Konzentriert fokussiere ich den nächsten Tritt, greife mit meinen Händen an die gelben Kunststoffgriffe über mir und ziehe mich kraftvoll hoch. Es gibt jetzt nur noch einen Weg: nach oben! Und Schrittchen für Schrittchen versuche ich, die raue Wand vor mir zu erklimmen.
„Komm schon! Noch einen Zug", flüstere ich in mich hinein, um mich zu motivieren. Doch dann wollen meine Hände und Arme einfach nicht mehr auf mich hören. Zu sehr zerrt und zehrt mein Gewicht an meinen Muskeln. Mit letzter Kraft starte ich noch einen Versuch - vergeblich. Das wird jetzt nix. Ich lasse mich in den Gurt sacken und rufe meinem Trainer Christian zu, mich abzulassen. Trial - and error ...
Dafür komme ich jetzt richtig ins Staunen. Fasziniert beobachte ich, wie hier in der Hamburger Nordwandhalle die Kletterer geschmeidig wie Echsen die bis zu 16 Meter hohen Wände hochkraxeln. Sofort wird mir klar: Einzelgänger müssen einpacken! Denn die Kontrolle über das Seil - und somit über die Sicherheit - hat der Partner am Boden. Das eine Ende des Sicherungsseils hat er im Griff, das andere wird am Ende der Route mittels einer Umlenkung montiert.
Volle Indoor Action
An der "Südwand" bilden grellbunte Brocken die verschiedenen Routen. Jede Farbe steht dabei für einen Schwierigkeitsgrad; Verschneidungen und leichte Überhänge an der sonst vertikalen Wand sorgen für die Extraportion Indoor-Action. Bevor ich allerdings endlich an die Decke gehen kann, führt mich Christian in die Theorie ein. Besonders wichtig: Nicht nur die richtige Partnerwahl verhilft zum Kletterglück, sondern auch die passende „Mitgift". Vorsichtig schlüpfe ich in die ungewohnten Kletterschuhe.
Aber da muss ich jetzt durch: „Die Schuhe müssen eng anliegen, die Zehen sollten leicht angewinkelt sein", sagt Christian. Nachdem auch der Gurt fest auf meiner Hüfte sitzt, ist das richtige Sichern dran: Der doppelte Achterknoten ermöglicht dem Kletterer eine besonders sichere Verbindung zwischen Kletterseil und Gurt, während das andere Ende des Seils im Sicherungsgerät des am Boden Stehenden eingehängt wird. Konzentriert binde ich das Seil zu einer Schlaufe, führe es darüber und bilde dadurch die doppelte Acht.
Letzter Sicherheitscheck: Sind Gurt und Karabiner verschlossen, sitzt der Knoten?„Überleg dir vor jedem Zug, wohin du als Nächstes deine Füße setzt - die machen beim Klettern nämlich die meiste Arbeit", ist Christians letzter Rat, bevor ich endlich wieder die Wand hochgehen darf.
Zug um Zug geht's voran auf den grünen Klettersteinen. Konzentriert setze ich abwechselnd Hände und Füße, mein Blick gleitet aufmerksam von Griff zu Griff. Dass ich knapp zehn Meter über dem Boden hänge, blende ich komplett aus. Doch plötzlich fangen meine Hände an zu brennen und zu schwitzen, ich brauche eine Pause. „Zu!", rufe ich laut. Das Kommando vermittelt Christian, dass er das Kletterseil straff ziehen soll. „Zu", bestätigt er. Langsam setze ich mich in den Gurt, greife in meinen Chalkbag und reibe mir die Hände mit Magnesia ein, um wieder mehr Grip zu bekommen. Mich trennen nur noch wenige Meter vom Top nahe der Decke. Kurz wandert mein Blick durch die Halle.
Dann fokussiere ich wieder mein Ziel. Eins, zwei, Zieleinlauf! Glücklich blicke ich 16 Meter in die Tiefe. Kurz einatmen und dann „ab!". Vorsichtig lässt mich Christian nach unten. Das Kraxel-fieber hat mich voll erwischt - da geht jetzt noch mehr!
Sofort merke ich, dass die Steine eine kleinere Oberfläche haben und viel kniffliger geschraubt wurden. Challenge accepted - dich will ich schaffen! Beinahe schon routiniert setze ich meine Füße, mache die ersten Züge. Doch bereits nach wenigen Metern merke ich, wie meine Arme langsam schlappmachen. Ich will mich zum Weitermachen zwingen, aber meine Gliedmaßen ziehen in den Kletterstreik. Ich weiß es schon jetzt: Morgen werde ich tierisch Muskelkater haben.
„Mann, die 5c (Schwierigkeitsgrad, Anm. d. Red) wollte ich unbedingt packen!", rufe ich beim Ablassen und spüre meine derbe Enttäuschung, bin aber gleichzeitig immer noch total angefixt. Ich komme wieder und gehe richtig steil - und dann ist die 5c fällig!
Klettern braucht nicht nur gute Muckis, sondern fordert und fördert auch deinen Verstand.
Voraussetzungen Erste Versuche an der Kletterwand sind schon ab drei Jahren möglich - nach oben gibt es keine Altersgrenze. Motivation, Ausdauer und Mut schaden nicht.
Ausrüstung Klettergurt, Kletterschuhe, entsprechendes Sicherungsgerät und ein Chalkbag reichen für Anfänger. Jede Kletterhalle in Deutschland bietet fachgerechte Ausrüstung zum Verleih an.
Preise Eine Tageskarte bekommt man ab ca. 10 €, je nach Tageszeit und Ermäßigungsberechtigung wie beispielsweise DAV-Zugehörigkeit, Studenten- oder Auszubildendenstatus.
Die schönsten Orte zum Klettern
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