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Künstliche Befruchtung: Wunsch und Wirklichkeit

"Eltern zu werden ist nicht schwer" - sagt jedenfalls der Volksmund. Und tatsächlich wird eine große Mehrheit aller Paare in den ersten zwölf Monate mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr schwanger. Auf der anderen Seite ist etwa jedes zehnte Paar in Deutschland ungewollt kinderlos. Bleibt eine Schwangerschaft innerhalb eines Jahres aus, macht es also Sinn, einmal nach den Ursachen dafür zu suchen. Die Frauen sollten mit ihrem Gynäkologen über ihren Kinderwunsch sprechen und ihre Eileiter, Gebärmutter und die Schilddrüse untersuchen lassen. Bei Männern gibt ein Spermiogramm Auskunft über die Zeugungsfähigkeit. Werden Anzeichen für eine Unfruchtbarkeit gefunden, führt der Weg oft direkt in ein Kinderwunschzentrum. Dort wird nach ausführlicher Beratung und Untersuchung versucht, den Paaren den Traum vom eigenen Kind zu erfüllen. Grundsätzlich gibt es drei Verfahren für eine künstliche Befruchtung.

Mehrere Methoden zur Kinderwunschbehandlung

Die intrauterine Insemination ist die vielleicht „natürlichste" Methode für eine Kinderwunschbehandlung. Das Sperma des Mannes wird aufbereitet und danach direkt in die Gebärmutter der Frau injiziert. Zusätzlich wird oftmals noch der Eisprung der Frau durch eine Hormonbehandlung stimuliert. Diese Methode wird genutzt, wenn der Mann nur wenige und nicht sehr bewegliche Spermien hat und bei der Frau keine größeren Probleme bestehen. In vielen Kinderwunschzentren wird diese Methode allerdings immer seltener angewandt, da die Erfolgschancen nicht klar belegt sind.

Bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) findet die Befruchtung nicht mehr im Körper statt, sondern im Reagenzglas. Dafür werden der Frau durch eine kleinen Eingriff Eizellen aus dem Eierstock entnommen und dann mit den Spermien des Mannes im Reagenzglas zusammengebracht. Um die Produktion von vielen Eizellen und später den Einsprung anzuregen, bekommt die Frau im Vorfeld eine Hormonbehandlung.

Die eigentliche Befruchtung findet ohne Zutun der Ärzte in der Pe­trischale statt. Hat sich die befruchtete Eizelle zu einem Embryo entwickelt, werden bis zu drei von ihnen nach zwei bis drei Tagen wieder in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. Häufig wird die In-vitro-Fertilisation bei Frauen mit einer „gestörten" Eileiterfunktion angewendet - dazu zählen zum Beispiel Wucherungen an der Gebärmutterschleimhaut, Entzündungen oder Verwachsungen im Beckenbereich. Aber auch bei einer eingeschränkten Fruchtbarkeit des Mannes wird eine IVF-Behandlung genutzt.

Werden Anzeichen für eine Unfruchtbarkeit gefunden, führt der Weg für Paare oft in ein Kinderwunschzentrum.

Chancen auch bei starker Zeugungsunfähigkeit

Im Prinzip funktioniert die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ähnlich, mit einem entscheidenden Unterschied: Im Labor wird zuerst ein besonders „gutes" Spermium ausgewählt.

Danach wird es über eine dünne Nadel direkt in die Eizelle injiziert. Dank dieser Methode können auch Männer, deren Zeugungsfähigkeit sehr stark eingeschränkt ist, Väter werden. Selbst wenn im Ejakulat keine Spermien vorhanden sind, können diese aus dem Hoden oder den Nebenhoden entnommen werden. Ist die Befruchtung und erste Zellteilung erfolgreich, werden bis zu drei Embryonen in die Gebärmutter eingesetzt. Inzwischen wird diese Methode am häufigsten in deutschen Kinderwunschzentren angewendet, vor allem weil sie als sehr sicher und erfolgversprechend gilt.

Künstliche Befruchtung ist keine Garantie

Knapp 20. 000 Kinder kommen pro Jahr dank einer künstlichen Befruchtung zur Welt. Gleichzeitig werden jährlich knapp 90. 000 Patientinnen für eine Befruchtung mit der IVF- oder ICSI-Methode behandelt. Trotz moderner Reproduktionsmedizin ist also eine künstliche Befruchtung noch lange keine Garantie für eine Schwangerschaft. Der Hauptgrund: Auch wenn die Befruchtung und Zellteilung außerhalb des Körpers geklappt hat, entwickeln sich viele Embryonen im Körper nicht weiter. Der Schwangerschaftstest zwölf bis 14 Tage nach dem Einsetzen fällt dann negativ aus. Die Erfolgsquote bei einer In-vitro-Fertilisation und einer ISCI-Behandlung liegt bei etwa 25 bis 30 Prozent. Bei einer Insemination liegt sie etwa bei 10 bis 15 Prozent.

Risiken durch Hormone

Bei der künstlichen Befruchtung bekommt die Frau in der Regel Hormone, die die Produktion von Eizellen und den Einsprung anregen sollen. Das birgt das Risiko für eine sogenannte Überstimulation. Durch die Überfunktion der Eierstöcke kann es zu Übelkeit, starken Schmerzen und Flüssigkeit im Bauchraum kommen. Auch Atemnot und Störungen der Blutgerinnung sind möglich. Starke Überstimulationen müssen im Krankenhaus behandelt werden. Allerdings tritt diese Nebenwirkung bei weniger als 5 Prozent aller Frauen auf, die während einer Kinderwunschbehandlung zusätzlich Hormone nehmen.

