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Allgäuer Tierskandal: Zwischen Polizeischutz und Systemversagen

Zuerst schockierende Bilder, dann Drohungen und Hassbotschaften: Die mutmaßliche Tierquälerei in einem Allgäuer Milchviehbetrieb beschäftigt Behörden und Bevölkerung. Die Polizei ermittelt – und muss den Betrieb bewachen.


Systematische Tierquälerei – so lautet der Vorwurf gegen einen der größten Milchviehhalter in ganz Bayern. Seit Tagen ermitteln Staatsanwaltschaft und Behörden auf einem Hof im schwäbischen Bad Grönenbach mit 1.800 Tieren. Viele Bürger haben ihr Urteil dagegen längst gefällt, vor allem im Internet ist der Zorn groß. Auch vor Ort wird der Landwirt bedroht: Ein Banner über der Straße fordert, ihm den Grund wegzunehmen. Im Fall einer konkreten Bedrohung ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft:


"Der Beschuldigte, gegen den zwischenzeitlich ermittelt wird, soll sinngemäß gesagt haben, ich habe ein Messer zum Schlachten dabei." Thomas Hörmann, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Memmingen

Die Polizei beobachtet deshalb die Lage auf dem Hof in Bad Grönenbach.

Aktivisten lehnen Gewalt gegen Tierhalter ab

Friedrich Mülln, der mit der Soko Tierschutz die Aufnahmen veröffentlicht hatte, lehnt Gewalt gegen Tierhalter strikt ab. Scharfe Kritik übte der Vorsitzende der Tierschutz-Aktivisten an der Arbeit der Behörden: In kürzester Zeit habe eine Tierschutzorganisation gewaltige Missstände aufgedeckt. Die eigentlichen Kontrolleure mit einem gewaltigen Apparat hätten dagegen nur Bagatellen gefunden.

Mängel im Kontrollsystem?

Rein statistisch wird in Bayern eine Kuh nur alle 48 Jahre von einem amtlichen Veterinär kontrolliert. Das sagen zumindest die Zahlen in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion aus dem Jahr 2018. Unangekündigte Routinekontrollen sind vorgeschrieben, beispielsweise von der EU. Hinzu kommen anlassbezogene Kontrollen, wenn Landwirte mit ihren Tieren im Schlachthof oder wegen Arzneimittelrückständen in der Milch auffallen.

Veterinärin fordert Umdenken

Doch bringen amtliche Kontrollen allein den Tierschutz voran? Amtstierärztin Iris Fuchs aus dem Landkreis Bayreuth hat ihre Zweifel. Sie ist für 350 Milchbauern in einem Landkreis zuständig.


"Die Kontrollen-Anzahl löst das Problem beim besten Willen nicht, sondern das Umdenken in der Landwirtschaft zu Betriebsgrößen, und vor allem der Faktor Mensch. Mir tun manche Bauern wahnsinnig leid, wenn ich sehe, wie sie kaputt sind und sagen: Hätte ich doch gar nicht so gebaut. Aber ich bin so beraten worden. Und da muss einfach Schluss damit sein. Ein Weiter-So kann es nicht geben." Amtstierärztin Iris Fuchs

Im Allgäu hat der Besitzer des Milchviehhofes inzwischen einem BR-Reporter Zugang zu seinem Betrieb gewährt. Zu den Vorwürfen der Tierquälerei hat er sich dabei nicht geäußert, mit Verweis auf das laufende Strafverfahren.

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