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Wenn Politik Mode macht

So politisch wie gerade eben hat sich die Mode schon lange nicht mehr gezeigt. Doch was steckt dahinter? Bloßes Marketing, echte Überzeugung - oder sogar Donald Trump? Eine Bestandsaufnahme von Politik und Mode, abseits von Angela Merkels Hosenanzügen.

Wenn bisher von Mode und Politik die Rede war, kam diese selten ohne die Worte und "Hosenanzug" aus. Doch die Zeiten haben sich geändert. Und daran soll ausgerechnet US-Präsident Donald Trump Mitschuld tragen. Das behauptete zumindest Li Edelkoort - eine der weltweit wichtigsten und kritischsten Stimmen, wenn es um Lifestyle-Trends und modische Tendenzen geht. Ihr Interview im Magazin Deutsche Welle löste eine branchenweite Debatte um die Frage aus: Lassen wir uns in Zukunft wirklich von Donald Trump die (Mode-)Welt erklären?

Donald Trump, der Mode-Diktator?

Man kann Trump derzeit ja vieles vorwerfen. Dass er modisch jemals eine bedeutsame Rolle spielen könnte, kann man sich bei seiner Kleiderwahl dennoch schwer vorstellen. Doch es muss nicht immer das bloße Aussehen eines Politikers sein, das in der Mode Spuren hinterlässt. Denn glaubt man Li Edelkoort, wird nicht etwa Trumps Modestil, sondern seine Politik unseren Stil in den nächsten Jahren gravierend verändern: "In Zeiten der Angst neigt Mode zu Extravaganz", so das dystopische Urteil der Trendforscherin.

Statt des monochromen Minimalismus der letzten Jahre würden historische Elemente wie "Reifröcke, Ballonärmel und weiße Krägen" ihr Comeback feiern. Laufen wir also bald aufgerüscht wie einst Marie Antoinette durch die Gegend? Gender- und Kulturwissenschaftlerin Barbara Schmelzer-Ziringer, die an der Kunstuniversität Linz lehrt, sieht Edelkoorts Aussagen kritisch: "Ich halte es für bedenklich, derlei Entwicklungen festzuschreiben wie ein unwiderrufliches Urteil über die Menschheit, das sich demnächst in Modeströmungen zeigt."

Statt Angst heraufzubeschwören, müsse man Ansätze entwerfen, die aus der jetzigen politischen Krisensituation herausführen, so Schmelzer-Ziringer. Und auch dem angeblichen Comeback von Ballonärmel und Co. kann sie wenig abgewinnen. Derartige Zukunftsaussichten wären wenig innovativ und würden ebenjene politischen Vorstellungen vermitteln und reproduzieren, die Edelkoort so sehr fürchtet: "Der Reifrock als modisches Sinnbild des Absolutismus hat im 21. Jahrhundert einen geradezu neofeudalen Touch." Ist die Aufregung also umsonst?

Macht und Mode? Das ist nichts Neues!

Mode und Politik beeinflussen einander ständig, manchmal sogar so stark, dass wir es selbst kaum noch wahrnehmen. Das war eigentlich immer schon so, weiß Elke Gaugele, Kulturwissenschaftlerin und Professorin für Moden und Styles an der Akademie der Bildenden Künste Wien. "Kulturelle Distanz und Machtgefälle drücken sich seit jeher über Kleidungsstile und sogar über die Definition von Mode selbst aus. Wer Mode besitzt und wer nicht, wird politisch bestimmt. Dies ist Ausdruck globaler wie gesellschaftsgeografischer Machtverhältnisse." Und Macht ist in der Politik bekanntlich die wichtigste Währung.

Doch nicht nur das modische Erscheinungsbild kann Einfluss auf politische Verhältnisse nehmen, sondern auch umgekehrt. So waren die technologischen Erfindungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs dafür verantwortlich, dass in den 1960er-Jahren neue Stoffe die Mode prägten. Die Pariser Couturiers Pierre Cardin und Paco Rabanne zählten zu den Ersten, die synthetische Stoffe für ihre Designs nutzten und damit die Mode revolutionierten. Heute wäre die Bekleidungsindustrie ohne Kunstfasern kaum vorstellbar. Es sollte aber nicht das einzige Produkt bleiben, das von der Kriegspolitik beeinflusst wurde: Der heute so beliebte Parka wurde als Kälteschutz für US-Soldaten im Koreakrieg erfunden. Nach Kriegsende Anfang der 1960er fand die Jacke als Überschussware ihren Weg in die britische Jugendkultur -und eroberte von dort aus als antimilitärisches Symbol die Fashion-Welt.

