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Nudelgespräche auf der Alb

Foto Ulla Kühle

DINKEL Ganz schön fair, oder? Gerade beim Geld sprechen Bauern und der Hersteller Naturata auf Augenhöhe. Sie entscheiden gemeinsam, was die Firma für den Dinkel zahlen soll. Unsere Autorin Astrid Wahrenberg hat sich das mal erklären lassen.

Bei den echten „Nudelgesprächen" durfte sie natürlich nicht dabei sein, denn die sind vertraulich. Dennoch wollten wir wissen, wie in heutigen Zeiten Geschäfte ohne Verträge funktionieren und haben zu diesem Zwecke unsere Autorin Astrid Wahrenberg auf Schloss Burgberg geschickt. Dort sind die Geschäftspartner extra für uns noch einmal zusammen gekommen: auf der einen Seite schwäbische Dinkelbauern, auf der anderen der Naturkosthersteller Naturata, der seit Jahren den Dinkel dieser Bauern zu Nudeln verarbeitet. In Anklang an die echten Nudelgespräche lud der Gastgeber Walter Badmann, Schlossherr und Demeter-Bauer, an diesem Tag zum Nudelessen ein.

Demeter-Bauer Walter Badmann ( Fotos: Ulla Kühnle)

Die zentrale Frage der echten Nudelgespräche lautet: Wie viel soll der Zentner Dinkel in diesem Jahr kosten? Gemeinsam beantworten Bauern und Nudelproduzent nach der Ernte, Ende September, diese Frage immer neu. Es geht um Geld und Vertrauen. Bauer Walter Badmann und Naturata-Vorstand Dr. Markus Kampf kennen sich seit vielen Jahren. Man spürt gegen-seitigen Respekt. „Jeder geht mit einer konkreten Vorstellung in die Verhandlungen", sagt Badmann. Und es würde bei den Verhandlungen nicht gefeilscht wie auf einem Basar, sagt Vorstand Kampf.

Mittelalterliche Burg als Demeter-Bauernhof

Die Tischrunde wird komplett durch drei weitere Dinkelbauern der Erzeugergemeinschaft von der Schwäbischen Alb: Anja Gebhardt, Thomas Mäck und Klaus Wais, der Sprecher des Verbunds der Demeter-Erzeuger. Bis das Essen fertig ist, zeigt uns Schlossherr Badmann das Anwesen. Schloss Burgberg liegt im Nordosten der Schwäbischen Alb, unweit von Heidenheim auf einer Anhöhe. Eine schmale Straße schlängelt sich durch Buchenmischwald zum Schloss hinauf. Einst stand hier eine mittelalterliche Wehranlage, erklärt Badmann. Über die Jahrhunderte hatten die wechselnden Besitzer Anbauten hinzugefügt: Heute zieren Türme, Erker und Gauben sowie ein Wintergarten das herrschaftliche Gebäude. Walter Badmanns Eltern hatten das Anwesen vor rund 50 Jahren gekauft. Er selbst bewirtschaftet seit 2002 nach Demeter-Richtlinien. Zum Hof gehören Stallungen und Auslauf für die Rinder sowie Fahrzeug- und Lagerhallen, Wiesen und Felder. Demnächst möchte er auch Schweine halten, erklärt der Bauer aus Passion. Und auf den Koppeln rund ums Schloss grasen die Lipizzanerpferde seiner Frau, der erfolgreichen Züchterin Anna Chromow-Badmann.

Essen ist fertig. Die braunen Dinkelnudeln aus dem vollen Korn stehen dampfend auf dem Tisch. Sie haben einen festen Biss und schmecken nach Korn. Helle Nudeln aus Auszugsmehl bietet das Unternehmen gar nicht. „Wir produzieren Lebensmittel im ursprünglichen Sinn", sagt Naturata-Vorstand Kampf und macht zwischen „Lebens-" und „-mittel" eine kleine Pause. Doch wie sieht nun das Prinzip „Vertrauen statt Vertrag" in der Praxis aus? Dass es in Zeiten wie diesen, wo Verträge in allen Bereichen des Lebens das Misstrauen verwalten, funktioniert, ist erstaunlich. Markus Kampf sagt ganz einfach dazu: „Wir können uns aufeinander verlassen."

Langfristige Planung, gemäßigte Preise

Naturata bezieht den gesamten Dinkel für die Nudeln bei 20 bis 25 Demeter-Erzeugern von der Schwäbischen Alb. Diese wiederum liefern ihre gesamte Dinkelernte an das Unternehmen. Der Naturkostpionier pflegt die alten Tugenden der Öko-Bewegung, etwa den wertschätzenden Umgang mit allen Partnern und den fairen Handel. Das sichert in schwierigen Zeiten die Geschäftsbasis. Kampf beschreibt mit dem Finger eine Zackenlinie. „Die starken Preisschwankungen auf dem Weltmarkt betreffen uns aufgrund der langen Verbindung und fairen Preisabsprachen nicht so sehr", erklärt er.

Das Urgetreide ist auf der Schwäbischen Alb zuhause, geriet in Vergessenheit und erlebte nun eine Wiederentdeckung.

Von der Kooperation profitieren beide gleichermaßen, auch die Bauern: Der Dinkel ist zwar auf der Schwäbischen Alb zuhause, war jedoch fast in Vergessenheit geraten und erlebte erst wieder auf der Bio-Welle eine Renaissance. Dazu sagt Bauer Badmann: „Natürlich könnte ich mit meinem Dinkel jetzt einen höheren Gewinn erzielen, aber mir ist unsere Partnerschaft und eine langfristige Planung wichtiger."

