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Kommentar: Liebes Internet, du vertreibst deine AutorInnen!

Es reicht! Das Internet ist kein guter Ort mehr für AutorInnen. Ein Plädoyer für eine neue Gesprächskultur, die längst fällig ist. Liebe Internet-Nutzerin, lieber Nutzer,

wir müssen reden! Über den Umgang mit JournalistInnen, AutorInnen, BloggerInnen, MeinungsmacherInnen oder einfach nur Privatpersonen, die ihre Meinung auf Social Media preisgeben.

Wir haben schon öfter darüber gesprochen, dass mit euch etwas nicht stimmt. Wir haben Kampagnen gegen Hass im Netz gestartet, haben JournalistInnen Hasskommentare vorlesen lassen. Manche haben sogar Klage eingereicht. Und trotzdem: Der tägliche Hass im Netz kocht weiter munter vor sich hin. Und zwar solange, bis irgendwann selbst die letzten AutorInnen keine Lust mehr haben, ihre Meinung im Internet preiszugeben.

Wer sich früher noch hinsetzte, einen wohlüberlegten Brief verfasste, das Porto bezahlte und ihn abschickte, braucht sich heute nur auf Facebook und Co. einzuloggen und drauflos zu haten. Egal, ob man eine Ahnung hat oder nicht, die Person kennt oder nur glaubt zu kennen: Heutzutage fühlt sich jeder bemüßigt, seinen Senf zu ALLEM dazu zugeben. Und zwar solange, bis die Person, die hinter dem Text steht, einfach keinen Bock mehr hat.

Die Bloggerin Madeleine Alizadeh DariaDaria hat das jetzt getan. Sie hat die Reißleine gezogen und die Kommentarfunktion deaktiviert. Nicht, weil sie sich dem Diskurs entziehen will. Sondern, weil es irgendwann einfach keinen Spaß mehr machte, ständig angefeindet zu werden.

Viele werden jetzt sagen "Selbst schuld, hätte sie sich nicht mit Vea Kaiser anlegen sollen oder ihren Hund vegan ernähren müssen".

Ja, wir finden zwar auch: Wer Kritik austeilen kann, muss auch einstecken können. Aber stimmt die Relation des "Einsteckens" noch, wenn plötzlich hunderte Hassposter auf eine Person losgehen? Wir denken nicht.

Meinungsfreiheit bedeutet nicht Narrenfreiheit

...., sagte Staatssekretärin Muna Duzdar zu uns in einem Interview. Und das ist genau der Punkt.

Denn zwischen einer zivilisierten Meinungsverschiedenheit und kollektiven Draufhauen auf eine Person besteht ein GROSSER Unterschied. Madeleine Alizadeh vertritt mit ihrer Meinung schließlich auch kein Kollektiv oder Medium. Sondern nur ihre Meinung - auf ihrem Blog. Wem das nicht passt, der soll doch bitte einfach nicht auf ihren Blog gehen. Anstatt ihn als Ventil für aufgestaute Aggression zu nutzen.

Das gilt im Übrigen nicht nur für Madeleine, sondern für alle Menschen im Netz, die ihre Meinung kundtun. Meinungsviefalt ist ein Grundgerüst unserer Demokratie. Verhetzung allerdings nicht. Und das sollte sich bitte jeder bewusst machen, bevor er das nächste Mal seinen Rant auf jemanden startet.

Oft genug wird im Internet vergessen, dass hinter jedem Blog-Eintrag, Artikel oder Posting eine echte Person steckt. Würden wir uns trauen, dieser Person das, was wir ihr gerade geschrieben haben, auch persönlich ins Gesicht zu sagen? Nein?

DANN SCHREIBT ES NICHT.

Am Bild: Kommentare auf Facebook unter dem WIENERIN-Artikel "Bloggerin DariaDaria hat genug von Hasspostings"

Niemand hat Hasspostings verdient. Und zwar egal, wie wenig man mit der Meinung des Gegenübers im Netz übereinstimmt. Jeder, der behauptet, man müsse einstecken können, "wenn man halt online schreibt" hat keine Ahnung, wovon er oder sie redet.

Denn im schlimmsten Fall, geht man als AutorIn mit einer Privatnachricht auf Facebook schlafen, in der einem gewünscht wird, man würde "von Flüchtlingen vergewaltigt" werden und wacht in der Früh mit Kommentaren wie "geh dich bitten hängen" auf. (Und nein, diese Kommentare sind nicht erfunden.)

Wir brauchen neue Umgangsformen im Netz. Wir müssen zurück zu einer Gesprächskultur finden, in der man Respekt gegenüber der Meinung der Anderen aufbringt. Wer das nicht schafft, hat im Netz nichts verloren.

Denn es ist genau die Minderheit an Hasspostern, die sonst dafür sorgen wird, dass sich immer mehr MeinungsmacherInnen aus dem Netz zurückzuziehen. Und irgendwann bleiben dann nur noch Clickbait-Artikel und RoboterreporterInnen in unseren Facebook-Feeds übrig.

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