Statement-Couture für die Laufstege

Wie sieht das Zusammenspiel von Mode und Politik aber heute aus? Denn auch, wenn Edelkoorts Annahmen zu Trump umstritten sind, lässt sich die Bedeutung der momentanen politischen Situation für die Arbeit von Labels und Designerinnen nicht abstreiten.

Schaut man auf die Laufstege der Fashion-Metropolen, scheint ein politisches Statement das nächste zu jagen. Da wäre Maria Grazia Chiuri, die in ihrer Debütkollektion für das französische Luxushaus Dior im Oktober die Aufmerksamkeit mit politischen Slogans auf sich zog: "We should all be feminists", ließ die Italienerin über T-Shirts und Kleider ausrichten. (Und zwar noch, bevor Donald Trump die Präsidentschaft gewann.)

Nicht zuletzt Trumps umstrittener Immigration-Ban sorgte später bei vielen Designerinnen für ein politisches Erwachen. Die Berliner Modemacherin Leyla Piedayesh schickte während der Fashion-Week in Kopenhagen Tops und Pullis für ihr Label Lala Berlin über den Laufsteg, auf die in plakativen Lettern die Worte "Change" und "Revolution" gestickt wurden, und posierte nach ihrer Show selbst mit einem Protestschild auf dem Runway. "I'm an Immigrant" lautete die Botschaft, die darauf zu lesen war. Als iranischstämmige Deutsche war Piedayesh von Trumps Einreiseverbot unmittelbar betroffen -und sah sich gezwungen, zu handeln: "Ich habe mich in meiner eigenen Welt verschanzt und nicht allzu viel nach außen geschaut", sagt Leyla Piedayesh heute über ihre früheren Kollektionen, die selten politisch motiviert waren. Nun sei es aber an der Zeit, in der Mode auch in dieser Hinsicht laut zu werden:"Insbesondere durch die extremen Entwicklungen der letzten zwölf Monate sollten wir jetzt politisch Position beziehen und den Mund aufmachen."

Große Worte, nix dahinter?

Statement-Shirts mit gesellschaftskritischen Aussagen? Aus historischer Sicht ist das nichts Neues, sagt die Kulturwissenschaftlerin Elke Gaugele. Schon in den 1980ern leisteten etwa Designerinnen wie Katherine Hamnett oder Punk-Ikone Vivienne Westwood mit ihren bedruckten Shirts einen wichtigen Beitrag zur damaligen Protestkultur: "Für Catwalk-Shows ist die mediale Aufmerksamkeit und Verbreitung das höchste Gut. Und politische Statements sind im Moment sehr angesagt, um diese zu sichern", so Gaugele.

Bei all dem politischen Engagement bleibe allerdings kritisch zu hinterfragen, wie ernst es die Designerinnen großer Modehäuser mit ihrem neu entdeckten Feminismus und den Revolutionsgedanken wirklich meinen. Denn die oft unbequeme Wahrheit hinter dem Business -vor allem die prekären Arbeitsbedingungen und der problematische Umgang mit Natur und Umwelt -wird nach wie vor gerne außer Acht gelassen.

Fest steht: Politik wird auch in Zukunft eine modische Rolle spielen (müssen). Und dass Designerinnen Haltung zeigen, ist wünschenswert -umso mehr, wenn diese Substanz hat, auf allen Ebenen passiert und nicht nach dem Hype abgelegt wird wie ein Top, das irgendwie doch nicht passt.

Letztendlich liegt es aber auch an den Konsumentinnen, die angekündigte "Revolution" mitzutragen und zum Beispiel korrekte ökosoziale Standards einzufordern. Denn wer über Trumps Mauerbau an der mexikanischen Grenze lästert, darf die ausgebeuteten Textilarbeiterinnen nicht vergessen, die nur wenige Kilometer weiter für die großen Ketten produzieren, um unseren Modehunger zu stillen.

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