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Lange Nacht der ZEIT 2022: Robert Habeck hält russischen Gasstopp für möglich

Vizekanzler Robert Habeck hält einen Lieferstopp von russischem Gas für möglich. "Dass das ausgeschlossen ist, würde niemand, der bei Sinn und Verstand ist, behaupten", sagte der Grünenpolitiker bei Eine Stunde ZEIT mit Robert Habeck. Er sprach von einem sichtbaren Muster: Die Gasmenge sei immer wieder reduziert worden, zuletzt in der Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent. Darauf folge logischerweise die nächste Reduktion, sagte Habeck. Die Frage sei, wie Deutschland darauf vorbereitet sei.

Die Gefahr eines russischen Gasstopps sei nicht mehr so hoch wie zu Beginn des Ukraine-Kriegs, sagte der Bundeswirtschaftsminister. Die Speicher seien besser gefüllt, LNG-Terminals würden gebaut und auch die Bevölkerung habe viel Energie eingespart. Dennoch warnte er: Sollte Deutschland es nicht schaffen, die Speicher vor einem russischen Gasstopp zu füllen oder Gas auf anderem Wege zu beschaffen, stünden "sehr, sehr gereizte Debatten" bevor.

Um Versorgungsengpässen vorzubeugen, gebe es nun zwei Möglichkeiten: "Entweder man gibt den Unternehmen Geld", sagte Habeck, das falle aber früher oder später auf die Steuerzahler zurück. Oder man erlaube den Unternehmen, die Preise direkt an die Kunden weiterzugeben.

Habeck sieht sozialen Frieden durch Energiepreise bedroht

Zunächst sollten die Preise allerdings nicht weitergegeben werden, "weil das ein sehr, sehr scharfes Schwert ist", sagte Habeck. Ganz ausschließen könne er das jedoch nicht. Sollten die Unternehmen ausfallen, "dann ist das wie ein Dominoeffekt, der ganz schnell in eine tiefe Rezession führen würde". Derzeit werde noch an anderen Möglichkeiten gearbeitet.

Habeck bestätigte damit eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters, der ein Entwurf des Gesetzes vorliegt, das Bundestag und Bundesrat schon nächste Woche beschließen sollen. Es sieht die Möglichkeit vor, die Mehrkosten sämtlicher Gasimporteure für den Ersatzkauf der Gasmengen, die Russland derzeit nicht mehr liefert, grundsätzlich auf alle Kunden gleichmäßig zu verteilen.

"Die hohen Energiepreise sind eine Bedrohung für den sozialen Frieden in Deutschland", sagte Habeck. Deutschland befinde sich in einer Wirtschaftsphase, die durch den Ukraine-Krieg stark beeinflusst sei. Von einer Kriegswirtschaft wolle er aber nicht sprechen, sagte Habeck. Die Wirtschaft dürfe nicht dem Krieg untergeordnet werden. Dennoch müsse der Staat auf die Folgen des Krieges reagieren.

Danach gefragt, dass Deutschland - wie zuletzt bekannt geworden war - noch 27,8 Prozent seines Rohöls aus Russland importiert und wie sich das auf das Erreichen der Sanktionsziele auswirken würde, sagte Habeck: "Die Zahl ist nicht schön, aber man kann sie erklären." Die lange Frist des Ausstiegs würde von den Unternehmen genutzt, um noch möglichst lang an günstiges Öl zu kommen. Die Unternehmen seien aber auf den Ausstieg vorbereitet. "Technisch ist es möglich, das jetzt sehr schnell umzustellen." Er hätte erwartet, dass es schneller gehe, sagte Habeck.

Jüngsten Umfragen zufolge ist Habeck beliebter als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Dabei verfolgt er momentan eine umstrittene und gerade für die Grünen schmerzhafte Politik: Um Deutschland angesichts des Krieges in der von russischer Energie unabhängig zu machen, ging der Bundesklima- und Wirtschaftsminister Deals mit Katar ein. Kritiker bemängeln, der Klimaschutz käme unterdessen zu kurz. Im Gespräch mit Mariam Lau, Politikredakteurin der ZEIT, und Roman Pletter, Leiter des Wirtschaftsressorts der ZEIT, stellte er sich den Fragen der Zeit.

Das Gespräch fand im Rahmen der Langen Nacht der ZEIT 2022 statt. Alle Veranstaltungen können Sie hier im Livestream verfolgen.

Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters

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