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Arbeitslosigkeit: Wieder trifft die Krise die Frauen

Frauen sind die großen Verliererinnen der Corona-Krise: Im Shut-down mussten sie neben ihrem Beruf Kinderbetreuung und Homeschooling stemmen, nun trifft sie die Arbeitslosigkeit.

Zurück in die Fünfziger Jahre: Während sie am Küchentisch im Home-Office arbeiteten, mussten Frauen im Shut-down für die geschlossenen Kindergärten und Schulen einspringen. Doch die Einsatzbereitschaft und Flexibilität wurden nicht belohnt, im Gegenteil. Aus den vom AMS publizierten Zahlen geht hervor, dass 85 Prozent der Corona-Arbeitslosen Frauen sind. 45.000 mehr Frauen als Männer suchen derzeit eine Arbeit.

Die Coronavirus-Krise wirkt sich auf dem Arbeitsmarkt unterschiedlich auf Frauen und Männer aus: Zu Beginn der Maßnahmen gegen die Pandemie im März waren Männer stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Frauen, im April und Mai war das Verhältnis ausgewogen, im Juni allerdings verloren mehr Frauen als Männer ihren Arbeitsplatz.

Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich im Sommer zwar leicht zurückgegangen, davon haben aber nicht alle Arbeitssuchenden gleichermaßen profitiert. Männer finden rascher in den Job zurück als Frauen.

Branchen mit einem hohen Frauenanteil bei den Arbeitskräften wie der Dienstleistungsbereich, der Handel, Gastronomie und Tourismus, Erziehung und Unterricht sowie Gesundheit und Soziales waren besonders stark von der Krise betroffen. Im Handel lag der Frauenanteil am Anstieg der Arbeitslosen bei 67 Prozent, im Bereich Gesundheit und Soziales sogar bei 77 Prozent, bei den sonstigen Dienstleistungen bei 74 Prozent.

„Anfangs wurden vor allem Männer arbeitslos, doch nun sind mehr Frauen ohne Job."

Julia Bock-Schappelwein, WIFO

Auch Julia Bock-Schappelwein vom WIFO bestätigt, dass anfangs vor allem Männer arbeitslos wurden, doch nun sind mehr Frauen ohne Job. Männer profitieren inzwischen von der Erholung der Baubranche, die eine klassische Männerbranche ist. Im Bauwesen gab es im Juni für Männer erstmals seit Februar keinen weiteren Beschäftigungsrückgang. Frauen hingegen arbeiten oft im Dienstleistungsbereich oder im Handel, einer typischen Frauenbranche. Dort wurden eindeutig mehr Frauen arbeitslos.

Bei den Männern geht es laut WIFO auch im Gesundheitswesen wieder aufwärts, bei den Frauen dagegen stagniert die Beschäftigung. In der IKT-Branche (Information und Kommunikation) gab es wieder neue Jobs, diese fallen bei den Männern ab April etwas stärker aus als bei Frauen.

Kein Ende in Sicht

Die jüngsten Konjunkturprognosen zeigen: Die Rezession fällt in Österreich stärker aus als anfangs angenommen. Österreich zählt zu jenen Ländern, die besonders stark unter dem Einbruch der Wirtschaft leiden. Alarmierend ist vor allem die Entwicklung bei der Arbeitslosigkeit insgesamt: Zwischen März und Juni 2020 gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 67 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 18 Prozent.

Aktuelle Prognosen des IHS lassen befürchten, dass die Rekordarbeitslosigkeit noch länger andauern wird. Erst 2022 wird die österreichische Wirtschaft zurück zu einem soliden Wachstumskurs finden. Es braucht daher dringend Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen und absichern. Sonst werden tausende Menschen über Monate hinweg keinen Job finden und in Armut abrutschen.

Doppelbelastung

Während der Corona-Krise waren es die Frauen, die den Laden am Laufen hielten. Sie übernahmen den Löwenanteil an unbezahlter Arbeit, indem sie ihre Kinder zu Hause betreuten, Homeschooling organisierten oder Angehörige pflegten. Ihrer Erwerbsarbeit gingen viele Frauen daheim nach, oft nachts, sie beaufsichtigten „nebenbei" ihre Kinder und die Schulaufgaben, schupften außerdem den Haushalt.

