Birk Grüling: Hast du dir eigentlich vor der Geburt Gedanken über das Stillen gemacht?
Kathrin Grüling: Natürlich. Ich glaube, wir Frauen machen uns viel mehr Gedanken über die Geburt und die Zeit danach als die Männer. Dabei fragt man sich natürlich auch, ob das mit dem Stillen wohl gut klappt. Immerhin will man sein Kind ja auch versorgen können. Kannst du dich noch an den Geburtsvorbereitungskurs erinnern? Da gab es doch eine Stunde, in der die Frauen und die Männer unter sich reden konnten. Auch da war Stillen Thema Nummer eins.
Birk Grüling: Das ist lustig. Wir haben überhaupt nicht über die erste Zeit danach gesprochen. Es wurden ein paar Witze über die kulinarischen Vorlieben unserer schwangeren Frauen gemacht und über den Job gesprochen. Ernsthafte Themen? Fehlanzeige. Uns brannten komische Fragen unter den Nägeln: Wann kann man zum ersten Mal gemeinsam mit Duplo oder Lego spielen? Ist Fußball oder doch Handball der bessere Sport für den Nachwuchs? Wie wird es sein, wenn die Tochter ihren ersten Freund mit nach Hause bringt? Aus heutiger Sicht kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
Wie hat sich denn Stillen für dich angefühlt?
Kathrin Grüling: Ich glaube, natürlich trifft es ganz gut. Das Stillen hat von Anfang an gut geklappt und es war irgendwie unser Moment der Zweisamkeit. Wir haben gekuschelt, ich habe unseren Sohn gestreichelt, oft ist er danach einfach eingeschlafen und ich habe seine Nähe genossen. Danach wollte er auch meistens schnell wieder auf seine Spieldecke und in Freiheit strampeln. Er war ja kein Baby, das viel getragen werden wollte. Auch vor dem Einschlafen war das total schön, mit ihm zu kuscheln und ihn zu stillen.
Birk Grüling: Ja, das stimmt. Für mich sah Stillen auch unheimlich gemütlich aus, gerade tagsüber und natürlich vor allem für unseren Sohn. Man hört ja immer wieder, dass junge Väter das Kind als Konkurrenz um Brust und Aufmerksamkeit sehen. Das ging mir überhaupt nicht so. Ich empfand eure Zweisamkeit als sehr schön anzusehen und habe eher nach Wegen gesucht, mich selbst einzubringen und Zeit mit meinem Kind zu verbringen.
Kathrin Grüling: Stimmt. Anfangs bist du immer aufgesprungen und hast irgendwo gesaugt, eine Waschmaschine angestellt oder eine Spülmaschine ausgeräumt.
Birk Grüling: In meiner Erinnerung habe ich dir immer was zu trinken und zu essen gereicht.
Kathrin Grüling: Ich erinnere mich vor allem an den Staubsauger. Aber eine gute Arbeitsteilung war eigentlich das Windelnwechseln und Stillen in der Nacht. In den ersten Nächten standen wir noch immer zusammen am Wickeltisch, vermutlich aus Unsicherheit. Dann hat die Hebamme vorgeschlagen, dass wir uns doch die Arbeit teilen sollen. Dieser Tipp hat viel Kraft gespart.
Birk Grüling: Ja, ich habe mich total nützlich gefühlt. Ich konnte aufstehen und wickeln. Klingt banal, aber für mich war das ein gutes Gefühl, dich etwas zu entlasten. Zum Glück haben mir die Hebammen und Kinderkrankenschwestern im Krankenhaus schon sämtliche Berührungsängste im Umgang mit dem kleinen Würmchen genommen.
Gab es etwas, was dich im Bezug auf Stillen überrascht hat?
