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Die israelische Modeszene in Berlin.

Alber Elbaz ist ein Superstar der Modeszene. Er stammt aus Israel, ist Chefdesigner von Lanvin und sorgt derzeit mit seiner Gastkollektion bei dem Bekleidungskonzern mit den zwei roten Buchstaben für Furore. Mode von Designern aus Israel musste man in Berlin bislang mit der Lupe suchen. Das hat sich geändert. So hat in Kreuzberg eine Agentur eröffnet, die israelische Labels auf dem deutschen Markt etablieren will: ein unrenovierter Raum mit Fensterfront zur Kreuzberger Graefestraße. Drinnen stehen voll behängte Kleiderstangen und einige Tische, auf denen Schuhe und Accessoires Platz finden. Hier betreibt Ron Shekel seine Agentur Wajss & Töchter, die sich auf die Vermittlung von Modelabels aus Tel Aviv spezialisiert hat. Shekel hat in Jerusalem an der berühmten Bezalel School of Arts and Design Schmuckdesign, danach in Berlin bei Vivienne Westwood an der Universität der Künste Modedesign studiert. Er ist ein Kenner der Berliner wie auch der israelischen Modeszene. Und er ist der Meinung, dass israelische Mode auf dem europäischen Markt gut funktionieren würde. "Auf die Idee gebracht wurde ich auch durch eine Art verwandtschaftlicher Beziehung zwischen Tel Aviv und Berlin", erzählt Shekel. Auf diese Verwandtschaft spielt die Agentur schon mit ihrem Namen an: "Wajss ist ein fiktiver Name, aber ein typisch deutsch-jüdischer. Zusammen mit dem Töchter-Zusatz soll das eine Hommage sein an die vielen jüdischen Familienunternehmen, die in den 20er Jahren die Berliner Modelandschaft prägten." Das jiddische Wort "wajss" bedeutet übersetzt außerdem "weiß". Das wiederum schlägt den Bogen zurück nach Tel Aviv und seinem von weißen Häusern im Bauhausstil dominierten Viertel "Weiße Stadt". Von dort stammen die Labels, die Shekel repräsentiert. Die Designer, die er in Tel Aviv kontaktierte, nahmen den Vorschlag, in Berlin Fuß zu fassen, gerne auf. Gegenwärtig ist Berlin als Reiseziel in Israel sehr beliebt. 2009 sollen über 47 000 Israelis die Hauptstadt besucht haben. Das ist nicht nur die größte außereuropäische Besuchergruppe nach den USA, sondern außerdem beeindruckend, wenn man bedenkt, dass in Israel rund siebeneinhalb Millionen Menschen leben. Doch warum ist Mode aus Israel bisher so wenig vertreten in Berlin? Shekel vermutet, dass das mit der Geschlossenheit der Tel Aviver Modeszene zusammenhängt, die wenig Anstalten macht, Kunden anzusprechen, die sich außerhalb der Stadtmauern befinden. "Viele Designer in Israel sagen: ein Lookbook hab ich noch nie gemacht, ich habe meinen Laden, die Leute wissen, wer ich bin und können vorbeikommen. Diese Haltung ist typisch Israel." Das erklärt, warum Labels wie Ruby Star, Mandinka oder Maya Bash, die Shekel vertritt, in Israel zwar etabliert, in Deutschland aber nahezu unbekannt sind. Bis heute gibt es nur wenige Verkaufsadressen in Berlin, doch die Sommerkollektion des Schuhlabels Shanibar wird Shekel direkt in seinem Showroom verkaufen. Eine stilistische Gemeinsamkeit haben die Labels nicht - mal abgesehen davon, dass sie gemeinsam ein Lebensgefühl ausdrücken, das typisch für Tel Aviv ist, wie Shekel meint: "Man will sich zeigen, aber trotzdem pragmatisch sein. Ein Beispiel sind die extrem femininen Schuhen, die aber Absätze haben, mit denen man gut gehen kann." Dieses Lebensgefühl haben