Manche Frauen hatten dabei noch Glück und ihr Job war im Home-Office machbar. Andere mussten ihren Jahresurlaub verbrauchen oder Sonderbetreuungszeiten in Anspruch nehmen. Doch irgendwann waren alle freien Tage aufgebraucht, und trotzdem wurden auch nach Ende des Shut-down immer wieder Schulen und Kindergärten wegen Verdachtsfällen tagelang geschlossen. Viele Frauen gaben in dieser Situation ihre Jobs auf oder wurden vom Arbeitgeber gekündigt.

Eine andere Möglichkeit, durch die Krise zu kommen, war Arbeitszeitreduzierung. Studien zufolge mussten 27 Prozent der Frauen während der Corona-Krise ihre Arbeitszeit verringern, um die Kinderbetreuung leisten zu können - im Gegensatz zu nur 16 Prozent der Männer. Bei Haushalten mit niedrigerem Einkommen war der Unterschied noch größer.

Die doppelte Ungerechtigkeit dabei ist, dass Frauen während der Krise Job und Kinderbetreuung gleichzeitig stemmen mussten, nun aber diejenigen sind, die aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.

Berufstätige Mütter wurden während der Krise im Stich gelassen, besonders Alleinerziehende traf der Shut-down umso härter. Für die Kinderbetreuung sind die Frauen zuständig, während Männer einer Erwerbsarbeit nachgehen. Dieses alte Muster benachteiligt Frauen seit jeher am Arbeitsmarkt - Corona hat es bestätigt und massiv verschärft.

Für die Arbeitgeber wurden Frauen während der Krise wegen der fehlenden Kinderbetreuung zu schwer kalkulierbaren Risiken. Die Folge: Frauen verlieren ihre Jobs, und bei der Wiedereinstellung oder der Schaffung neuer Jobs werden Männer bevorzugt.

Schlechte Karten

Ingrid Moritz von der Arbeiterkammer verortet zahlreich Frauen in geringfügiger Beschäftigung oder in Teilzeitjobs. Diese Frauen haben ihre Arbeitsplätze oft sehr rasch verloren, keine Kurzarbeit bekommen und auch keine Fördertöpfe, kritisiert Moritz. Dass Frauen für die Kinderbetreuung zuständig sind, ist bei der Jobsuche ein Startnachteil. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wenn viele Menschen im Wettbewerb um einen Arbeitsplatz sind, haben die Frauen die schlechteren Karten, so Moritz.

„In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wenn viele Menschen im Wettbewerb um einen Arbeitsplatz sind, haben die Frauen die schlechteren Karten."

Ingrid Moritz, AK

Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit wird außerdem eine Rückkehr zur Vollzeit für viele Frauen oft nicht möglich sein. Ingrid Moritz sieht hier auch langfristig Probleme für ein unabhängiges Erwerbseinkommen der Frauen, aber auch für die Pensionen. Auch hier zeigt sich einmal mehr: Ein seit langem bestehendes Problem, nämlich die deutlich niedrigeren Frauenpensionen und die Altersarmut bei Frauen, wird durch die Corona-Krise noch zusätzlich verstärkt werden.

Am Equal Pension Day am 30. Juli machten Frauenverbände und Arbeitnehmervertretungen darauf aufmerksam, dass an diesem Tag der durchschnittliche Pensionist seit Beginn des Jahres jene Summe erhalten hat, den die durchschnittliche Pensionistin erst mit Jahresende erreichen wird. Und das sind 2020 um skandalöse 42 Prozent weniger! Eine hohe Arbeitslosigkeit wird diese Schere in den nächsten Jahren noch vergrößern.