Kathrin Grüling: Ja, wie lange und wie oft ich manchmal gestillt habe. Ich erinnere mich noch an deinen ersten Bürotag nach der Elternzeit. Ich hatte gefühlt nur gestillt, Windeln gewechselt und den Tag mit schlafendem Kind auf dem Sofa zugebracht. Ich war völlig fertig, als du nach Hause gekommen bist. Ich habe einfach nur geweint und dachte nur, oh Gott, ist das jetzt wirklich die nächsten Monate mein Alltag? Du standest mit einem Kuschelfuchs unter dem Arm ganz verwirrt in der Tür und hast immer wieder gefragt, was los sei. Zum Glück änderte sich der Alltag bald. Es gab Babykurse und Rückbildung. Unser Sohn wurde aktiver. Ich konnte Spaziergänge mit dem Kinderwagen machen, und er hat besser geschlafen.
Birk Grüling: Ja, die Länge hat mich auch anfangs überrascht. Als wir in kinderlosen Zeiten Freunde besuchten, ist die frischgebackene Mutter ständig verschwunden, oft für eine Dreiviertelstunde. Danach habe ich auch noch gedacht, Stillen kann doch nicht so lange dauern, die macht bestimmt etwas falsch. Was für unsympathische Gedanken man als kinderloser Mann doch hat!
Stillen in der Öffentlichkeit ist ja auch immer wieder ein großes Thema in den Medien und den sozialen Netzwerken. Hattest du damit ein Problem?
Kathrin Grüling: Anfangs ein bisschen. Man entblößt immerhin seine Brust. Deshalb haben wir auch oft unsere ersten Ausflüge zwischen die bevorzugten Stillzeiten gelegt. Aber im Laufe der Zeit gibt sich die Unsicherheit, auch weil Stillen in den Babykursen und bei Treffen mit anderen Müttern so normal wird. Aber ich kann es durchaus verstehen, wenn das ältere oder kinderlose Menschen erst mal irritiert. Immerhin wird die Brust schon eher mit Nacktheit und Erotik verbunden. Trotzdem sollte man stillende Mütter nicht aus Cafés oder Geschäften verbannen. Stillen gehört einfach zum natürlichen Leben mit Baby dazu. Gleichzeitig gibt es ganz tolle Stillschals und Jacken, die viel verdecken.
Birk Grüling: Das stimmt. Vielleicht hätte mich das früher auch eher irritiert. Aber stillende Mütter sind mir früher auch gar nicht aufgefallen. Heute ist das anders. Ich empfinde das aber eher als nett und selbstverständlich, wenn eine Mutter das bequeme Sofa bei Ikea für eine Stillpause nutzt. Perspektiven ändern sich.
Hast du eigentlich den Breikoststart als Konkurrenz empfunden?
Kathrin Grüling: Überhaupt nicht. Anfangs ist man komplett in einer kuscheligen Babyblase, aber nach einiger Zeit möchte man wieder mehr am Leben teilnehmen. Dann ist man froh über etwas „Entlastung". Und mit jeder zusätzlichen Breimahlzeit kam ja auch ein wenig Selbstständigkeit und Freiheit zurück. Dazu kam, dass der Kinderarzt den Breikoststart empfohlen hatte, weil unser Sohn ein bisschen zu wenig wog.
Birk Grüling: Das klingt vielleicht etwas verrückt. Aber bei mir war es etwas anders herum. Ich empfand das Füttern als total schön. Plötzlich konnte ich endlich unseren Sohn auch mal „versorgen". Ich konnte den Brei anrühren und ihn füttern. Das war mein persönliches Stillgefühl.
Hast du am Ende das Stillen vermisst?
Kathrin Grüling: Nicht so wirklich. Anfangs war er ja noch ein kleines Würmchen und ganz auf die Muttermilch angewiesen. Nach zehn Monaten sah die Welt schon ganz anders aus. Da hat er schon viel Brei gegessen und war nicht mehr so „hilflos", klein und schutzbedürftig wie am Anfang. Außerdem hatte unser Sohn da schon echt viele Zähne und hat mich immer mal wieder gebissen. Das tat höllisch weh. Gleichzeitig hat er auch das Stillen nicht mehr so vehement eingefordert. Heute kuscheln wir beim Vorlesen, das ist mindestens genauso wertvoll.
Das Ehepaar Grüling bat darum, nicht fotografiert zu werden.
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