Der Nudelproduzent hat die Demeter-Bauern von Anfang an mit einem guten Preis unterstützt. Das haben sie nicht vergessen, auch wenn inzwischen die Preise nach oben geschnellt sind. Außerdem nimmt Naturata den Bauern Arbeit ab. Das Unternehmen holt teilweise die Ernte direkt auf dem Hof ab, lässt das Getreide entspelzen und mahlen. „Nicht der maximale Profit ist ausschlaggebend für eine gut funktionierende Partnerschaft mit Lieferanten, sondern Verbindlichkeit und Verlässlichkeit", betont Kampf. Die Landwirte und Naturata verbindet eine mehr als 20-jährige Zusammenarbeit. Bei den jährlichen Nudelgesprächen legen Hersteller wie Bauern ihre Situation ausführlich dar. Ziel sei ein Preis, von dem alle leben können - Bauer und Nudelproduzent. „Und er muss für den Kunden akzeptabel und im Wettbewerb konkurrenzfähig sein", ergänzt Kampf. Von billig spricht er nicht. Für Demeter-Qualität sind Kunden bereit, einen Mehrpreis zu zahlen.

Zwischen Preisdruck und Nachfrage

Dann wird in der Runde gefachsimpelt. Über die diesjährige Ernte, übers Wetter, die neue Aussaat und den Preisdruck auf dem Nudelmarkt. Der Dinkel von der Alb müsse zunehmend mit günstiger produziertem Dinkel, etwa aus Anbaugebieten wie Rumänien, konkurrieren. Dort werde das ursprüngliche Getreide auf großen Flächen angebaut, die Arbeitslöhne lägen deutlich unter dem deutscher Bauern. Hinzu kommt die Rohstoffknappheit. Im vergangenen Jahr musste Naturata den Nudelpreis erhöhen, weil es einfach nicht genügend Dinkel gab und er entsprechend teuer war. Aber das liege auch daran, dass Naturata den bio-dynamischen Anbau bevorzuge, „wir wollen Premiumqualität und das ist Demeter", meint Markus Kampf.

Für den Demeter-Anbau vermehrt Bauer Badmann Getreidesorten und baut Weizen, Sommergerste, Hafer, Körnererbsen, Linsen und Dinkel an. Das nussig schmeckende Urgetreide gedeiht auf den steinigen, humusarmen Böden der Alb bestens. Mineraldünger erhöht die Erträge kaum, außerdem sind die Kulturen wenig unkrautanfällig und widerstandsfähig gegen Pilzbefall. Somit ist Dinkel das ideale Bio-Getreide. Die Nachfrage nach dem sogenannten Schwabenkorn steigt beständig. Das liege auch daran, dass die Verdauung vieler Menschen empfindlich auf Weizenprodukte reagiere und etliche auf Dinkel umsteigen, sagt der Schlossherr. Er baut wie seine Kollegen die ursprüngliche Sorte Oberkulmer Rotkorn an. „In unserer Demeter-Erzeugergemeinschaft hat sich die Anbaumenge in den letzten Jahren verdreifacht." Mit der diesjährigen Ernte ist der 52-Jährige zufrieden, obwohl der Sommer ungewöhnlich heiß war und viel zu wenig Regen brachte. „Eine gute Qualität", sagt er. Vergangenes Jahr sah es gar nicht gut aus. „Unwetter verhagelten buchstäblich zwischen 20 und 30 Prozent der Ernte."

Die Teller sind fast leer. Es hat geschmeckt. Und dass Bauern und Verarbeiter faires Geld für ihre Leistung bekommen, gefällt uns. Übrigens: „Die Tomaten für die Soße kommen aus einem Partnerprojekt in Italien", erklärt Markus Kampf. Die Zusammenarbeit mit den Tomaten-Lieferanten laufe ganz ähnlich wie die mit den Dinkelbauern auf der Schwäbischen Alb. Schön, dass es von diesem Geschäftsmodell mehr gibt.

Satt und zufrieden fahren wir über die schmale Straße, die sich durch lichten Buchenmischwald vom Schloss hinunter schlängelt, nach Hause.

Naturata: Bio-Pionier der ersten Stunde

Naturata wurde 1976 gegründet. Damals entstanden die ersten Bio-Läden in Deutschland. Eine Handvoll Leute hatte schon früh die Idee, eine Firma zu gründen, die den Bio-Läden helfen könnte, ihre Waren zu beschaffen. Das war die Geburtsstunde des Bio-Großhändlers Naturata. Er funktionierte wie eine Einkaufsgenossenschaft und sorgte dafür, dass die jungen Händler Bio- und Demeter-Ware in ihre Regale bekamen. 2003 wechselte die Gesellschaftsform in eine AG und begann außerdem mit der Herstellung eigener Öko-Lebensmittel. Zu den ersten eigenen Produkten gehörte Ahornsirup aus Kanada, den die Mitarbeiter damals einzeln per Hand in kleine Fläschchen abfüllten.

Um Lieferengpässe zu vermeiden, bewegte Naturata Landwirte dazu, Lebensmittel in Bio-, vorzugsweise in biologisch-dynamischer Qualität, zu produzieren. Dieser Weitblick, die festen Anbaupartner, der faire Umgang mit allen Partnern und das Streben nach Nachhaltigkeit sind die Säulen des Erfolgs. Das Sortiment umfasst rund 300 Produkte, 40 Prozent davon tragen das Demeter-Siegel. www.naturata.de

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