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Protest gegen türkische Regierung

Von Betânia Ramos Schröder - Frankfurt. Seit dem Ende der Waffenstillstands zwischen der türkischen Regierung und der PKK in Osten des Landes eskaliert der Konflikt auch in der kurdischen Diaspora - und damit auch in Deutschland, wo ungefährt 500 000 Kurden leben. In der vergangenen Woche waren kurdische, links orientierte türkische Organisationen und Nationalisten mehrmals in Frankfurt auf der Straße.

Die Lage in der Türkei spitzt sich jeden Tag weiter zu - mit fatalen Folgen für die Zivilbevölkerung. In Istanbul ging die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas auf pro-kurdische DemonstrantInnen los. In der Westtürkei wurden viele Geschäfte von Kurden attackiert. Immer wieder gibt es Bombenanschläge in kurdischen Gebieten.

Solidarität mit den Eingeschlossenen in Cizre

Der Höhepunkt des Konflikts auf der politische Ebene ereignete sich, als eine Delegation der pro-kurdischen HDP mit ihrem Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş 20 Kilometer vor der Stadt Cizre in der Südtürkei von der Polizei aufgehalten wurde. Seit über einer Woche gilt in dieser Stadt, in der viele Anhänger der HDP und der PKK leben, eine Ausgangsperre. Sie wurde am Wochenende nur für einen Tag aufgehoben.

Zivilisten wurden getötet, unter ihnen Kinder. Die Lage ist chaotisch, ein Massaker droht. Die türkische Armee behauptet, die Ausgangsperre sei notwendig, um die Aktivitäten von" Terroristen" zu verhindern. Währenddessen leidet die Bevölkerung unter Lebensmittelknappheit. Es gibt keine Elektrizität und keinen Mobilfunk. Die Familien durften eine Wochen lang ihr Zuhause nicht verlassen. Sie mussten sogar die Leichen getöteter Angehöriger zuhause behalten und durften sie nicht beerdigen.

Einmal demonstrieren Kurden, ein anderes Mal Nationalisten

Der Konflikt zwischen der Erdogan-Regierung und kurdischen Organisationen spiegelt sich auch in Deutschland. Letzte Woche demonstrierten kurdische und links orientierte türkische Organisationen mehrmals in Frankfurt. Am Mittwoch, 9. September, zogen etwa 1000 Personen friedlich vom Hauptbahnhof in Richtung Frankfurter Innerstadt. Sie protestierten gegen der Tod von Zivilisten in Cizre und forderten die Aufhebung des PKK-Verbots. Sie hatten Plakate und Fotos verwundeter Kinder dabei. Immer wieder riefen sie „Schluss mit dem Massaker in Kurdistan", „Die Kurden wollen leben" und ähnliche Parolen. Die Empörung über die aktuelle Lage in der Türkei war in jedem Gesicht zu erkennen.

Am Tag danach machten sich türkische Nationalisten auf einen sogenannten „Solidaritätmarsch", um gefallene türkische Soldaten zu ehren. Sie protestierten auch gegen den „PKK Terror" und für eine geeinte Türkei. Am Ende der Demonstration kam es am Paulsplatz zu einem gewalttätigen Zusammenstoß mit 50 GegendemonstrantInnen.

Protestzug gegen die PKK

Zwei Tage danach marschierten am Samstag, 12. September, nochmals tausenden pro-kurdische und links-orientierte Organisationen gegen den Krieg in der Türkei. Währenddessen zogen türkische Hooligans durch die Straße von Frankfurt, um die pro-kurdischen DemonstrantInnen zu provozieren. Es gab zwei Festnahmen, aber die Demonstration verlief weiter friedlich. Die Polizei war mit vielen Einsatzkräften vor Ort.

Parallel zu der pro-kurdischen Demonstration gab es am Paulsplatz noch eine spontane Kundgebung von etwa 150 nationalistischen Türken. Sie bezeichneten sich als " Türken und Kurden gegen den Terror der PKK". Die Demonstranten trugen türkische Flaggen und Transparente mit Bildern von Atatürk. Auf den Plakaten stand "Hand und Hand gegen der Terror", „Europa braucht Deutschland", „Je suis Türkye" und andere nationalistische Parolen - ebenso immer wieder Protest gegen die PKK.

Weitere Spaltung ist zu befürchten

Bei der Kundgebung wurden gefallene türkische Soldaten geehrt und immer wieder betont, dass dieses eine Moment sei, in dem alle ethnischen und religiösen Gruppen in der Türkei gemeinsam gegen den PKK-Terror kämpfen müssten. Nach Worten der Redner sei die PKK eine Minderheit. Ihr Vorgehen entspreche nicht dem Wunsch nach Frieden der kurdischen Bevölkerung. Ein Appell, der wohl in Gestalt von Gewalt gegen Kurden und einer weiteren Spaltung auf der Straße Resonanz findet.

Aus verschiedenen Städten Deutschlands wurden gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen türkische Nationalisten und Kurden gemeldet. Es wird so weiter gehen. Am selben Tag treffen sich nur 500 Meter voneinander entfernt Menschen, die kulturelle und historische Gemeinsamkeit teilen, und die gleichzeitig durch die kulturelle und ökonomische Dominanz der anderen getrennt werden. Der Weg zu Frieden ist weit von der kurdischen Zivilbevölkerung entfernt, solange die Türkei die Rechte der Kurden verleugnet und Erdogans Regierung die Türkei in einen absolutistischen Staat verwandeln will.

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