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Umweltschutz: Sieben Mal Streit am Fluss

Deutschlands große Flüsse bergen viele Konflikte zwischen Wirtschaft und Umweltschützern. Der Rhein ist beispielsweise eine wichtige Verkehrsroute, sein Wasser versorgt viele Krafwerke. Dies strapaziert jedoch die Flussbewohner.

Schutz und Nutzen stehen nicht nur bei der Elbvertiefung im Widerspruch zueinander. Und von Januar an wird eine EU-Verordnung für neuen Ärger sorgen.



Der jahrelange gerichtliche Streit um die Elbvertiefung gilt als das größte Umweltverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Er ist aber nicht der einzige Konflikt dieser Art: Ob an Weser oder Ems, Rhein oder Donau - auch an anderen Flüssen kollidieren Wirtschaft und Umweltschutz. Geradezu paradox ist die Abwägung beim Thema Güterverkehr: Die Schifffahrt ist umwelt- und klimaschonender als andere Verkehrswege. Aber rechtfertigt das den Verlust von Lebensräumen für seltene Pflanzen, Artensterben oder größere Hochwasserrisiken? Den Kontext - nicht nur der Elbentscheidung, sondern praktisch jedes Konflikts um die Nutzung von Flüssen - bildet die Europäische Wasserrahmenrichtlinie.

Sie tritt im Januar in Kraft und macht jeden Zoff am Fluss noch komplizierter, indem sie vorschreibt, dass jedes Gewässer in einem "guten ökologischen Zustand" sein muss. Was gut ist? Dafür entscheidend sind vier Parameter: die im Wasser lebenden Fische und wirbellosen Kleinlebewesen, Algen und Wasserpflanzen. Alle EU-Staaten hatten 15 Jahre Vorlauf, aber aktuell stuft die Bundesanstalt für Gewässerkunde nur etwa ein Prozent aller Bundeswasserstraßen als "gut" ein - obwohl es bei denen schon ein Zugeständnis an die Schiffer gab: ein "gutes ökologisches Potenzial" reichte aus (der Unterschied: die Beschaffenheit des Ufers oder die Struktur des Flusslaufes fallen weniger ins Gewicht). Die Europäische Kommission hat Deutschland bereits gerüffelt und mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Mehr als 7.300 Kilometer sind die Wasserstraßen des Bundes insgesamt lang. Eine Schiffstour zu sieben typischen Konflikten: 1. Weser

Damit Containerriesen auch künftig Bremerhaven anlaufen, kämpft die Stadt für einen tieferen Hafenzugang. Die Außenweser soll einen Meter weiter ausgebaggert werden, dann wären die großen Schiffe unabhängig von Ebbe und Flut. Die Vertiefung würde den Hafen attraktiver machen. Sie würde aber auch dazu führen, dass mit der auflaufenden Flut mehr Meerwasser in den Unterlauf der Weser eindränge, die Fließgeschwindigkeit würde höher, der Tidenhub deutlich größer. Außerdem würde das Wasser der Unterweser wohl salziger und der Fluss damit als Trinkwasserquelle für Rinder und Schweine unbrauchbar. Zudem gefährdet das Vorhaben Strände, Ufer und die dortigen Lebensräume.

Währenddessen wartet man weniger als 50 Kilometer von Bremerhaven entfernt im JadeWeserPort auf die Schiffe. Eine Milliarde Euro hat der Neubau des Wilhelmshavener Tiefwasserhafens gekostet. Er ist selbst für die dicksten Frachter gerüstet - doch die bleiben ihm fern. Der Containerumschlag ist gering, nur zwei Schiffe pro Woche machen im JadeWeserPort fest. Die meisten Hafenarbeiter wurden mittlerweile in Kurzarbeit geschickt.

Umweltschützer fordern daher eine bessere Kooperation zwischen den Häfen in Hamburg, Bremerhaven und dem neuen Wilhelmshavener Containerriesen-Terminal. Gleichzeitig haben die Umweltschutzverbände vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Weservertiefung geklagt. Doch die Richter setzten das Verfahren aus und wandten sich an ihre Kollegen vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg: Ob eine Weservertiefung gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie verstößt, wird dort wohl im Frühjahr nächsten Jahres geklärt.

2. Neckar

Ökostrom aus Wasserkraft hat eine dunkle Seite: Zwar ist die Erzeugung unabhängig von endlichen, dreckigen Energieträgern. Die Stauwehre, an denen der saubere Strom erzeugt wird, stören das Ökosystem Fluss jedoch ganz erheblich. Dafür ist der Neckar ein gutes Beispiel: Mehr als 75 künstliche Barrieren wie Schleusen, Wehre, Staustufen behindern Fische und Kleintiere wie den Bachflohkrebs bei ihrer Wanderung. Und dem Neckarufer ist wenig von seiner Ursprünglichkeit geblieben. Kerzengerade Kanalisierungen machen den Fluss auf weiter Strecke zur betonierten Fahrrinne; fast 90 Prozent der ursprünglichen Auenflächen fielen den Mauern zum Opfer. Jede Renaturierung wäre an dem dicht besiedelten Fluss ein Politikum.

Zwar profitieren die Tiere im Neckar von den Kläranlagen, die in den letzten Jahrzehnten die Wasserqualität konsequent verbessert haben. Klares Wasser alleine reicht nicht für einen guten Lebensraum, zu einem "guten ökologischen Zustand" zählt auch die Durchgängigkeit eines Flusses für seine Bewohner. Mit großem Aufwand gebaute Fischtreppen, Rampen und Umgehungsgewässer bieten inzwischen vielerorts Abhilfe - aber immer noch kommt keine Forelle ungehindert von Tübingen bis Heidelberg.

3. Ems

Damit neu gebaute Kreuzfahrtschiffe in die Nordsee geschleppt werden können, wird regelmäßig der Unterlauf der Ems aufgestaut. Erst in der vergangenen Woche befuhr die Quantum of the Seas, mit knapp 350 Metern Länge der größte hierzulande gebaute Luxusliner, die umstrittenen rund 40 Kilometer bis zur Emsmündung. Die richtig großen Schiffe sind hier stets in einer Richtung unterwegs: Nach dem Stapellauf in der Papenburger Meyer Werft werden sie in Richtung Nordsee geschleppt. Die mehr als sieben Meter Tiefe, auf welche die Fahrrinne der Ems hier ausgebaggert worden ist, reichen für die größten Luxusschiffe aber nicht mehr aus. Für sie kommen zeitweise noch mal eineinhalb Meter Wasser obendrauf - durch Stauung am Emssperrwerk im ostfriesischen Emden. Weil das mit bestehenden Umweltauflagen unvereinbar ist, werden diese vorübergehend ausgesetzt.


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