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Tippen, wischen, krabbeln: Was taugen Apps für Kleinkinder?

Kleinkind mit Tablet Foto: YouTube

Mittlerweile gibt es Apps für alles und jeden - sogar für Kleinkinder. Doch wie sinnvoll sind solche Programme? Hat ein Baby etwas davon, wenn es vor den stolzen Eltern aufs Display tatscht?


Der zweijährige Bridger weiß angeblich genau, was auf einem Tablet zu tun ist. "Mal uns ein Bild", fordert ihn der Vater auf. Kein Problem für Bridger: Mit wenigen Wischbewegungen zaubert er Kreise aufs Display, stolze Eltern würden vielleicht von einem virtuellen Kunstwerk sprechen.

Zu sehen ist das Ganze auf YouTube - und über 1,4 Millionen Mal wurde es schon gesehen -, wo mittlerweile etliche Eltern die vermeintliche Digitalkompetenz ihrer Sprösslinge zur Schau stellen.

So richtig gekonnt wirkt es aber selten, wenn kleine Hände über große Tablets streichen oder darauf herumtippen. Viele Kinder scheinen schlicht ihre Umgebung entdecken und anfassen zu wollen - auch außerhalb der analogen Welt.

Interaktion sieht anders aus

In einem anderen Video - 355.000 Klicks - ist die neun Monate alte Naomi zu sehen. Sie spielt mit einem iPad, im Hintergrund läuft eine Sprachlern-App. Das Baby scheint das Prinzip der App nicht zu verstehen. Es wischt, tatscht und dreht das Gerät, scheinbar wahllos, ab und an blickt es neugierig auf den Bildschirm. Interaktion sieht anders aus. Hat das Kind eine Ahnung davon, was es hier tut?

Ulf Liszkowski, Entwicklungspsychologe an der Universität Hamburg, ist skeptisch. "Bei unter Vierjährigen müssen die Eltern die Kleinkinder mindestens durch die App führen", rät er. Viele Applikationen seien zu komplex, um sie in diesem Alter eigenständig bedienen zu können. Bei unter Zweijährigen müssten Eltern die Kleinen sogar dazu auffordern, etwas zu tun.

"Apps sind für Kinder eher nicht geeignet, bevor sie in die Schule kommen", meint Liszkowski. Eine Mal-App zum Beispiel sei weniger sinnvoll, da ganz kleine Kinder die darin vorkommenden Symbole kaum verstünden. Wenn ein Kind noch nie einen Pinsel in der Hand gehabt habe, werde es dessen Bedeutung auch nicht im Digitalen verstehen.

Erst einmal auf Papier malen

Eltern sollten ihren Kindern zunächst einmal das Malen mit einem normalen Stift auf einem Blatt Papier beibringen, bevor es an die Digitalvariante geht, findet Liszkowski. Die primären Fähigkeiten in der realen Welt sollten zuerst erlernt werden.

Bei der Frage, ob das Nutzen von Smartphones oder Tablets für Kinder im jungen Alter förderlich oder eher schädlich ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen sagen: Kinder müssen so früh wie möglich an die modernen Technologien herangeführt werden. Spezielle Apps könnten sogar einen pädagogisierenden Effekt haben.

Von den App-Kritikern heißt es derweil: Kleinkinder verstehen die Applikationen ohnehin nicht, sie müssen zunächst die reale Welt kennenlernen. Ulf Liszkowski sagt, noch gebe es keine großen Studien zum Thema - es kann also intensiv darüber gestritten werden. Liszkowskis Argumentation gegen Apps für Kleinkinder geht so: "Die Beschäftigung mit Apps nimmt dem Kind die Zeit, sich mit der realen Umwelt, vor allem aber der sozialen Umwelt auseinanderzusetzen."

Eine wichtige Lebensphase

Gerade diese Zeit bräuchten die Kleinkinder aber in der Entwicklung. Witze verstehen, Gespräche führen, Konflikte aushandeln - all das müssten sie in dieser Lebensphase erlernen. "Konversation fördert zudem das Denken", sagt Liszkowski. Eine App brauche es dafür nicht. Sein Rat: "Erst wenn die sozialen und motorischen Fähigkeiten verfestigt sind, kann alles Weitere angegangen werden."

Dann jedoch scheint ein verantwortlicher Umgang mit Tablets und Smartphones möglich - auch für kleine Kinder. Entscheidend ist wohl, dass Eltern ihre Kinder nicht einfach mit dem Gerät alleine lassen, sondern an den digitalen Erfahrungen teilhaben. Sie können ihnen animierte Bücher vorlesen, gemeinsam ein buntes Bild malen oder dem Kind zeigen, was mit der App alles möglich ist.

Wie lange vor dem Bildschirm gespielt werden sollte, müssten Eltern selbst entscheiden, findet Liszkowski. Er empfiehlt aber, feste Zeiten zu vereinbaren, in denen die Kinder mit den Apps spielen, sich ausprobieren dürfen. Das Wichtigste ist aus seiner Sicht: "Es passiert nicht auf Kosten der analogen Welt."

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