Hamid* (Name geändert) aus Syrien, 41, lebt seit drei Monaten in einer Erstaufnahmestelle in Hamburg
"Ich bin müde. Seit drei Monaten lebe ich mit meiner Familie in einem Zelt auf einem Parkplatz, der zum Aufnahmelager gehört. Hier ist es laut, eng, dreckig. Alte und junge Menschen, Frauen und Männer sind zusammen untergebracht. Das ist ein Problem, denn viele Bewohner sind psychisch krank und aggressiv, die Frauen haben keine Privatsphäre. Das Essen ist verkocht und ungenießbar, es gibt zu wenige Toiletten.
Einem Dolmetscher bin ich erst einmal begegnet, ich verstehe vieles nicht und kenne daher meine eigenen Rechte nicht. Der Krieg in Aleppo war die Hölle, seitdem habe ich keine Erwartungen mehr an mein Leben. Aber meine Kinder sollen nicht an diesem Ort aufwachsen, sie spielen in Dreck und Müll. Mein Sohn spricht kaum noch. Einer der Sozialarbeiter sagte mir, dass wir vielleicht noch neun oder zehn Monate hier bleiben.
Vor dem Winter habe ich Angst: Wir haben kaum passende Kleidung oder feste Schuhe dabei. Doch manchmal kommen Helfer mit Spenden vorbei und junge Menschen, die mit den Kindern spielen. Das sind gute Tage."
Naqib aus Afghanistan, 21, lebt seit vier Jahren in einer Gemeinschaftsunterkunft in Nürnberg
"Früher war ich Naqib, heute bin ich 'der Asylant'. Auf der Straße begegnen mir die Menschen mit Ablehnung und wechseln die Straßenseite. Trotzdem bin ich lieber draußen, denn in meiner Unterkunft fühle ich mich nicht wohl. Die Stimmung ist gereizt, die Hausmeister sind aggressiv, ich fühle mich nutzlos.
Ich wohne mit zwei anderen Männern auf einem Zimmer. Wir sprechen kaum miteinander, gehen uns aus dem Weg, um Konflikte zu vermeiden. Alle wollen hier ohnehin nur eines: Freiheit. Denn über unser Leben entscheiden andere. Mein Asylantrag wurde abgelehnt, ich habe erfolglos geklagt und lebe geduldet hier. Jeden Tag fürchte ich mich vor dem Abschiebebescheid. Doch zurück nach Afghanistan kann ich nicht: Die Taliban drücken jungen Männern wie mir sofort die Waffe in die Hand, um uns für ihren Kampf zu rekrutieren. Weil ich aber niemanden verletzen will, bin ich geflohen.
Studieren, das ist mein Traum. Ich habe gut Deutsch gelernt, einen Hauptschulabschluss gemacht, nun will ich weiterlernen. Dafür kämpfe ich: Ich habe Demos organisiert, Protestzelte aufgebaut. Genützt hat das bisher nichts, doch es ist mir wichtig, eine eigene Stimme zu haben."
Isram* (Name geändert) aus Iran, 27, lebt seit einem Jahr in einer Gemeinschaftsunterkunft für Frauen in Brandenburg
"Weil ich als politische Aktivistin gegen das Ahmadinedschad-Regime aktiv war, wurde ich vom Geheimdienst gesucht. Meine Familie hat die 10.000 Euro für Flug und gefälschte Papiere für mich aufgebracht, damit ich Teheran verlassen konnte. Nach meiner Ankunft im Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt kam ich dann in ein Frauenasyl bei Berlin.
Dass es diese Unterkünfte gibt, finde ich gut: Ich habe viele Frauen kennengelernt, die auf ihrer Flucht sexuelle Gewalt erlebt haben und schwer traumatisiert sind. In den großen Sammelunterkünften waren sie nicht sicher, dort wurden sie von anderen Flüchtlingen drangsaliert. Ich glaube, Gewalt gegen Frauen ist für die Männer dort ein Ventil für Aggressionen. Ich selbst wurde aber immer nur verbal bedroht.
Hier im Frauenasyl geht es mir gut, ich konnte schon einen Integrationskurs besuchen und lerne Deutsch. Die Sozialberater sind freundlich, ich bin dankbar, hier zu sein. Doch was mir fehlt, ist eine Perspektive und die Kontrolle über mein eigenes Leben: Nicht zu wissen, ob ich bleiben kann, ob mein Pädagogik-Studium jemals anerkannt wird - das nagt an mir. Nachts träume ich von meiner Abschiebung."
Omar aus Ghana, 25, lebt in einer Erstaufnahmestelle in Hamburg
"Autos, Technik, Fußball: Das waren meine Eindrücke von Deutschland, bevor ich herkam. Ich bin vor dem libyschen Bürgerkrieg geflohen und über Italien nach Hamburg gereist. Wenn ich daran denke, was hinter mir liegt, geht es mir hier gut. Aber ich habe das Gefühl, mich selbst zu verlieren.
Sei stark, sei dankbar: Das sage ich mir seit Jahren. Aber manchmal kann ich das nicht: Kürzlich wurde mein Mitbewohner in der Nacht krank, er hatte Halsschmerzen und hohes Fieber. Ich ging zu einem Wachmann, der mir nicht zuhören wollte. Dann hat er gelacht und verlangt, dass ich ihm einen Krankenschein zeige, sonst rufe er keinen Arzt. Aber diesen Schein gibt es nur in der Sozialberatung, und die ist nicht immer besetzt, schon gar nicht nachts. Da bin ich wütend geworden, ich habe gebrüllt, bis ein Bereitschaftsarzt kam.
So etwas passiert immer wieder. Am Ende heißt es dann, wir seien aggressiv und gefährlich. Aber was sollte ich sonst tun? Ich bin ein friedlicher Mensch. Doch manchmal werde ich nur gehört, wenn ich schreie."
Asylbewerber in Deutschland
Aufgezeichnet von Annika Lasarzik
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