2 subscriptions and 2 subscribers
Article

Die Story macht den Unterschied

Storytelling für die Guest Experience

Was können Privathotels tun, um sich erfolgreich gegen die Ketten zu positionieren? Ganz einfach, findet Geoff Andrew, CEO der 350 Mitglieder starken Worldhotels: »Reisende heute suchen Authentizität, also erzählt ihnen eure Geschichte!« Denn »gut« ist langweilig – ist tödlich.


Mr. Andrew, Sie haben analysiert, was unabhängige Hotels tun können – nein: tun müssen –, um großen Ketten die Stirn bieten zu können. Was ist dabei herausgekommen?

Zunächst haben wir uns gefragt: Wohin geht es mit dem Buchungsverhalten der Gäste? Wie kommen die Leute heute zu einer Buchungsentscheidung? Vor allem in Zeiten, in denen sie immer mehr online schauen und damit die entsprechenden Impressionen bekommen.


Und?

Klar ist, dass die Markentreue schwindet. Die Leute orientieren sich heute zunehmend am Hotel selbst, an dem, was in den entsprechenden Hotelbewertungen steht, und dem, was die eigene Social-Media-Gruppe über das Haus sagt. Doch was tun Hotelverkäufer? Sie präsentieren ihre Häuser immer noch à la »Wir haben 300 Zimmer, fünf Zimmerkategorien« et cetera. Ganz ehrlich? JEDES Hotel hat Zimmer!

Langweilig ist ge­fährlich. Reisende wollen etwas erleben.

Das, was heute zählt, ist der Narrativ, die Geschichte, die ein Hotel zu erzählen hat. Im heutigen Wettbewerbsdruck mit mehr Auswahl als je zuvor können nur einzigartige Geschichten eine Verbindung zum Gast schaffen. Aus diesem Grund haben wir das Programm »Start with WHY« gestartet. Die Fragestellung haben wir vom Bestsellerautor Simon Sinek, der fragt: »Warum stehst du auf an diesem Morgen?« Entsprechend muss ein Hotel sich fragen: »Warum sollen die Leute zu mir kommen? Geht es dabei wirklich nur um den Preis und die Lage?« Damit helfen wir ihm, seine Geschichte zu entwickeln und in den Fokus zu stellen.


Ein guter Preis und eine gute Lage sind nicht mehr genug?

Eine Marke braucht eine Geschichte, und Markenhotels brauchen ihre eigene Geschichte. Eine Onlinebewertung mit fünf Punkten, die den Titel »Schön, aber langweilig« trägt, ist heutzutage ein Desaster. Langweilig ist gefährlich. Reisende wollen etwas erleben – Erlebnisse sind der neue ­Luxus. Nur die Hotels, die sich an diese neuen Anforderungen anpassen, werden zukünftig erfolgreich sein.


Was steht hinter dem Programm?

All unsere Mitglieder lernen in dem eintägigen »Start with WHY«-Auftakt-Workshop, wie sie sich effektiver verkaufen können. Dazu eingeladen sind jeweils der General Manager, der Besitzer sowie verschiedene Teammitglieder – vom Abteilungsleiter bis zum Concierge. Ungefähr zehn Leute. Da geht es dann so richtig in die Tiefe: Worum geht es uns in unserem Hotel? Was sollen unsere Gäste sagen, wenn sie das Hotel verlassen?

Als Ausgangspunkt dient ein Statement, welches das Team gemeinsam im Workshop entwickelt, zum Beispiel »Home away from home«. Auf das Statement muss dann eine 360-Grad-Betrachtung folgen: Welche Ausstattung/Umgebung brauchst du, wenn du »Home away from home« leben willst? Welche Art von Mitarbeitern und welche Form der Führung?

Geoff Andrew, Worldhotels: »Erlebnisse sind der neue Luxus«

© Felix Schmitt


Der gesamte Prozess durchläuft dann vier bis fünf Phasen, und es kann bis zu anderthalb Jahre dauern, bis das neue Motto, die Story, auf alle Ebenen heruntergebrochen wurde. Bei »Home away from home« könnte zum Beispiel ein Schlagwort wie »Ungezwungenheit« im Zentrum stehen. Dazu könnte gehören, dass Gäste sich selbst bedienen können. Aber auch in andere Bereiche des Service flösse dies dann ein. Wichtig ist, dass vor jeder Entscheidung ein klares Statement steht.


Nicht jeder hat eine tolle Geschichte in der Hinterhand.

Klar, nicht jedes Hotel kann komplett neu starten. Nicht jedem fällt es so leicht wie zum Beispiel dem Courthouse Hotel in London, einem ehemaligen Gerichtsgebäude, in dem schon Prominente wie John Lennon und Mick Jagger vorsprechen mussten. Aber selbst, wenn du nicht so eine reiche Geschichte hast: Irgendwas gibt es immer zu erzählen. Es kann ja auch etwas aus der Nachbarschaft sein.

