Dass genau ich das schreibe, die nicht einmal einen Führerschein hat, niemals außerhalb des mittleren Rings in München wohnen würde und schon meckert, wenn sie nach Pasing fahren soll, ist nun ebenso überraschend wie die Auswahl der traumhaften Suchergebnisse. Denn während man in München froh sei darf, wenn man für 1800 Euro überhaupt 80 Quadratmeter findet, bekommt man außerhalb der Stadt schnell mal einen Garten dazu, der doppelt so groß ist. Und sechs Zimmer und Ruhe und einen Blick ins Grüne. Garage natürlich inklusive!
Vielleicht ist es ja der Sommer, vielleicht auch Corona. Vielleicht ist es das Älterwerden. Oder, was ich vermute, eine Mischung aus alledem - dass mich das Landleben plötzlich so anlacht. Ich liebe die Stadt und ihre Vorzüge. Ich kann in München überall zu Fuß hinlaufen. Mit dem Radl brauche ich nie länger als 20 Minuten. Wenn mich mein bester Freund spontan anruft, bin ich in einer Viertelstunde bei ihm. Ich kann eben mal in die Innenstadt spazieren und lokal im Laden einkaufen. Ich kann mir jedes Essen bestellen, auf dass ich gerade Lust habe. Und ich komme immer nach Hause, egal wie spät es ist und wo ich bin. Diese Aufzählung könnte man noch drei Absätze lang weiterführen. Die Stadt bietet wahnsinnig viele Vorteile und wer hier aufgewachsen ist, gewöhnt sich schließlich an sie.
Freunde, die auf dem Land groß geworden sind, schauen mich jedes Mal entgeistert an, wenn ich erzähle, dass ich nie einen Führerschein gemacht habe. Denn der gehört nun mal zu einer anständigen Dorfjugend wie die erste U-Bahn frühmorgens für Stadtkinder. Ich fahre nun seit 20 Jahren mit den Öffentlichen und kann das Gefühl, dass ein Auto vor meiner Haustüre steht, nicht vermissen, denn ich kenne es schlichtweg nicht. Im Gegensatz dazu schaue ich auch ziemlich entgeistert drein, wenn mir meine Landfreunde erzählen, dass es genau eine Pizzeria im Umkreis gibt - und zu der muss man - Überraschung! - natürlich mit dem Auto fahren.
Aber zurück zur Stadt: So wunderbar sie ist, vieles strengt mich an. Und das auch immer öfter. Das könnte man natürlich auf mein Frührentner-Dasein schieben, ich schiebe es vor allem darauf, dass München immer voller und damit auch unspontaner wird. An einem Feiertag oder am Wochenende bleibt man am besten zuhause oder geht zu jemandem nach Hause - denn die Isar sieht aus, als würde dort demonstriert werden. Zum Frühstücken muss man reservieren, zum Eis in der Schlange stehen und für einen Ausflug um sechs Uhr morgens aufstehen. Diese Art von Erholung strengt mich eher an. Wenn man aber all das unter der Woche macht, erlebt man die wohl schönste kleine Großstadt, die man sich vorstellen kann.
Auf München verzichten möchte ich niemals. Vielleicht sieht meine Zukunft also so aus: Ich werde für immer meine bezahlbare Wohnung in der Stadt behalten. In der ich unter der Woche arbeite und lebe, von der aus ich meine Stadt genießen kann. Und in die ich immer fahren kann, wenn ich mich abends bei meinem besten Freund mal wieder verquatscht habe. Aber ich träume auch von dem Anderen - und dieser Traum wird nun mal immer lauter: mein eigener grüner Rückzugsort am Wochenende. Und dafür würde ich sogar auch mal einen Führerschein machen.
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