Gute Ideen, die sich auch gut verkaufen, kann der Konzern mehr denn je gebrauchen. Der Wind ist rauh geworden für McDonald’s, den Pionier, der sich aus dem 1940 eröffneten Schnellrestaurant der Brüder Richard und Maurice McDonald im kalifornischen San Bernardino zu einem Weltkonzern entwickelt hat. Zwar verbuchte der Branchenprimus 2015 gut 3 Milliarden Euro Umsatz, während der schärfste Konkurrent Burger King nur etwa 860 Millionen Euro vorweisen konnte. Doch haben auch Bäckereien und Tankstellen das Segment der billigen warmen Mahlzeit für zwischendurch längst für sich entdeckt und machen McDonald’s zunehmend Druck.
Und dann sind da noch die hippen neuen Läden, die allerorts aus dem Boden sprießen, mit dem Versprechen, den altbackenen Burger in eine Delikatesse zu verwandeln. Zahlenmäßig seien diese Premium-Burgerbrater keine Konkurrenz, heißt es bei McDonald’s: Mit Preisen von zehn Euro oder mehr für einen Burger seien sie für die meisten Kunden zu teuer – selbst wenn dafür mit Rindfleisch aus der Region und ausgefallenen Zutaten wie Ziegenkäse und hausgemachter Zwiebelmarmelade, Avocado und Jalapeños, Parmesan und gegrillter Aubergine geworben wird. Außerdem baue keine dieser neuen Marken ein Vertriebsnetz auf, das auch nur vergleichbar eng sei wie das der Platzhirsche.
„Deutschland ist ein Saucenland“
Doch vom neuen Ruf des Burgers, den die Neulinge mit ihren Variationen geschaffen haben, will auch der Veteran profitieren. In der McDonald’s-Testküche in Fürstenried soll deshalb heute ein Baconburger entstehen. Tatsächlich gekocht wird hier freilich nicht. Der ehemalige Sternekoch Pölking und seine Kollegen setzen vielmehr aus fertigen Zutaten reihenweise Burger zusammen. Das sei so, als habe man 20 Legosteine und bekomme zwei zusätzliche, mit denen man etwas Neues bauen solle, beschreibt Björn Pölking seine Arbeit. Der wichtigste Baustein dabei: die Sauce.
„Deutschland
ist ein Saucenland“, sagt Pölking. Hierzulande müsse es deftig, herzhaft
und salzig zugehen. Schon in Österreich aber könne ein Aktionsburger
ganz anders schmecken. Und während sich etwa im lakritzeversessenen
Finnland Saures gut verkauft, ist in Frankreich ein Burger mit pikantem
Blauschimmel der Renner. Richtig tolle Burger könne man mit diesem Käse
machen, sagt Pölkings Kollegin Lisa Kleemann – aber in Deutschland gehe
das, wenn überhaupt, nur in Nuancen.
Heute steht in Fürstenried auch eine Bacon-Schokoladen-Sauce auf dem Tisch. Doch selbst wenn es diese am Ende auf einen der McDonald’s-Burger schaffen sollte, wird das kaum ein Kunde mitbekommen. Ihr würde es dann vielmehr vermutlich genauso ergehen wie einer Lavendelsauce, die tatsächlich schon mal für einen Aktionsburger gebraucht wurde, neben all den anderen Zutaten aber kaum rauszuschmecken war.
Geworben wird mit derart exotischen Zutaten bei McDonald’s schon gar nicht. Bei einer hippen Burgerbude in Berlin-Kreuzberg oder im Frankfurter Bahnhofsviertel stünde eine Lavendelsauce wahrscheinlich ganz oben und fett gedruckt auf der Speisekarte. Bei McDonald’s dagegen verschwindet sie im Kleingedruckten. Denn am Ende lautet das Motto immer: Keine Experimente.
Noch ein Veggieburger? Nein, danke!
