber es kann nicht sein, dass sich Frauen für alles verantwortlich fühlen und der ganze Erwartungsdruck auf ihnen lastet. Ein wichtiger Grund dafür ist ein angestaubter (von Männern geprägter) Müttermythos, der Frauen immer noch als Hüterin von Haus und Kindern sieht und damit immensen Druck erzeugt. Wir Männer geben dagegen gerne Verantwortung ab. Im Büro sind wir noch entscheidungsfreudig und bestimmend. Im Haushalt werden wir aus Bequemlichkeit schnell zu reinen Befehlsempfängern, die weder den Namen des Kinderarztes noch die aktuelle Kleider- oder Schuhgröße des Kindes kennen.

In heutigen Tagen nur ein Klischee? Lauschen Sie mal den ernsten Müttergesprächen auf dem Spielplatz oder in der Kita-Garderobe. Doch es gibt Auswege. Der Anfang ist eine simple Erkenntnis - Familie ist Teamwork und beide Partner sind für Kinder und Haushalt verantwortlich. "Wenn Paare erkennen, dass es ein Aufteilungsproblem gibt und sie etwas ändern wollen, ist ein großer Schritt getan", bestätigt Laura Fröhlich. In ihrem Buch "Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles!" beschreibt sie Wege zu einer besseren Aufteilung.

Karten auf den Tisch ist erst der Anfang: Expertin rät zu regelmäßigen Küchenmeetings

Im ersten Schritt werden alle Aufgaben gesammelt, die im Familienalltag so anfallen. Alltägliches wie Frühstück machen, Kinder in die Kita bringen, Spülmaschine ausräumen, Wäsche waschen oder Einschlafbegleitung genauso wie einmalige Aufgaben wie Auto zum TÜV bringen oder Steuererklärung machen. Natürlich zählt auch die Erwerbsarbeit und die Kinderbetreuung in der Elternzeit dazu. Neben all diese Aufgaben schreibt man den zeitlichen Aufwand und die Häufigkeit. "Alle Arbeiten haben den gleichen Wert. Das heißt, acht Stunden im Büro sind genauso wichtig wie die acht Stunden mit Baby zu Hause", erklärt Fröhlich.

Hat man sich einen Überblick verschafft, werden die Aufgaben verteilt. Die "Mental Load"-Expertin rät dafür zu regelmäßigen Küchenmeetings - zum Beispiel am Sonntag, passend zum Start der Woche. Hier können die Partner genau besprechen, welche Aufgaben in der nächsten Woche anstehen und wer was übernehmen kann. Natürlich muss nicht jede Kleinigkeit verteilt werden. Es darf auch "feste" Zuständigkeitsbereiche abseits von Elternzeit und Erwerbsarbeit geben. Bei klassischer Rollenverteilung heißt das vielleicht, Papa kümmert sich am Wochenende um die Bügelwäsche, übernimmt nach dem Büro die Einschlafbegleitung und das Zähneputzen und kocht für den nächsten Tag vor. Mama bestreitet dagegen den Alltag mit Baby und kümmert sich um Spülmaschine und Wäsche.

Projektmanagement in der Familie: Gemeinsam Aufgaben erledigen

Je mehr Mitglieder eine Familie hat, je mehr Termine anstehen, umso sinnvoller ist ein digitaler Familienkalender. Der Vorteil: Jeder behält den Überblick über die anstehenden Termine und Aufgaben. Außerdem lassen sich noch wichtige Informationen teilen. Welche Größe müssen Matschhose und Gummistiefel haben oder was muss zum Kita-Sommerfest mitgebracht werden? Solche Informationen helfen ungemein dabei, anstehende Aufgaben selbstständig zu erledigen.

Noch ein Tipp dazu: Gerade in der ersten Zeit mit Baby ist Effizienz nicht alles. Es macht sogar Sinn, möglichst viele Aufgaben gemeinsam zu erledigen. Natürlich nicht die Spülmaschine auszuräumen, aber zum Beispiel Kinderkleidung zu kaufen oder den Kinderarzt aufzusuchen. Das schafft einen gemeinsamen Wissensstand über Impfungen, Kinderkrankheiten oder Kleidergrößen. Und das ist ungemein wichtig für eine partnerschaftliche Aufteilung, wie Patricia Cammarata erklärt. "Mit der Aufteilung von Aufgaben allein ist es nicht getan. Die mentale Last verschwindet erst, wenn der Partner auch selbstständig aktiv wird, Verantwortung übernimmt und nicht ständig an die Aufgaben erinnert werden muss", erklärt die Autorin des Buches "Raus aus der Mental-Load-Falle".

Pragmatisch ist das neue Normal: Für Entlastung im Alltag sorgen

Auch hier sind beide Seiten gefragt. Die Väter müssen sich mehr einbringen und mehr Verantwortung übernehmen und die Mütter mehr Platz dafür lassen - auch wenn es manchmal nicht nach ihren Vorstellungen läuft oder es nicht ganz perfekt wird. "Ich kann nur allen jungen Eltern raten, pragmatisch zum neuen Normal zu machen. Jedes Paar sollte dabei entscheiden, was ihm selbst wichtig ist", sagt Cammarata. Das Wohnzimmer muss nicht immer aufgeräumt sein, der Brei nicht immer selbst gekocht, die Haare nicht immer perfekt sitzen, die Matschhose nicht immer aus recycelten PET-Flaschen hergestellt sein.

Für die Entlastung im Alltag ist es wichtig, sich zu fragen, was man weglassen und welche Aufgaben man auslagern kann - an kinderlose Freunde oder Verwandte, aber auch Babysitter oder Lieferdienste - noch ein Thema für das wöchentliche Küchenmeeting. Übrigens genauso wie die Reflexion - also welche Aufgabenverteilung hat gut geklappt, was war schwierig? Wie könnten wir den Alltag noch besser verteilen?

Viele Männer mögen jetzt stöhnen. Gleichberechtigung bedeutet nicht nur mehr Arbeit, sondern auch noch mehr Kommunikation und Absprachen. Klar ist das anstrengend, aber eine Alternative gibt es nicht. Die Zeiten, in denen die Frauen das Familienoberhaupt nach der Arbeit mit Abendbrot und den angewärmten Pantoffeln erwarteten, sind zum Glück langsam vorbei - auch wenn mancher Mann das bedauern mag.

Buchtipps:

Laura Fröhlich - Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles! Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen. Kösel-Verlag. ISBN: 978-3-466-31146-0. Preis: 16,00 Euro.

Patricia Cammarata - Raus aus der Mental-Load-Falle. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt. beltz. ISBN: 978-3-407-86632-5. Preis: 17,95 Euro.

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