Als ich letzten Sonntag auf der Geburtstagsfeier einer Freundin war und überall Kinder herumsprangen, dachte ich: Die Welten klaffen gerade jetzt so weit auseinander, wie wahrscheinlich nie mehr. Zwischen 20 und 30 teilt sich der Freundeskreis in Menschen, die seit Jahren eine Beziehung haben und ihr zweites Kind erwarten und in Menschen, die irgendwo im Dating-Nirvana stecken und nicht wissen, ob sie dem Typ von gestern Abend jetzt zurückschreiben oder lieber doch noch zwei Tage warten sollen.
Beide Seiten strengen sich dabei sehr an, sich gegenseitig nicht zu bewerten, tun es dann aber doch. Weil man betriebsblind wird oder manchmal vielleicht nur neidisch. Ob im Stillen oder im Lauten, die Frage „Was machen die Anderen da?“ stellt sich irgendwann. Beziehungsmenschen reden mit ihrem Partner darüber, das Freundin X nun schon wieder jemand Neues hat – schrecklich. Und Nichtbeziehungsmenschen sprechen mit ihren besten Freunden darüber, dass Freund X mit Frau und Kind jetzt in ein Haus zieht – schrecklich. Lebe meinen Albtraum. Dabei ist vor allem nur eines schrecklich: Dass wir die Anderen nicht einfach machen lassen.
Wahrscheinlich wäre es nicht schlecht, wenn wir uns in Erinnerung rufen würden, dass zwischen diesen beiden Welten gar keine so weite Strecke liegt, wie wir immer annehmen. Es sind nur ein paar Meter, die uns trennen. Und: Man ist so viel schneller wieder auf der anderen Seite, als man das Wort „Beziehung“ sagen kann. Sich verlieben – und auch sich entlieben – passiert innerhalb so kurzer Zeit, dass es uns allen nicht schaden würde, mal ein bisschen vorsichtiger zu sein mit unseren Beurteilungen. Wir beobachten uns gegenseitig wie Tiere im Zoo. Nur bitte kein falscher Hochmut, denn auch wir können ganz schnell im Gehege sitzen oder wieder auf der Zuschauerbank – wer hier Affe und wer Besucher ist, ist selbstverständlich Auslegungssache.
Trotzdem – und das ist ein bisschen lustig – sitzen Nichtbeziehungsmenschen dann vor jenen, die es (scheinbar) hinbekommen und fragen: „Wie macht ihr das?“ Sich verlieben ist schon ein kleines Wunder, ebenso wie, dass sich dieser Jemand in dich verliebt. Wenn diese Grundvoraussetzung gegeben ist und es dann noch timingmäßig klappt, heißt, dass der Andere nicht gerade seine Zwei-Jahres-Weltreise antritt oder für den Master nach Berlin zieht – ja, das ist fast das größte Wunder von allen.
Ihr habt euch also gefunden. Erzählt doch mal, wie das funktioniert, fragt man seine Beziehungsfreunde. Und das vor allem in einer Zeit, in der es zum guten Ton gehört, Menschen nicht mehr kennenzulernen, sondern zu konsumieren. In der es schier unendliche Auswahlmöglichkeiten gibt und einen schnell einmal das Gefühl beschleicht, man verpasst etwas da draußen. Es könnte jemanden geben, der noch besser passt.
Beziehungsmenschen wissen bei diesen Fragen in der Regel auch nicht so recht, was sie antworten sollen und fühlen sich ein bisschen so, als müssten sie sich rechtfertigen. Äh, ist eben so passiert. Funktioniert eben. Man möchte es verstehen, dabei gibt es bei Zufall und Glück gar nichts zu verstehen. Es gibt keine Ratschläge und absolut nichts, was man tun kann. Außer sich zu entscheiden, ob man aufgrund dieser Tatsache, dass man nichts tun kann, in Panik gerät oder sich entspannt zurücklehnt. Glückssachen – schwer zu akzeptieren, wo doch heute alles so planbar sein soll.
Es ist wahrscheinlich – vor allem in dieser egozentrischen Zeit – eines der schwersten Dinge überhaupt, das Leben der Anderen zu beobachten, ohne es irgendwie gleich auf sich selbst und sein Leben zu beziehen. Freuen wir uns doch über Geburtstage, auf denen Kinder herumspringen und die beste Freundin neben uns tindert. Alles andere wird sich schon regeln. Und: Machen kann man sowieso nichts.
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