„Was wir hier entwickeln, darf sich nicht nur in kosmetischer Stückzahl verkaufen“, erklärt Björn Pölking seine Aufgabe. Jeden Tag gehen über zwei Millionen Deutsche in eins der McDonald’s-Restaurants. Da kommt es auf große Stückzahlen an, möglichst viele Kunden sollen sich auf Pölkings Werke stürzen. Beim Bioburger ist das kürzlich gehörig schiefgegangen. Bio war am „McB“ zwar nur das Rindfleisch. Doch der Aufwand im Vorfeld war riesig. Der Konzern musste tonnenweise Biofleisch auftreiben und alle Filialen zertifizieren lassen. Nach vier Monaten war der Hoffnungsträger dann mangels Nachfrage aber schon wieder Geschichte.
Auch der vielbesungene Veggie-Boom lässt den Konzern kalt. Auf einen zweiten fleischlosen Burger als Alternative zum altbekannten Veggieburger könne man lange warten, sagt Pölking. Der typische McDonald’s-Kunde, daran hat sich nichts geändert, mag es fettig, fleischig – und billig. Am besten verkaufen sich nach wie vor die Klassiker wie Hamburger und Cheeseburger. Das wissen Pölking und seine Kollegen genau. Der Chef selbst hat deshalb heute einen „Männerburger“ im Sinn. Das Grundrezept: dunkles Brötchen, Senf, Ketchup, massig Bacon-Streifen und zwei Buletten. Salat? Fehlanzeige. Das Echo im Team ist allerdings verhalten. Nur bei den Saucen-Favoriten und den Brötchen ist man sich einig: Bacon sollte möglichst überall drauf oder drin sein. Überzeugt eine Burgeridee die Runde, wird sie bis auf die kleinste Komponente genau notiert. Für das Urteil reicht zumeist ein Bissen. Und selbst der wird nicht aufgegessen, sondern in einen Pappbecher ausgespuckt – wie bei einer wenig stilvollen Weinprobe.
Die grobe Geschmacksrichtung für neue Burgervarianten gibt in der Regel das Marketing vor. Dann machen sich Pölking und sein Team ans Werk. Sind sie fertig, kommt der Vorstand rund um Deutschland-Chef Holger Beeck zum Probeessen vorbei. Heben die Manager den Daumen, kommt das Produkt in einigen Restaurants probeweise auf die Karte. Nur was sich gut genug verkauft, gelangt am Ende wirklich ins Sortiment für alle Läden. Der Ausschuss ist hoch: 150 Neuheiten hat Pölkings Team zuletzt im Jahr präsentiert, 80 schafften es in den Test. Deutschlandweit verkauft wurden am Ende nur zwei Dutzend davon.
Das Auge isst mit, auch bei McDonald’s
Gut 35 Wochen vergehen vom ersten Test in Fürstenried, bis ein Burger, der alle Hürden überspringt, zum ersten Mal über den Tresen geht. Manch ein Burger scheitert vorher aber schon daran, dass ein Belag nicht in der ausreichenden Menge zu bekommen ist. Für den Männerburger und drei andere Kreationen steht am Nachmittag die erste Verkostung an. Vier Kollegen aus dem Haus wird das Tagwerk aufgetischt. Mit dabei sind unter anderen eine Mitarbeiterin aus der Marktforschung und eine aus dem Marketing. Auch die Rechtsabteilung ist vertreten. Mögliche Klagen von Burger King schließt man in München am liebsten frühzeitig aus.
Die Burger gehen rund: An einer Variante wird der Käse gelobt, bei einer anderen kommt den Testessern der Bacon zu wenig durch. Die Schokosauce schmeckt niemand raus. Und Pölkings Männerburger fällt bei allen vier Testessern glatt durch. Das herzhafte Brot sei zu dominant, heißt es. Außerdem gehe so eine deftig-dunkle Kreation, wenn überhaupt, dann nur im Winter. Im Sommer gehörte Salat drauf, merkt die Dame aus dem Marketing an. Das wirke frisch. Vor allem aber ist der Burger der Runde zu mickrig: Ein Aktionsburger müsse mächtig wirken und etwas hermachen auf Plakaten und im Fernsehen. Das Auge isst mit, auch bei McDonald’s.
Der Gewinner aus dieser Runde soll Ende des Jahres in die Läden kommen. Bis dahin wird Björn Pölking noch Dutzende andere Burgervarianten gebaut haben. Vielleicht versucht er es im Herbst ja noch einmal mit dunklem Brot und ganz viel Bacon.
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