Wenn Heiner Zimmermann gefragt wird, was er beruflich macht, dann sagt er nur, er sei Schmied. Manchmal fragen die Leute dann gar nicht weiter nach. Manchmal aber schon – und dann kann er erzählen. Wie sich der Beruf verändert hat – weg vom nostalgischen Hufschmied hin zum Kunstschmied, zum Künstler – von seiner Professur in Schweden, von seiner eigenen Kunst, von Auftragsarbeiten, in denen er versucht, die Menschen um das Projekt herum zu integrieren und davon, wie schön es ist bis heute, so eng mit dem Vater zusammenzuarbeiten.
Sein Vater, Paul Zimmermann, hat das Schmiedehandwerk in Deutschland revolutioniert. Denn während es in den 50er Jahren hier noch besonders traditionell zu ging, vereinte Heiner Zimmermanns Vater in dieser Zeit schon die Kunst mit dem Handwerk und wurde Kunstschmied. Heiner ist der jüngere Sohn. Schon von klein auf stand er in der Werkstatt in Pliezhausen bei Stuttgart. Die Schmiede ist ins Elternhaus integriert.
In dem Atelier, das Wohnraum und Teil der Familie ist, arbeitet Heiner bis heute. Er hat die Werkstatt 2002 übernommen, nachdem er jahrelang in der Welt unterwegs war. Nun wohnt gegenüber – in einem 400 Jahre alten Bauernhaus. Paul Zimmermann wohnt noch immer über der Werkstatt, er ist mittlerweile in Rente. Trotzdem treffen sich die beiden beinahe täglich hier, hämmern, heizen den Ofen an, zeichnen und Heiner fragt nach bei seinem Vater, bei einem, der mittlerweile über 60 Jahre Erfahrung hat.
HAST DU JEMALS ÜBERLEGT, BERUFLICH ETWAS ANDERES ZU MACHEN? ODER WAR IMMER KLAR, DASS DU SCHMIED WIRST – AUCH WEGEN DEINES VATERS?
Vom Chemielaborant bis zum Polizist habe ich mir alles mal überlegt. Mein Vater wollte auch gar nicht, dass mein Bruder, der heute auch Schmied ist, und ich den Beruf ergreifen: Er wusste, wie schwierig es ist Erfolg zu haben. Als Kreativer und dann auch noch selbstständig. Er hat mich auch nicht in der Selbstständigkeit gesehen. Weil man so organisiert sein und sich selbst disziplinieren muss – mit 15 hatte ich natürlich andere Dinge im Kopf: mein Fahrrad und die Mädels. Ich wollte dann aber trotzdem Schmied werden. Als ich die hochmotivierten Praktikanten gesehen habe, die aus aller Welt zu meinem Vater kamen, wurde mir klar: Den Beruf machst du nicht, um reich zu werden, aber du kannst glücklich damit werden.
WAS IST DEINE MOTIVATION BIS HEUTE? UND WIE ARBEITEST DU?
Jeder Kunde ist für mich ein Mensch, den ich kennenlerne. Als Schmied ist man sehr nah an der Gesellschaft dran und das finde ich wichtig. Mir geht es darum, Kultur mitzuprägen und eine Rolle zu haben, die eine gewisse Relevanz in der Gesellschaft hat. Und darum, dass ich keine Luxusobjekte mache, die keiner braucht und die nur in einer Galerie zu sehen sind. Ich bringe etwas ein, nach dem es auch ein Bedürfnis in der Gesellschaft gibt.
DU UNTERRICHTEST SEIT 2009 AN DER UNI IN GÖTEBORG METALLGESTALTUNG. WIE GEFÄLLT ES DIR DORT?
Ich habe dort ein Team von vier Lehrern um mich und muss also nicht immer vor Ort sein. Mir macht das Unterrichten total viel Freude. Es gibt immer wieder interessante Begegnungen mit Menschen, die mir neue Perspektiven aufzeigen. Dank der Uni entwickle ich mich ständig weiter, ich hinterfrage meine Arbeit und werde gleichzeitig von den Studenten hinterfragt.