Äußerst selten sind Komplikationen bei den operativen Eingriffen zur Entnahme der Eizellen und dem Einsetzen der Embryonen. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit für Mehrlingsschwangerschaften durch das Einsetzen mehrerer Embryonen in die Gebärmutter erhöht. Die Zwillingsrate bei einer Kinderwunschbehandlung liegt etwa bei 21 Prozent. Zum Vergleich: Bei natürlichen Schwangerschaften beträgt sie nur etwa ein Prozent.

Ein häufig übersehener Punkt ist die hohe emotionale Belastung für die Paare. Eine Kinderwunschbehandlung bedeutet häufig ein Wechselbad der Gefühle - das gilt vor allem, wenn mehrere Versuche nötig sind. Darauf sollten sich Paare vorher einstellen.

Bis zum ersten Ultraschalluntersuchung ist es für Paar oft ein langer Weg. Darauf sollten sie sich einstellen. © Quelle: dpa

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Kosten für eine Behandlung.

Je nach Verfahren und Behandlungsaufwand kann eine Kinderwunschbehandlung schnell mehrere Tausend Euro kosten. Eine Insemination kostet ohne hormonelle Stimulation etwa 350 Euro, mit Hormonbehandlung rund 800 Euro. Deutlich teurer ist eine IVF-Behandlung. Dafür müssen Paare zwischen 2500 und 3000 Euro aufbringen - pro Versuch. Eine ICSI kostet sogar rund 4000 Euro. Werden Eizellen für kommende Versuche eingefroren, kostet zusätzlich das zwischen 300 bis 500 Euro - zuzüglich der Kosten für die Lagerung. Allerdings brauchen die meisten Frauen mehrere Versuche, um schwanger zu werden. Kosten von 10.000 Euro sind bei Kinderwunschbehandlungen also keine Seltenheit. Immerhin gibt es vonseiten der Krankenkassen finanzielle Unterstützung. Wie hoch die ausfällt, ist ganz unterschiedlich. Seit der großen Gesundheitsreform 2004 tragen die meisten gesetzlichen Versicherer nur noch 50 Prozent der Behandlungskosten. Allerdings sorgt der Wettbewerbsdruck dafür, dass immer mehr Krankenkasse einen höheren Anteil der Kosten übernehmen. Auch von den Bundesländern gibt es Unterstützung. So bekommen Paare in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen einen zusätzlichen Zuschuss über 25 Prozent des Eigenanteils für die ersten drei Versuche. Allerdings sind all diese Unterstützungen an Bedingungen geknüpft. So werden oft nur drei Versuche gezahlt. Außerdem darf in der Regel die Frau nicht älter als 40, der Mann nicht älter als 50 Jahre alt sein. Manche Versicherer und Bundesländer unterstützen auch nur verheiratete Paare. Auch eine Unterstützung bei einer Samenspende ist ausgeschlossen.

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Erstattung gilt auch für ältere Paare

Krankenversicherer können verpflichtet sein, auch älteren Frauen die Kosten einer künstlichen Befruchtung zu erstatten. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Anfang des Jahres veröffentlichten Urteil klar. Ein statistisch gesehen höheres Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, ist demnach allein noch kein Grund, die Übernahme der Kosten abzulehnen. (Az. IV ZR 323/18)

In dem Fall aus Bremen ging es um die Behandlung einer 44-Jährigen, deren Mann auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen konnte. Seine private Krankenversicherung hatte die Kosten von rund 17.500 Euro nicht übernehmen wollen und das vor allem mit dem Alter der Frau begründet. Fehlgeburten kämen in dieser Altersgruppe häufiger vor.

Die Karlsruher Richter stuften die vier Anläufe einer künstlichen Befruchtung wegen der Probleme des Mannes als medizinisch notwendige Heilbehandlung ein. Entscheidend dafür sei einzig und allein, dass die Behandlung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einer Schwangerschaft führen könne. Wie diese weiter verlaufe, habe keine Rolle zu spielen.

Das Selbstbestimmungsrecht des Paares umfasse „grundsätzlich auch die Entscheidung, sich den Kinderwunsch in fortgeschrittenem Alter unter Inkaufnahme altersspezifischer Risiken zu erfüllen", heißt es im Urteil. Anders könne die Entscheidung höchstens dann ausfallen, wenn es wegen der Gesundheit der Eltern nur wenig wahrscheinlich sei, dass das Kind lebend zur Welt komme. Bei dem Ehepaar in dem Fall sah der BGH dafür keine Anhaltspunkte. Die Versicherung muss die Kosten deshalb weitgehend übernehmen. Die Kostenübernahme bei den privaten Kassen ist sehr unterschiedlich. Dagegen finanzieren die gesetzlichen Kassen nur die ersten drei Versuche anteilig: Diese übernehmen bei den ersten drei Versuchen die Hälfte. Ein staatlicher Zuschuss für die Behandlungen kann in neun Bundesländern beantragt werden, nämlich in Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

In Niedersachsen wurden 2019 nach Angaben des Gesundheitsministeriums insgesamt 3288 Kinderwunschbehandlungen bewilligt. Die Kosten von knapp 2,89 Millionen Euro teilten sich Land und Bund. Niedersachsen sei bei der Förderung bundesweit führend, betonte das Ministerium.

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