Am Samstagmorgen um 10.07 Uhr macht der elegant ergraute Steward des Eurowings-Flugs EW 6004 von Palma de Mallorca nach Düsseldorf, ursprünglich disponiert für früh um sechs, eine Ansage, die von Herzen kommt, aber trotzdem völlig daneben ist. Er wisse zwar nicht genau, was in den vergangenen zwei Tagen alles schiefgelaufen sei, aber er wisse, dass über Gebühr viel schiefgelaufen sei. "Und zumindest das kann ich Ihnen jetzt versprechen: Heute bringen wir Sie sicher nach Hause."
Die Sache ist nur: Die Passagiere dieser Eurowings-Maschine wollen zwar schon lange nach Hause, aber eben nicht nach Düsseldorf. Geschätzte 99 Prozent waren ursprünglich auf Hannover oder Nürnberg gebucht und haben, als sie zwei Tage zuvor, am Donnerstag, mit gepackten Koffern in Palma am standen, erfahren, dass ihre Verbindungen kurzfristig gecancelt wurden. "Entweder Sie nehmen den Flug am Samstag früh, oder Sie kommen die nächsten fünf Tage nicht mehr nach Deutschland", sagte man ihnen am Check-in. "Und da ist man dann so perplex, dass man nicht entgegnet: Was fällt Ihnen eigentlich ein? Wir wohnen in Thüringen, unser Auto steht in Nürnberg, und Freitag ist für uns ein Arbeitstag", sagt Sophia Schulze, die mit ihrem Mann Björn und dem vierjährigen Sohn Ole in dieser rappelvollen Maschine sitzt. Das Kind ist ganz kirre von dem vielen Handygedaddel, das die Studienrätin ihm in den vergangenen Tagen gegen ihre Überzeugung gestattet hat. Was soll man auch machen, wenn ein eigentlich perfekter Urlaub so endet, dass man den Tag verflucht, an dem man ihn gebucht hat?
In Deutschland geht gerade die Angst um, dass der Sommerurlaub in Gefahr ist, weil die Reiseindustrie, weil vor allem Flughäfen und Fluggesellschaften schlecht auf die erste zumindest gefühlt postpandemische Saison vorbereitet sind. Wir haben nicht nur mehrere Mitarbeiter an Check-in und Sicherheitskontrollen gesprochen (kommt später), sondern auch - um die Lage vor Ort streng subjektiv beurteilen zu können - einen Flug vom Ferienflughafen Düsseldorf nach Palma de Mallorca gebucht. Und eben: zurück. Die nicht ganz so gute Nachricht: Auch wer, wie Schulze, vor zehn Tagen noch gut losgekommen ist, sollte besser nicht damit rechnen, dass auf dem Rückweg irgendwas glattläuft.
Nachdem das schöne Familienhotel in Cala Major, in dem Familie Schulze eine tolle Zeit verbracht hatte, ab Donnerstagabend natürlich ausgebucht war, schickte ihr Reiseveranstalter sie vom Flughafen in ein Partyhotel, 100 Kilometer von der Inselhauptstadt entfernt und randvoll mit feierwütigen Briten. Dass die Schulzes das Taxi zunächst aus eigener Tasche bezahlen mussten, fanden sie ärgerlich. Dass man ihnen ein Zimmer direkt über der Disco zuwies, gehörte dann schon in die Kategorie Zumutung.
In der letzten Nacht waren sie gerade eingeschlafen, als um 2.30 Uhr der Wecker klingelte. Um drei holte sie der Shuttlebus ab, der die gestrandeten Urlauber einsammelte, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass Flug EW 6004 nicht pünktlich abheben würde. "Die behandeln uns wie überflüssiges Frachtgut", sagt Sophia Schulze. Hauptsache, weg damit. Dass man sie nun ungefragt an dem deutschen Flughafen abwirft, der sich in den zwei kurzen Wochen nach Pfingsten zum Inbegriff des dysfunktionalen, kaputtgesparten Horror-Hubs entwickelt hat, passt gut ins Bild.
Richtig rund läuft es gerade nirgends, auch in , Hamburg, Frankfurt und Berlin nicht. Doch vor allem in Düsseldorf International kann man sehen, dass die Branche den Mund ein bisschen zu voll genommen hat, als sie im Winter versprach, diesen Sommer werde endlich alles wieder wie immer sein, vielleicht sogar besser.
Überall, am Check-in, bei der Sicherheitskontrolle, bei der Gepäckverladung, bei der Abfertigung, kommen viel zu viele Passagiere auf viel zu wenige Mitarbeiter. Die Folge: extreme Wartezeiten, verspätete oder kurzfristig gestrichene Flüge - und Passagiere, die komplett durchdrehen, sobald sie merken, dass sie ohne eigenes Verschulden den Abflug verpassen.