Ich habe immer versucht, von mir selbst eine Entwicklung einzufordern. Ich versuche als Professor an der Uni mein Netzwerk, meine Erfahrungen weiterzugeben, aber auch, dass man Fehler machen sollte, denn nur daraus lernt man. Und dass man den Kopf ab und an mal aus seiner eigenen Box herausstrecken sollte, dass man offen bleibt für das Leben, für andere Menschen und Kulturen.
DU HAST STIPENDIEN IN ANDEREN LÄNDERN BEKOMMEN. WO WARST DU ÜBERALL? UND WO HAT ES DIR AM BESTEN GEFALLEN?
Mit Anfang 20 kam ich nach Montana in die USA. Danach Venedig, England und viele andere Länder – alle Orte hatten dabei etwas ganz Besonderes. Arbeits- und Herangehensweisen sind überall etwas verschieden. Jede Schmiede, jedes Atelier sieht anders aus. Was für mich am Ende allerdings herauskam, war viel wichtiger: Die Freiheit, die ich beim Reisen erlebt habe. Diese Freiheit habe ich so nie wieder irgendwo erlebt. Aber umso länger ich auf Reisen war – insgesamt sechs Jahre lang– desto mehr habe ich geschätzt, was ich zuhause habe. Meine Familie, meine alten Freunde, den Bäcker um die Ecke.
UND DU BIST ZURÜCK GEKEHRT. NACH DEINEN REISEN HAST DU DIE SCHMIEDEWERKSTATT VON DEINEM VATER ÜBERNOMMEN. WIE FÜHLT SICH DAS AN, WIEDER ZUHAUSE UND SO NAH BEI DEINEM VATER ZU SEIN?
Das war 2002, mein Vater war damals erst in seinen 50ern und hat noch gearbeitet. Also standen wir zusammen in der Werkstatt – ich zwei Tage die Woche selbstständig und drei Tage für ihn. Nebenbei habe ich meinen Meister gemacht und mir nach und nach meinen Kundenstamm aufgebaut. Vor allem musste ich auch meinen eigenen Stil finden. Ich höre oft von Leuten, dass sie eine Verbindung erkennen zwischen der Arbeit von meinem Vater und meiner. Wir beide empfinden das dagegen ganz anders. Er würde es niemals so machen wie ich und umgekehrt – aber wir schätzen trotzdem unsere Stile.
BEI ALL DEN PROJEKTEN, DIE DU SCHON VERWIRKLICHT HAST, GAB ES EINES ODER AUCH MEHRERE, AN DIE DU DICH BESONDERS GERNE ERINNERST? WORAN ARBEITEST DU GERADE?
Als ich noch ganz jung war, habe ich viele Arbeiten fürs Ego gemacht, um zu zeigen, was ich kann. In meinen Zwanzigern stand vor allem das Künstlerische im Vordergrund und in den letzten zehn Jahren ist für mich ein wichtiges Thema geworden: Wo ist meine Rolle in dieser Gesellschaft? Sind meine Arbeiten nur eine Reflexion meines Egos oder ist da mehr? Ich möchte Projekte machen, in die ich die Menschen aus meinem Umfeld integrieren kann. Zum Beispiel bei Grabmälern – hier habe ich vor allem einen Dialog mit Menschen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Wir setzen uns gemeinsam hin, reflektieren über den Verstorbenen und setzen ein letztes, visuelles Zeichen.
SIEHST DU DICH EHER ALS HANDWERKER ODER ALS KÜNSTLER?
Ich hab mich in meinen 30 Jahren mit dem Beruf schon als alles Mögliche gesehen – Designer, Bildhauer, Künstler. In den letzten Jahren habe ich immer, wenn mich jemand gefragt hat, einfach gesagt: Ich bin Schmied. Die meisten fragen dann gar nicht weiter. Der, der an dem Punkt aber noch mal nachfragt, was ich genau mache, dem erzähle ich auch gerne mehr dazu.