STUTTGART. Der Winter 2014/15 schlägt wilde Kapriolen – und knüpft damit nahtlos an die beiden vergangenen Jahre an. Im Flachland sowieso. Aber auch in den Bergen, wo es mit Schnee und Kälte bisher eher mau aussah. Für Touristiker und Hotelbetriebe in den deutschen Alpen, im bayerischen Wald oder im Schwarzwald ist dies keine einfache Zeit: „Wir brauchen für ein gutes Geschäft die Winteratmosphäre“, sagt Robert Frank, DEHOGA-Kreisvorsitzender im Oberallgäu.
Die weiße Pracht kam erst sehr spät und ging teilweise wieder früh. Zwischenzeitlich hat es zwar nochmal geschneit, aber nicht überall war das ergiebig. In Bayern etwa profitierten das Allgäu und das Werdenfelser Land von kräftigem Neuschnee. Der Alpenrand im Südosten des Freistaates hingegen hatte laut DEHOGA Bayern weniger von den Niederschlägen.
Obwohl es in Oberstdorf ganz gut aussieht, stellt Robert Frank für sein gleichnamiges Parkhotel bei den potenziellen Gästen derzeit eine mittlere bis starke Zurückhaltung fest, was die Bereitschaft zur Buchung angeht: „Die Leute warten jetzt erst einmal ab, wie sich die nächsten Wochen entwickeln.“ In den anderen Regionen sieht es ähnlich aus: „Wir sind mitten im Januarloch“, sagt Jutta Griess, Vorsitzende des DEHOGA Garmisch-Partenkirchen und Chefin im Rheinischen Hof. Der fehlende Schnee und die wegen der Ukraine-Krise fehlenden russischen Gäste würden da den Ausschlag geben – obwohl man natürlich noch von der Zugspitze profitiere.
Die Aussagen der beiden Hoteliers stehen symbolhaft für die Grundstimmung in deutschen Wintertourismusgebieten. Eine kleine Umfrage der AHGZ ergab folgendes Bild: Ob im Schwarzwald, im Allgäu, in den bayerischen Alpen oder im bayerischen Wald – im Januar und Februar entscheiden sich die Gäste kurzfristig: „Ob die Leute da kommen, hängt schon stark davon ab, ob Schnee liegt“, sagt Ulrike Trejo-Ketterer, stellvertretende Geschäftsführerin des 5-Sterne-Hotels Adler in Hinterzarten im Schwarzwald. Existenziell bedroht fühlen sich die befragten Hoteliers und Toruristiker von den schneearmen Wintern aber nicht. Zum einen, weil das Geschäft zu Weihnachten und Neujahr weiterhin stabil ist – und zwar wetterunabhängig. „Die Leute denken da langfristig, suchen Ruhe, Erholung und schöne Weihnachten mit gutem Essen“, sagt der Hochschwarzwälder DEHOGA-Chef Michael Erfurth. Sein Haus, das Hotel Bergfried in Hinterzarten, ist nach seinen Angaben schon fürs nächste Jahr ausgebucht. Andere Hotels in allen Regionen melden ähnliches.
Tanzen und Wellness
Andererseits ist die Diskussion für die Touristiker und Gastronomen in den Lagen um 800 bis 1000 Meter nicht neu. Schon in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts habe es mehrere schneearme Winter gegeben, sagt Felix Dünnbacke, der das Hotel Schlehdorn auf dem Feldberg betreibt. Er hält deshalb nichts von Panikmache. Ebenso wie Ulrike Trejo-Ketterer glaubt er nicht an Winter ganz ohne Schnee. Trejo-Ketterer: „Dafür bin ich viel zu sehr Schwarzwälderin.“ Sie erinnert daran, dass nach einigen kritischen Jahren 2004 sieben Meter Schnee auf dem Feldberg lagen.Dennoch: „Man muss dafür sorgen, dass die Infrastruktur im Haus in
Ordnung ist“, sagt Trejo-Ketterer, die im Adler einen großen
Wellnessbereich anbietet, einen Park zum Spazierengehen und
Kutschfahrten. Auch Felix Dünnbacke hat im Schlehdorn auf die Prognosen
zum Klimawandel reagiert und setzt seit zehn Jahren auf Wellness.
Im Schwarzwald wird exemplarisch der Bau des Spaßbades am Titissee genannt. In der bayerischen Region Chiemsee-Alpenland haben die Touristiker vor einigen Jahren schon die Aktion Winterzeit ausgerufen. Dabei handelt es sich um Winterangebote, die nicht unbedingt mit Schnee und Skifahren zusammenhängen. Veranstaltet werden Hexennächte im Moor, Ausflüge zur Rosenheimer Kaffeehauskultur oder Führungen zu einem Industriedenkmal. Im Allgäu gibt es die Karte „Bad Hindelang plus“ mit freiem Eintritt zu Freizeitmöglichkeiten wie dem Tennispark Bad Hindelang, der Indoor-Spielhalle Allgäulino, oder dem Alpspitz Bade-Center.
Wachstum im Winter
Für die Bayern-Tourismus Marketing GmbH ist klar: Ob Pistengaudi auf Skiern und Snowboard oder sanfter Wintersport, wie Schneeschuhwandern oder Langlauf – in den meisten Regionen steht den Winterfreizeitaktivitäten auch dank teilweiser oder vollständiger Beschneiung der Pisten nichts im Wege. Allerdings braucht es hierfür entsprechende Temperaturen. Darum investieren die bayerischen Wintersportgebiete vermehrt auch in den Ausbau Bayerns zur Ganzjahresdestination. So werden im Fichtelgebirge zwei neue Thermen gebaut und Regionen wie beispielswiese die Alpenregion Tegernsee-Schliersee setzen vermehrt auf Wellnessangebote. Auch das Winterwandern wird für Urlauber zunehmend interessanter.
Immerhin ist der Wintertourismus ein Wachstumsmarkt in Bayern: Laut Jens Huwald, Geschäfstführer der Bayern-Tourismus GmbH, wurden im Winterhalbjahr 2013/14 rund 32,2 Mio. Übernachtungen verzeichnet – eine signifikante Steigerung gegenüber dem Winterhalbjahr 2003/2004, in dem es noch 27,7 Mio. Übernachtungen waren.
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