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171 Fälle weiblicher Genitalverstümmelung festgestellt

Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen ist eine archaische Straftat, die Betroffene in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung verletzt. In 171 Fällen ist sie in Rheinland-Pfalz 2019 während einer ambulanten ärztlichen Behandlung festgestellt worden.


Das erklärte das rheinland-pfälzische Familien- und Frauenministerium am Montag (11. Mai 2020) in Mainz. Die Betroffenen seien zum Zeitpunkt der Diagnose in einem Alter von fünf bis 87 Jahren gewesen, erklärte das Ministerium in einer Antwort auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag. Es sei nicht bekannt, ob die Frauen gerade wegen der Genitalverstümmelung oder aus einem anderen Grund zum Arzt gegangen seien. Die Praxis ist in Ländern in Afrika, im Nahen Osten und etwa in Indonesien in Asien verbreitet - teilweise trotz Verbots.


Was bedeutet Genitalverstümmelung bei weiblichen Personen?
Die WHO hat Female Genital Mutilation (FGM) 1998 so definiert: "FGM umfasst alle Verfahren, die die teilweise oder vollständige Entfernung der weiblichen äußeren Genitalien oder deren Verletzung zum Ziel haben, sei es aus kulturellen oder anderen nichttherapeutischen Gründen". Etwa 200 Millionen Frauen sind nach Schätzungen der WHO weltweit von Genitalverstümmelung betroffen.
Verschiedene Religionsgemeinschaften praktizieren die Beschneidung weiblicher Genitalien. Oft werden religiöse Verpflichtungen als Beweggrund genannt, doch handelt es sich vielmehr um eine traditionelle Praktik, die vor allem in Ländern Afrikas und des Mittleren Ostens durchgeführt wird. Dass es sie etwa schon im vorchristlichen Ägypten gab, belegen archäologische Funde.
Bis in die 80er Jahre wurde häufig von weiblicher Beschneidung gesprochen. Der Begriff wurde durch das Drängen von Entwicklungsorganisationen durch "Genitalverstümmelung" ersetzt. Denn bei dem Verfahren, dem Mädchen und Frauen unterzogen werden, ist das gesamte äußere Genital betroffen. Das männliche Pendant zur weiblichen Genitalverstümmelung wäre näher an der Kastration als an der Beschneidung.
Quellen: WHO, Desert Flower Foundation, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung

Hohe Dunkelziffer

In Deutschland leben nach Angaben von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) auf Basis geschätzter Hochrechnungen rund 67.000 Frauen und Mädchen, die verstümmelt wurden. Die meisten betroffenen Frauen stammten aus Eritrea, Somalia, Indonesien, Ägypten und Nigeria. Schätzungsweise bis zu 15.000 minderjährige Mädchen seien zusätzlich in Deutschland von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht. Die UN geht sogar von über 17.000 Mädchen aus.


Wie viele Frauen und Mädchen in Rheinland-Pfalz leben, die von der schweren Menschenrechtsverletzung betroffen sind, konnte das Ministerium nicht sagen. Wie hoch die Dunkelziffer sei, lasse sich nicht schätzen, erklärt Nurhayat Canpolat vom Psychosozialen Zentrum für Flucht und Trauma beim Caritasverband Mainz.


Familien häufig kulturellem Druck ausgesetzt

Unterstützung für Betroffene leisten etwa Hebammen, die Universitätsmedizin Mainz oder Vereine und Initiativen. Die Familien seien häufig kulturellem Druck ausgesetzt, so Canpolat. Für sie sei es gut zu wissen, dass Genitalverstümmelung in Deutschland strafbar ist. Canpolat appellierte vor allem an Fachkräfte sowie Kinderärztinnen und Ärzte, sich nicht zu scheuen, die Kinder dahingehend zu untersuchen und das Thema anzusprechen.

Täter können in Deutschland auch belangt werden, wenn die Tat im Ausland stattgefunden hat. Zudem besteht die Möglichkeit des Passentzugs, wenn eine Person eine weibliche "Beschneidung" im Ausland plant. In der polizeilichen Kriminalstatistik sind für Rheinland-Pfalz dem Frauenministerium zufolge bisher keine derartigen Fälle aufgeführt.



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