Ich weiß, dass ich ein Kind möchte, aber ich weiß noch nicht, wie das mit einem guten Gefühl passieren soll. Im Moment bin ich eher dabei, das Thema vollkommen zu zerdenken. Dabei ist Kinderkriegen eine rein emotionale Entscheidung, über die man wahrscheinlich nicht zu sehr nachdenken darf, oder? Denn, wer zu viel nachdenkt, dem bleiben tatsächlich wenig rationale Argumente für ein Kind über. Es warten: lebenslange Verantwortung, eingeschränkte Freiheit, kaum mehr Zeit für sich selbst, der Körper verändert sich unwiederbringlich, man schläft schlecht bis gar nicht und das über Jahre, man muss als Frau immer noch zurückstecken – in seinem Job, in Freundschaften, in seiner Freizeit, man zahlt schlecht bis gar nicht in seine Rente ein, man ist für immer mit dem Partner verbunden und abhängig von ihm.
Viele dieser Probleme sollten sich im Jahr 2020 längst in Luft aufgelöst haben, möchte man meinen. Wenn ich aber in meinen Freundeskreis schaue, dann sind da immer noch wenige Paare, die das Thema Familie gleichberechtigt hinbekommen. Bei den meisten fühlt es sich eher an wie eine Zeitreise zurück in die 50er Jahre. Konservative Denkmuster à la „natürlich bleibt die Frau zuhause, natürlich lebe ich als Mann mein Leben weiter wie bisher, natürlich arbeite ich viel, fahre in den Urlaub, gehe mit den Jungs saufen und freue mich, wenn abends das Essen auf dem Tisch steht“ tauchen eben nicht nur bei Fünfzigjährigen auf, sondern auch bei Dreißigjährigen. Erschreckend, aber man kann eben nicht davon auszugehen, dass ein Mann modern und feministisch unterwegs ist, nur weil er eine Therapie macht und zum Einschlafen Die drei Fragezeichen hört. Deshalb lohnt es sich eben doch nachzudenken und vor allem miteinander zu reden, wie man sich das später alles einmal vorstellt.
Manche Sorgen lassen sich so mit dem Partner auflösen, bei anderen müssten Staat und Gesellschaft endlich einmal umdenken. Ich weiß, dass mein Freund selbst gleichberechtigt erzogen wurde und richtig Bock auf Zeit mit seinen Kindern hat. Trotzdem werde ich einmal diejenige sein, die arbeitsmäßig zurücksteckt. Weil ich weniger verdienen werde als er, weil ich als Selbstständige flexibler bin und weil Teilzeit in seiner Branche gar nicht möglich ist – eigentlich ein Skandal. Also sieht es so aus: Wenn ich mir in den nächsten Jahren nicht eine Führungsposition suche, die mich Vollzeit fordert, was ich gar nicht möchte, habe ich wenig Chancen, da rauszukommen. Einer muss ja daheim bleiben, einer muss die Arschkarte ziehen. Nicht falsch verstehen: Das ist ohne Frage die wunderschönste Arschkarte der Welt, aber mit dieser Entscheidung werden eben wiederum andere Entscheidungen in Bewegung gesetzt, die benachteiligen und abhängig machen. Finanziell wie sozial.
Um aus diesem Gedankenkarussell einmal auszubrechen, schreibe ich nicht nur diesen Text und informiere mich darüber, wie ich mein Geld schlau anlege, sondern versuche auch, mir ein Beispiel an einer lieben Freundin Anika zu nehmen, die 2020 zu ihrem Gap Year macht – nicht am anderen Ende der Welt, sondern im eigenen Kopf. Das ist natürlich ein bisschen schwieriger, als in den nächsten Flieger zu steigen, aber auch notweniger, weil einen dieses ganze Kinderthema sonst gar nicht mehr loslässt und damit auch das Grübeln über alles andere, was noch dranhängt: Job, Beziehung, Wohnung, Urlaub, Lebensplanung. Wenn ich also einen Vorsatz habe für dieses Jahr, dann ist es: Planen, was ich planen kann, aber nicht mehr zerdenken, was dann wahrscheinlich sowieso ganz anders kommt.