auch Nait Rosenfelder und Roey Vollmann mitgebracht, als sie 2009 nach Berlin zogen. Rosenfelder hatte zuvor in Tel Aviv Mode entworfen. Für den Umzug erfanden die Designerin und ihr Ehemann und Geschäftspartner Vollmann den Namen ihres Label ganz neu. "Die Idee hatten wir schon in Israel. Es war eigentlich ein psychologisches Hilfsmittel für uns. Wir erfanden diese beiden deutschen Identitäten Eva und Bernard. Sie sind Deutsche, haben deutsche Freunde und sind vertraut mit der Berliner Lebenswelt. Das gab uns die Hoffnung, dass uns der Neuanfang gelingt." Da die beiden von Null anfingen, mussten sie sich auch die Identität ihrer potentiellen Kundin ausdenken. Nach den Vorstellungen von Vollmann und Rosenfelder ist diese erfolgreich, feminin und selbstbewusst, zudem offen gegenüber verspielten Elementen. "Wir haben keine Angst vor femininen Silhouetten, das unterscheidet uns vielleicht vom typischen Berliner Stil, da werden weibliche Elemente dann eher mal mit den männlichen gemixt und dadurch ein bisschen gebrochen." In Berlin kann man Eva & Bernhard noch nicht im Geschäft kaufen, aber Vollmann ist optimistisch und freut sich immer noch über den Neuanfang. "So eine Möglichkeit, noch mal bei Null anzufangen und tun zu können, was man will, hat man nicht oft im Leben", erklärt der Designer. "Das hat dazu geführt, dass wir auch selbst offener und experimentierfreudiger geworden sind. Wir haben zum Beispiel einen ärmellosen Mantel entworfen, das wäre in Israel einfach nicht gegangen, allein schon wegen des Klimas." Das warme Klima zog auch die Berlinerin Eleni Tzellou zum Urlaub nach Israel. Dort war sie sofort begeistert von der Modeszene in Tel Aviv. Die Idee, daraus ein Ladenkonzept zu machen, kam aber erst, als sie wieder in Berlin war. Zusammen mit Uta Ehlermann recherchierte sie nach israelischen Labels und wurde fündig. Das erste Label, das den beiden ins Auge fiel, war Frau Blau aus Tel Aviv. Kurzentschlossen rief Tzellou bei den Designern Helena Blaustein und Philip Blau an. Und die beiden waren wiederum angetan von der Idee, ihre Mode auch in Berlin verkaufen zu können. Nach einem weiteren Besuch in Tel Aviv und viel Koordinationsarbeit kamen weitere Labels wie Morveyos Kerenvemichal und auch die von Wajss & Töchter vertretene Maya Bash dazu. Eröffnet haben Ehlermann und Tzellou ihren Laden Lufftich im Oktober. Einen bestimmten Typ von Kundin haben sie nicht im Kopf, es soll Kleidung für verschiedene Altersgruppen geben. "Wir haben uns beim Aussuchen durch die ganze Sommerkollektion unserer Labels durchprobiert, und das hat Spaß gemacht", lacht Ehlermann. Der nächste Besuch in Tel Aviv ist für Februar geplant. Auch von dieser Reise werden Ehlermann und Tzellou bestimmt wieder interessante Labels mitbringen. ------------------------------ Gute Adressen Eva & Bernard Atelier, Großbeerenstraße 78, Kreuzberg, Tel. 25 89 87 84, www.eva-bernard.com; Termine nach Vereinbarung Lufftich Store Knaackstraße 45, Prenzlauer Berg, Tel. 48 49 55 44, Mo-Fr 10-20 Uhr, Sa 10-18 Uhr Wajss & Töchter Showroom, Graefestraße 90, Kreuzberg, Tel. 69 81 48 03, www.wajss.com; Termine nach Vereinbarung ------------------------------ Foto: Ron Shekel im Showroom seiner Agentur Wajss & Töchter, in dem er unter anderem Schuhe von Shanibar und Kleidung von Maya Bash präsentiert.

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