Sorge vor dem Herbst

Während derzeit noch die Sommerbetreuung während der Schulferien für zahlreiche Familien eine Herausforderung darstellt, wartet die nächste Hürde im Herbst:

Was, wenn nach dem Sommer eine zweite Welle kommt? Müssen dann Frauen einmal mehr zu Hause bei den Kindern bleiben?

Es besteht die berechtigte Sorge, dass sich die Situation wieder verschärfen könnte. „Daher braucht es," so AMS Wien-Chefin Petra Draxl, „ein Corona-Management wo man dafür sorgt, dass einzelne kleine Gruppen in Quarantäne geschickt werden, aber nicht sofort Einrichtungen gesperrt werden."

Draxl will die „stille Reserve", also Frauen, die daheim bei den Kindern sind, zurück in den Arbeitsmarkt bringen. Daher sieht sie Kinderbetreuung und Schulen als versorgungskritische Einrichtungen, deren Verfügbarkeit sichergestellt werden muss. Frauen sollen auch motiviert werden, Kinder wieder in Betreuung zu geben, damit sie Arbeit suchen können oder Weiterbildung.

„Daher braucht es ein Corona-Management, wo man dafür sorgt, dass einzelne kleine Gruppen in Quarantäne geschickt werden, aber nicht sofort Einrichtungen gesperrt werden."

Petra Draxl, AMS Wien

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit will das AMS Frauen ein verstärktes Beratungsangebot anbieten. Die Nachfrage nach Bildungskarenz ist wieder im Steigen, was Draxl als gutes Zeichen wertet. Angeboten werden auch Neuqualifizierungen, weg vom Dienstleistungssektor, hin zu IT- und technischen Berufen, aber auch im Pflege- und Gesundheitssektor gibt es Arbeit.

Gewerkschaftliche Forderungen

Der ÖGB kritisiert, dass die Bundesregierung bis dato viel zu wenig gegen die Rekordarbeitslosigkeit unternommen hat und legt ein Programm vor, das mindestens 150.000 Menschen innerhalb eines Jahres in Beschäftigung bringen soll. Außerdem beharrt der ÖGB auf seiner Forderung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen und lehnt ein degressives Arbeitslosengeld ab: „Der Vorschlag für ein degressives Arbeitslosengeld ist eine sozial kalte Ansage und bringt weder mehr Menschen in Beschäftigung, noch kann sich der Staat dadurch etwas ersparen", kritisiert Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin im ÖGB.

ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende Korinna Schumann fordert: „Was wir brauchen, ist die dringende Wiedereinführung der Verwendung von zumindest 50 Prozent des AMS-Förderbudget für Frauen, die unter der letzten Regierung abgeschafft wurde."

„Wir wissen, dass 400.000 Beschäftigte in Österreich ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. Wenn nur jeder zehnte davon mitmacht, dann schaffen wir damit 10.000 Jobs."

Barbara Teiber, GPA-djp-Vorsitzende

Die GPA-djp hat gegen die Arbeitslosigkeit das Modell „90 für 80" entwickelt: Ein/e ArbeitnehmerIn kann freiwillig die Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren und bekommt dafür 90 Prozent Gehalt, die Differenz zahlt das AMS. Voraussetzung ist, dass für die freiwerdende Zeit jemand neu im Betrieb aufgenommen wird. Für je vier Personen, die sich für das Modell entscheiden, könnte also eine neue Vollzeitstelle geschaffen werden. Vom Modell „90 für 80"`profitieren auch die Unternehmen durch eine steigende Produktivität.

„Wir wissen, dass 400.000 Beschäftigte in Österreich ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. Wenn nur jeder zehnte davon mitmacht, dann schaffen wir damit 10.000 Jobs. Wenn sich ein Viertel für das Modell entscheidet, wären es sogar 25.000 neue Arbeitsplätze", erklärt Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der GPA-djp, das große Potential des Modells.

Laut WIFO-Prognose kommt jeder zweite Job, der heuer durch Corona verloren geht, nächstes Jahr nicht zurück. „Mit dem Modell ‚90 für 80`haben wir die Chance, die Arbeitslosigkeit bis inklusive 2021 abzufedern", so Barbara Teiber.

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