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Ein Schüler will mehr Schule

Fehlt ein Schüler im Unterricht, wird das auf dem Zeugnis vermerkt. Bei Lehrern ist das nicht so. Das will der 18-jährige Daniel Nottle aus Neuruppin nun ändern – mit der Online-Petition "Unterrichtsausfall aufs Zeugnis".

Daniel Nottle ist Abiturient und einer, der etwas dagegen hat, wenn an seinem Gymnasium in Neuruppin der Unterricht ausfällt. Es stört den 18-Jährigen so sehr, dass er nun eine Online-Petition gestartet hat. Die Forderung: Auch die Fehlstunden der Lehrer sollen auf dem Zeugnis erfasst werden. "Eigentlich freut man sich ja immer über Unterrichtsausfall. Aber als die Abiturprüfungen anfingen, da wurde mir klar, dass es schlecht ist, weil dann der Stoff fehlt", sagt  er im Gespräch mit rbb|24.

Mehr Transparenz und mehr Unterricht?

Einige seiner Mitschüler unterstützen die Petition, aber nicht alle finden die Aktion gut: "Auf Facebook habe ich auch Kommentare gelesen, wie 'Stell dir mal vor, das wäre zu unserer Zeit passiert. Was hätten wir mit so jemanden in der Schule gemacht?'" Daniel Nottle könne die Kommentare schon verstehen, sagt er, "aber mit dem Bevorstehen der Abitur-Prüfungen kam dann der Sinneswandel".


In der Oberstufe seien bei Daniel Nottle vermehrt Unterrichtsstunden ausgefallen, für das Abitur fühle er sich deshalb nicht gut vorbereitet. Daraus entstand die Idee für die Online-Petition "Unterrichtsausfall aufs Zeugnis", mit der er für mehr Transparenz und mehr Unterricht sorgen will.

255.000 Stunden fallen in Brandenburg aus

Schon jetzt werden die Unterrichtsausfälle erfasst – nicht auf dem Zeugnis, aber in den Bildungsstatistiken der Bundesländer. Rund 2,1 Prozent der Unterrichtsstunden sind im Schuljahr 2016/17 in Brandenburg ausgefallen, rund 255.000 Stunden. Zum Vergleich: In Berlin waren es im gleichen Zeitraum 2,2 Prozent.


"Brandenburg hat kein flächendeckendes Problem mit erheblichem Unterrichtsausfall, der Ausfall ist auf niedrigem Niveau stabil", sagt Ralph Kotsch, Pressesprecher des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg (MBJS) rbb|24. Es gebe auch eine Vertretungsreserve an Lehrern, aber ehe die da seien, vergehe schon mal ein Tag, so Kotsch.

Nottle: "Vertretungslehrer sind auch keine Lösung"

Nottle hält Vertretungslehrer ohnehin für keine geeignete Lösung. "Der Unterricht ist oft schon fast vorbei, bis sie sich einen Überblick zum Thema verschafft haben. Auch Still- oder Projektarbeit wird als Kompensation für Unterrichtsausfall angerechnet, aber wenn der Fachlehrer nicht da ist, sollte das auch in die Ausfallstatistik reinzählen."


Die Statistik werde dadurch verschleiert, sagt der Abiturient. Mit der Petition will er sich für eine unabhängige Statistik stark machen und so auch Druck auf die Landes- und die Bundespolitik ausüben: "Ich gehe davon aus, wenn es auf dem Zeugnis stehen würde, wir einen Rückgang der Unterrichtsstunden verzeichnen würden. Weil dann die Stunden besser organisiert werden, dass kein Unterrichtsausfall stattfindet."

Mehr Geld für und mehr Lehrer

Wenn es nach Nottle geht, soll auf dem Zeugnis von Schülern in Zukunft zu einem Unterrichtsfach neben der Note auch die Anzahl der ausgefallenen Stunden aufgeführt werden. Der Pressesprecher des MBJS, Ralph Kotsch, sieht den Vorschlag kritisch: "Es ist ja gut, dass er sich engagiert, und sein Anliegen ist auch ehrenwert und verständlich, aber der Vorschlag ist nicht zielführend."


Fraglich ist, ob Unternehmen bei Bewerbungsgesprächen die Leistungen der Schüler milder bewerten würden, wenn sie wissen, wie viele Stunden ausgefallen sind – oder ob ein hoher Ausfall erst recht zu einer Benachteiligung eines Schülers führen könnte. Darum gehe es Nottle aber auch nicht. In erster Linie wolle er mit der Petition für die Bildungslücke sensibilisieren, sagt er. Damit in Zukunft weniger Unterricht ausfällt, braucht es in jedem Fall noch mehr Lehrer und noch mehr Geld.


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