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V-Zug | Haushaltsgeräte-Hersteller

V-Zug | Haushaltsgeräte-Hersteller

Mitarbeiterzeitschrift BLUELine (Nr. 132 / Winter 2018) des Schweizer Haushaltswarenherstellers V-ZUG AG.

An Gewohntem festzuhalten ist normal - sich zu verändern auch

Jeder von uns ist ein Profi, wenn es um Veränderung geht. Seit der Geburt begleitet sie uns,
meist ohne dass wir es bemerken. Ohne Veränderung gäbe es kein Erwachsen werden

Veränderung gehört dazu. Doch steht sie an, ruft sie bei vielen Menschen eher Bauchschmerzen als einen lauten Jubelschrei hervor. Das hat damit zu tun, dass der Mensch extrem anpassungsfähig ist. Hat er sich an eine Situation gewöhnt, richtet er sich darin ein, er kann sich orientieren und hat Gewissheit. Das ist das Gegenteil vom Stress und Chaos durch etwas Neues, um das man oft nicht selbst gebeten hat.

Diese Haltung ist zutiefst menschlich. Aus Sicht der Biologie und aus Sicht unseres Gehirns ist Beständigkeit etwas Wunderbares, weil sie uns nicht unter Druck setzt. Es lohnt sich, genauer hinzusehen, denn mal mag es in Ordnung sein, wenn alles beim Alten bleibt, dann wieder kann das Verharren gefährlich werden. Das ist wie beim Auto- oder Skifahren. Wer so fährt, dass er immer erst kurz vor dem Hindernis scharf bremst, ist jedes Mal froh, dass nichts passiert ist. Wer vorausschauend fährt, lenkt mit einem eleganten Bogen ums Hindernis und nimmt die Geschwindigkeit auf die neue Fahrspur mit.

Veränderung lässt sich nicht aufhalten, man selbst verändert sich und die Welt um einen bleibt auch nicht stehen. Die Gesellschaft, Märkte oder die Technik entwickeln sich und fordern eine Reaktion. Bei gutem Timing gelingen die Weichenstellungen so, dass man nicht nur reagiert, sondern den Prozess begleitet und mitgestaltet. Das ist vorausschauendes Fahren im Rahmen eines Unternehmens oder der Gestaltung des eigenen Lebens.

Das beinhaltet aber auch, auf etwas zu verzichten. Die oben erwähnte Gewohnheit und Routine beispielsweise. Darin liegt das Problem. "Anklammern ist unsere Natur", sagt Katharina Ley, Psychoanalytikerin aus Bern, "Loslassen müssen wir dagegen erst lernen." Ein Baby greift nach dem Finger der Mutter oder des Vaters. Das Gewohnte loszulassen enthält Situationen, die schwer oder nicht einzuschätzen sind. Weil Sicherheit ein biologisch verankertes Grundbedürfnis ist, löst Unsicherheit bei der grossen Mehrheit der Menschen Unbehagen oder Angst aus. Immerhin 80 Prozent gehören zu den Bewahrern, nur 20 Prozent haben genetisch bedingt richtig viel Spass am Neuen.

Unter der 80-Prozent-Mehrheit tun sich einige leichter mit Veränderung als andere. Erfahrungen, die man gemacht hat, spielen hinein. Jemand, der oft umgezogen ist und dabei gut in den neuen Schulklassen aufgenommen wurde, den wird die Mitteilung, dass seine Abteilung zum nächsten Quartal verändert wird, weniger schrecken. Jemand, der sich in seiner Geschichte ausgeliefert fühlte, bei dem wird so eine Ankündigung erst einmal einen Film im Kopf abrufen, der nicht gerade positiv besetzt ist. Wenn es schlecht läuft, wird dieser Mensch ängstlich, erstarren oder ablehnend reagieren, allein, wenn er das Wort Veränderung hört.

Der deutsche Soziologe Thomas Druyen sieht das nicht so problematisch. Er empfiehlt, probeweise zu handeln. Dass man sich in seiner Fantasie mit der möglichen Zukunft beschäftigt, die konkreten Fragen durchspielt. ÅsBedenken, Fehler, Ängste werden überwunden, wenn ich mir mein Geschäft konkret aus der Perspektive eines bestimmten Zeitpunkts in der Zukunft vorstelle. So gewinne ich Erkenntnisse und Optionen, die mir helfen, dem Zufall, der Unvorhersehbarkeit und der Überraschung die Stirn zu bieten."
Selbst die Un-Lust an Veränderung lässt sich in kleinen Dosen ändern.

"Ein Optimist der scheitert, hat bis dahin ein besseres Leben gehabt als ein Pessimist der bestätigt wird", sagt der Philosoph Richard David Precht. Für alle, die Lust am Neuen bekommen, gilt vielleicht der schöne Spruch des japanischen Dichters Yoshida Kenkō: "Gerade die Unbeständigkeit macht die Welt
so schön."