Und unterschätzen Sie nicht die hohe Begeisterung vonseiten der Mitarbeiter, wenn man plötzlich Interesse an ihren Ideen und Vorschlägen zeigt. Wenn man sie befragt, was das Haus ihrer Meinung nach auszeichnet. Da entsteht oft eine ganz eigene, enorme Dynamik.

Weil insbesondere Millennials Individualität und Authentizität schätzen, haben inzwischen fast alle Ketten neue Brands entwickelt, die noch individuellere, einzigartigere und besonderere Geschichten erzählen sollen als alle anderen.

Im Gegensatz zu den großen Hotelgruppen werden unabhängige Hotels für ihre Unverwechselbarkeit und ihren Charakter wertgeschätzt. Große Gruppen haben es schwer, eine persönliche Geschichte zu definieren. Unabhängige Hotels hingegen wurden dafür konzipiert, einzigartige Geschichten zu erzählen. Sie sind die Meister des Storytellings. Die großen Ketten wird es weiterhin geben, denn es wird immer eine Zielgruppe geben, die auf der ganzen Welt denselben Standard vorfinden möchte.

Aber es gibt etwas Neues: Jahrelang hieß es, die Individual­hotellerie hat gegen die großen Brands keine Chance. Das hat sich geändert. Heute brauchst du lokale Authentizität und eine gute Story. Marriott und andere Ketten versuchen zwar, das in neuen Brands nachzubilden. Aber ein »home for something different« kann nicht funktionieren, das ist keine wahrhaftige Unabhängigkeit. Wir dagegen unterstützen wahre Unabhängigkeit, indem wir fragen: Wie können unsere Mitglieder überleben und wachsen? Was können wir ihnen bieten, das eine Kette ihnen nicht bieten kann?


Ein Programm zum Storytelling?

Auch. Wir beraten unsere Hotels besonders beim Thema digitales Marketing. Eine gute Website ist Pflicht. Doch die allein ist eben nicht mehr genug. Auch die Sharing Economy wächst immer weiter, eine Herausforderung, der sich auch unsere Hotels stellen müssen. Aus diesem Grund ist es wichtiger denn je zuvor, sich abzuheben und eine eigene Geschichte zu erzählen. »Du kannst deine Rate pushen, ohne an Nachfrage einzubüßen.«

Was passiert im Erfolgsfall?

Gäste entscheiden sich zum Teil deshalb für eine Marke wie die Worldhotels, weil sie sicher sein wollen, Stichwort: Markenversprechen. Loyalität ist aber genauso wichtig. Und die können wir erhöhen, weil die Geschichten zu einem Teil des Warum werden. Vor allem aber: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Gästebewertungen und Umsatz. Eine Cornell-Studie hat nachgewiesen, dass schon geringfügige Verbesserungen – zum Beispiel von 7,2 auf 8,3 Punkte – eine um fünf bis sechs Prozent höhere Rate erlauben. Anders formuliert: Du kannst deine Rate pushen, ohne an Nachfrage einzubüßen.

Wer seine Einzigartigkeit herausstellen will, sollte dies nicht in luftleerem Raum tun. Er muss seine Zielgruppe kennen – sehr genau sogar. Oder gilt das nicht mehr?

Vor einem halben Jahr sind wir von den Associated Luxury Hotels aufgekauft worden, das erlaubt uns neue Investments. Aktuell investieren wir in ein hochwertiges Easy-to-use-Customer-Management-System (CRM). Damit wollen wir Gästeprofile künftig ganz einfach ermitteln können. Herausfinden, welcher Gast zu welchem Hotel passt. Dazu werden dann auch Infos aus dem Internet und den sozialen Medien ausgewertet. »Start with WHY« ist eine Anleitung dazu, sich selbst zu verkaufen, das CRM ist das Werkzeug, diesen Verkauf umzusetzen. Wir geben unseren Mitgliedern die Tools, mit denen sie sich selbst helfen können.

Mr. Andrew, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 


Worldhotels

Worldhotels ist eine globale Marke mit 350 unabhängigen Mitgliedshotels in 65 Ländern. Zielgruppe sind vor allem Geschäftsreisende. Mit ihrem »Affiliation Model« – verschiedenen Services für globales Marketing, Sales, Training, E-Commerce und Vertrieb – unterstützen die Worldhotels ihre Mitglieder dabei, ihren individuellen Charakter und ihre Identität zu behalten.Im Februar sind die Worldhotels von den Associated Luxury Hotels übernommen worden, einer auf das MICE-Geschäft spezialisierten US-Kette mit 250 Mitgliedshotels. Ähnlich der Global Hotel Alliance, der nach eigenen Angaben weltgrößten Allianz unabhängiger Hotelmarken (Kempinski, Anantara, The Leela, Corinthia und andere) wollen die beiden voneinander profitieren, ohne die jeweilige Eigenständigkeit zu verlieren. Um den großen Ketten Paroli bieten zu können, zielt Worldhotels-CEO Geoff Andrew auf ein Wachstum um 150 auf 500 Mitgliedshotels in den kommenden drei bis vier Jahren. Flankiert werden soll die Offensive von einer Verjüngung des Markenauftritts.

Original