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Was hält uns ab von der Essbaren Stadt?

Foto: Marian Zabel / Deutsches Hygiene-Museum

In Dresden treffen bei einem Podium der Mitinitiator einer solchen und das Grünflächenamt aufeinander – was im Kleinen zeigt, warum Bürgerengagement bei der Raumentwicklung stets ein Politikum ist.


Dem Thema der Essbaren Stadt widmete sich das Dresdner Hygienemuseum mit einer Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Mensch & Pflanze“. Unter anderem mit dem Mitinitiator der Essbaren Stadt Andernach und dem Dresdner Grünflächenamtsleiter besetzt, zeigte die Podiumsdiskussion im Kleinen, warum Bürgerengagement bei der Raumentwicklung stets ein Politikum ist.


Den Auftakt des Abends definiert der Landschaftsplaner Lutz Kosack mit einem Inputvortrag zur Essbaren Stadt in Andernach. Hier wachsen auf städtischen Grünflächen Kräuter und Tomaten statt Primeln und Stiefmütterchen. Die kleine Stadt in Rheinland-Pfalz gilt als deutscher Vorreiter der Essbaren Stadt. Der Stadtrat beschloss 2010 selbst, Blumen durch Gemüse zu ersetzen. Über die nötigen Mittel verfügt die nicht Schulden freie Stadt, weil sie bei ihren Zierpflanzen statt Wechselflor auf Wildstauden setzt und so jährlich spart. Bei dem Top-Down-Projekt gilt „Pflücken erlaubt“ statt „Betreten verboten“, jeder darf teilhaben. Deutschlandweit gibt es Essbare Städte auch als Bottom-up-Projekte, etwa in München. Und Dresden hat mit dem Projekt „Essbares öffentliches Stadtgrün – bürgerschaftlich gepflegt“ erste Erfahrungen sammeln können. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch die Geografin und Stadtökologin Martina Artmann vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung. 


Allen Projekten ist eines gemein, fasst auf dem Podium diese zusammen: Essbare Städte wirken sich neben ihrem ökologischen Nutzen auf das soziale Miteinander aus. Sie bringen Bürger ins Gespräch, die sonst nicht zusammenfänden, sie sind effektives Stadtmarketing, erhalten altes Wissen und stiften Sinn.


Die Besucher der Veranstaltung sind der Essbaren-Stadt-Idee gegenüber aufgeschlossen, das zeigt sich bei der anschließenden Diskussion. Der Leiter des Grünflächenamtes hingegen hegt Bedenken. Wegen des Denkmalschutzes, der Planung und überhaupt. Interessierte dürfen aber „gern mal im Amt vorbeikommen, um vorzusprechen". Die Andernacher Herangehensweise – die Stadt schafft die Bedingungen, die Bürger dürfen mitmachen – sieht er für Dresden nicht. Auch das Bottom-Up-Prinzip, in seinen Augen „wilde Projekte“, seien keine Lösung. Wie schade und wenig zukunftsfähig, dass ein Konzept mit einem derart lobenswerten Demokratieverständnis von den Politikträgern der jeweiligen Stadtverwaltung abhängt. Dass nicht überall die Bürger mitentscheiden können, was mit „ihren“ öffentlichen Flächen passiert. Insbesondere für eine Stadt wie Dresden, die mehr Verbindung und mehr Miteinander dringend braucht.

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