1 subscription and 0 subscribers
Article

Die Schulter - Fragil und stark zugleich (Teil 1)

Eines der schönsten Elemente beim Klettern sind für mich die dynamischen Sprünge oder Züge. Sie vermitteln Leichtigkeit und Freiheit. Mit einem Augenzwinkern sehe ich darin das kleine Wunder die Schwerkraft durch eigene Technik und Energie überlisten zu können. Dynamische Bewegungen fordern nicht nur eine aufgewärmte Muskulatur, sondern auch einen stabilen und muskulär gut trainierten Schulterbereich.

Unsere flexibelsten Gelenke formen die Schulter und ermöglichen ihren großen Bewegungsumfang. Fünf Gelenke, Bänder, Sehnen und ein großer und breiter Muskelapparat sichern unsere Bewegungen und Sprünge beim Klettern. Überkopfbewegungen mag unsere Schulter nicht so gerne. Wir fokussieren uns erstmal auf die drei wichtigsten Gelenke, bevor wir zur idealen Nutzung und zum Training unserer Schulter kommen.

Das erste Gelenk, das ich euch vorstelle, verbindet unsere Schultergürtel mit dem Rumpfskelett und wird deshalb mediales Gelenk des Schlüsselbeins genannt. Das Brustbein-Schlüsselbein Gelenk ist funktionell ein Kugelgelenk und sorgt für das Vor- und Rückführen sowie das Anheben und Senken der Schulter. Das Gelenk ist „nur" funktionell ein Kugelgelenk, da die straffen Bänder die Beweglichkeit einschränken.

Weniger mittig in unserem Körper und eher an der Außenkante unserer Schultern liegt das Schultereckgelenk. Es wird medizinisch auch das laterale Gelenk des Schlüsselbeins genannt. Das Gelenk ist an der Rotation des Schlüsselbeins wie auch an der Hebung unseres Arms über die Schulterhöhe beteiligt.

Das eigentliche Schultergelenk wird gebildet vom Oberarmkopf und der kleinen Gelenkfläche am äußeren, unteren Teil des Schulterblatts.

Durch die kleine und flache Gelenkfläche ist das Schultergelenk das beweglichste Gelenk des kompletten Körpers. Doch fördert die geringe knöcherne Führung und die wenigen Bandstrukturen oft das „gewöhnliche" Auskugeln (Luxieren) des Arms. Unsere Schultergelenke können wir optimal durch eine gut ausgebildete Muskulatur in ihren Funktionen unterstützen und so Verletzungen vorbeugen.

Für Kletterinnen und Kletterer ist es besonders wichtig die Muskulatur gut zu trainieren und flexibel zu halten. „Es ist hilfreich, die schulterzentrierende Muskulatur zu trainieren. Das sind im Wesentlichen die außen- und innendrehenden Muskeln. Ganz gut lassen sich diese Übungen mit einem Thera-Band machen.

Weniger sollte man die Arme in der Abduktion kräftigen. Auch hilft das Thera-Band beim Trainieren des Delta Muskels sowie der Pectoralis Muskeln. Das ist sozusagen die Prämium-Muskulatur zum Schutz der Schulter." Dr. med. Andreas Thannheimer, Klinikum Garmisch-Partenkirchen

Zu Beginn einer Route in der Halle oder im Gelände solltet ihr das Aufwärmen nicht vergessen. Das Bewegen einer kalten, nicht aufgewärmten Muskulatur kann zu Mikroverletzungen führen, die dann wiederum im Ganzen Folgeschäden mit sich bringen können. Das Aufwärmen im Klettersport im Schulterbereich ist unabdingbar und sollte nicht unterschätzt werden.

Es gibt Personen, die nach dem Klettern und vor allem durch die Überkopfbewegungen Schmerzen bekommen. Dies kann leider auch angeborene und anatomische Gründe haben.

„Es gibt Patienten, bei denen durch ein ausladendes Schulterdach bei Überkopfbewegungen frühzeitig ein Kontakt zwischen Rollhügel und Schulterdach entsteht, was gerade bei Kletterern zu Beschwerden führen kann. Sie sollten die schmerzauslösenden Belastungen reduzieren. Wenn es nicht besser wird oder wiederholt auftritt, sollte sie sich ärztlich untersuchen lassen. Manchmal muss dann abgewogen werden ob es sinnvoll ist weiter zu klettern oder eventuell eine andere Bergsportart zu wählen." Dr. Andreas Thannheimer, Klinikum Garmisch-Partenkirchen

Wenn doch mal etwas schiefgeht und ihr auf die Schulter stürzt, können es je nach Höhe schwere oder leichte Verletzungen sein. Das Auskugeln der Schulter ist die häufigste Sportverletzung. Das Schultergelenk bzw. der Oberarm luxiert durch die hohe Flexibilität und geringe Führung recht schnell.

Durch einen Sturz oder auch nur das Abrutschen mit noch fixierter Hand an einem Griff könnt ihr euren Arm aus dem Gelenk bringen. Doch Schulterluxationen verheilen bei geringer Gewalteinwirkung recht gut. Im Klettersport kann es auch oft etwas heftiger sein.

„Schulterluxationen bei jungen Patienten (unter 30 Jahren) werden in der Regel operiert, da das Risiko einer erneuten Luxation alleine aufgrund der noch vor dem Patienten liegenden Lebenszeit höher ist. Bei älteren Patienten nimmt im Gegenzug die Elastizität des Gewebes ab und Vernarbungsprozesse nehmen zu, was wiederum die Stabilität erhöht und eine OP meist unnötig macht." Dr.med. Andreas Thannheimer, Klinikum Garmisch-Partenkirchen

Neben Luxationen können Schlüsselbeinfrakturen schnell durch Stürze oder starken Wandkontakt passieren. Ein Bruch am Schlüsselbein wird in der Regel konservativ behandelt und kann problemlos ausheilen. In den OP-Saal werden ihr erst geschoben, wenn es komplexere Frakturen sind oder eure Haut durch den Aufprall beschädigt ist.

„Bei Schlüsselbeinfrakturen ist es häufig so, dass diese konservativ behandelt werden können. Mögliche Gründe zu operieren sind eine Verschiebung, ein mehrteiliger Bruch und natürlich offene Verletzungen." Dr. Andreas Thannheimer, Klinikum Garmisch-Partenkirchen

Jetzt haben wir kurz die Anatomie und die in der Regel gut abheilenden Verletzungen aufgezeigt. Im zweiten Teil geben wir euch Tipps und Einsichten wie ihr euch bei einem Sturz auf die Schulter in den Bergen bestmöglich versorgen könnt und wann ihr unbedingt die Bergrettung rufen solltet. Auch besprechen wir komplexere Verletzungen und unterschiedliche Heilungsprozesse.

Original