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Dürfen Schwangere von Kliniken abgewiesen werden?

Bild: colourbox.de Rechte von Schwangeren - Dürfen Schwangere von Kliniken abgewiesen werden?

Ein Baby kommt im Auto zur Welt, weil das Krankenhaus die Hochschwangere zuvor abgewiesen hat. In Berlin ist das Anfang Juli passiert. Dürfen Ärzte das überhaupt? Und wie sehen die Patientenrechte von Schwangeren aus?

Eine hochschwangere Frau fährt zum Krankenhaus: Die Fruchtblase ist bereits geplatzt, der Muttermund zu weiten Teilen geöffnet, doch als sie in der Klinik ankommt, wird sie abgewiesen, die Kreissäle seien überfüllt. Auf dem Weg zur nächsten Klinik kommt das Kind zur Welt - auf dem Parkplatz, im Auto. Die Geschichte hat sich so Anfang Juli 2017 in Berlin ereignet, zibb berichtete. Doch wie sieht es in so einer Situation rechtlich aus? Und was können Schwangere tun, um das beschriebene Szenario zu vermeiden? Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) und der Spitzenverband Bund der Kassen (GKV) kennen die rechtlichen Details.

Darf eine Hochschwangere von der Klinik abgewiesen werden?

Grundsätzlich besteht laut den Rechtsexperten der Patientenberatung bei Notfällen eine uneingeschränkte Behandlungspflicht der Ärzte - bei jeder ärztlichen Behandlung und daher auch bei der Geburt. Ob eine solche akute Notfallsituation vorliege, sei jedoch grundsätzlich eine medizinische Entscheidung, die durch den Arzt getroffen werde, sagten die Patientenberater rbb Praxis. "In anderen Fällen kann eine Behandlung abgelehnt werden, wenn gewichtige Gründe vorliegen", so die Berater weiter.

Mit welcher Begründung darf eine Behandlung abgelehnt werden?

"Eine Ablehnung der Behandlung kann beispielsweise aus Kapazitätsgründen, bei Überlastung eines Arztes, einer nicht gerechtfertigten Überschreitung des Fachgebietes, einer Störung des Vertrauensverhältnisses im Verlauf einer Behandlung und bei einem Hausbesuch außerhalb des üblichen Praxisbereiches gerechtfertigt sein. Die Rechtmäßigkeit ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen", so die Patientenberater.

Können die Ärzte nach einer Ablehnung haftbar gemacht werden?

Der Patientenberatung zufolge ist eine Schadensersatzhaftung möglich, falls die Weiterverweisung in ein anderes Krankenhaus gegen die fachärztlichen Standards verstoßen hat - denn dann kann ein Behandlungsfehler vorliegen. Voraussetzung für eine etwaige Haftung sei aber, dass der Schwangeren oder auch dem Kind, durch die Weiterverweisung an ein anderes Krankenhaus ein Schaden entstanden ist. "Psychische Belastungen durch die Art der Geburt können ebenfalls einen Schaden im haftungsrechtlichen Sinne darstellen, sofern sie Krankheitswert besitzen", erklären die Berater.

Wo können sich Patienten in so einem Fall beschweren?

"Wenn sie mit dem Verhalten des Krankenhauses nicht zufrieden ist, kann sie sich mit einer (schriftlichen) Beschwerde an den dortigen Patientenfürsprecher oder auch die zuständige Aufsichtsbehörde wenden", so die Rechtsexperten der Patientenberatung. Wenn sich die Beschwerde gegen einen einzelnen Arzt richte, könne sich die betroffene Patientin auch an die zuständige Landesärztekammer wenden.

Was sollten Schwangere vorab tun, wenn sie in einer Klinik entbinden wollen?

"Wenn sich eine Schwangere dazu entscheidet, in einer Klinik zu entbinden, dann sollte - und wird sie im Normalfall auch - die ausgewählte Klinik vorher besuchen. Die Geburt wird dort dann vorangemeldet, sodass die Klinik mit dem Geburtstermin planen kann und damit ist dann auch in aller Regel sichergestellt, dass die Schwangere dort Entbinden kann", erklärt Ann Marini von der GKV.

Wie ist die Versorgung mit Hebammen bei einer Geburt in der Klinik?

"Einer Schwangeren steht eine Hebamme im Schichtdienst oder eine Beleghebamme zur Seite, die als Freiberuflerin arbeitet. Wer eine spezifische Hebamme haben möchte, die der Schwangeren zur Seite steht, egal wie lange die Geburt dauert, muss einen privaten Vertrag mit einer selbst ausgesuchten Hebamme abschließen. Dies ist dann allerdings keine gesetzliche Kassenleistung, sodass die Kosten von den werdenden Eltern selbst zu tragen sind", sagt Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin der GKV.

Was kann eine Schwangere tun, wenn sie keine Hebamme findet?

"Wenn eine Schwangere von mehreren Hebammen abgewiesen wird oder diese gar nicht erst erreicht, sondern immer nur den Anrufbeantworter, dann ist mein Ratschlag: Bitte wendet euch an eure Krankenkasse. Die Krankenkasse kann auf die Vertragspartnerliste zugreifen und so über eine Postleitzahlsuche Hebammen in der Nähe empfehlen, auch solche, die nicht öffentlich gelistet sind. In Berlin sind derzeit über 900 Hebammen im Gesamtbestand der Vertragspartner gelistet, davon sind jedoch nur 150 über öffentliche Systeme zu finden. Dadurch kann für werdende Eltern der Eindruck entstehen, dass es zu wenige Hebammen gibt, obwohl an sich genug da sind", so die GKV-Sprecherin Ann Marini.

Weitere Infos Beratung für Patienten

Über die rechtlichen Möglichkeiten der Patienten bezüglich Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche berät die Patientenberatung individuell - wahlweise online, telefonisch oder vor Ort. Onlineberatung: patientenberatung.de Telefonische Beratung: 0800 011 77 22 (gebührenfrei aus allen Netzen) Montags bis freitags von 8.00 bis 22.00 Uhr und samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr. Die Telefonberatung gibt es außerdem auf Türkisch (-23), Russisch (-24) und Arabisch (-25). Vorortberatung: Die UPD Beratungsstelle Berlin befindet sich am Legiendamm 4, 10179 Berlin. Weitere Orte sind hier zu finden: patientenberatung.de/Vor-Ort-Beratung

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