Zwei Rumänen baten am Landgericht Regensburg vergeblich um Gnade. Sie wandern wegen 150 Gramm Salami ins Gefängnis.
Regensburg. Das ist die Geschichte eines Pärchens, das 150 Gramm „Gebirgsjäger Edel-Salami" im Wert von zwei Euro stiehlt und dafür zusammengerechnet über zwei Jahre ins Gefängnis muss. Und die eines zwölfjährigen Jungen, der dadurch so traumatisiert wird, dass er noch immer im Bett seines Vaters schläft. Schauplatz: das Regensburger Landgericht.
Die beiden Angeklagten, eine 47-Jährige und ein 40-Jähriger, werden in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Es scheint, als hätten sie nicht mitbekommen, dass der Winter längst vorbei ist. Die Frau trägt einen roten Rollkragenpullover und eine rote Jacke. Später wird sich herausstellen, dass sie dieses Outfit auch bei der Tat trug, um die es hier geht: gemeinschaftlicher Raub. Der Mann ist - ganz als hätten sie sich abgesprochen - in einen schwarzen Rollkragenpullover gehüllt. Sie ziehen ihre Jacken nicht aus. Schon bevor es überhaupt losgeht, beginnen sie zu schwitzen.
Die beiden sind Szekler, ein ungarischsprachiger Volksstamm aus dem rumänischen Siebenbürgen. Und sie sind ein Paar - jedenfalls waren sie das noch, als sie im Januar 2015 in Bogen durch die Siedlungen zogen, um zu betteln. Und auch noch, als sie sich im Laufe des Gerichtsverfahrens ins Ausland absetzten. Und sogar dann noch, als sie - längst per Haftbefehl gesucht - im Herbst wieder in die Bundesrepublik einreisen wollten. Da nämlich fielen sie den Grenzbeamten in die Hände. Seitdem sitzen sie in der JVA in Regensburg. Heute im Gerichtssaal blicken sich die beiden nicht einmal an.
Fall bereits zum zweiten Mal vor GerichtDer Fall wird bereits zum zweiten Mal verhandelt. Denn das Urteil des Amtsgerichts in Straubing akzeptierten die beiden nicht. Auch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein - ihr war die Strafe zu niedrig.
Sprung zurück ins vergangene Jahr, nach Bogen in die Arnulfstraße. In einem der Häuser ist ein Zwölfjähriger allein zu Hause. Er sitzt vorm Fernseher und isst ein Nutellabrot, als es klingelt. Ohne nachzudenken, öffnet er die Tür. Und dann geht alles ganz schnell.
Die Angeklagten sagen: Die Frau habe ihm ein Schild gezeigt, darauf stand, sie biete Arbeit an. Dann habe ihr der Junge - wohl aus Mitleid - eine Salami geschenkt. Der Mann war nicht dabei. Der Junge schildert etwas anderes: Beide seien sie da gestanden. Tatsächlich mit einer Tafel - jedoch mit dem Foto eines kranken Kindes darauf. Dann habe ihn der Mann gepackt und mit den Worten „Sei leise!" hinter der Haustüre eingeklemmt. Die Frau sei in die Küche marschiert und habe sich mit Kaffee, Wasser und eben der Edel-Salami eingedeckt. Der Bub befreite sich und konnte ihr alles - bis auf die Wurst - aus der Hand schlagen.
Seit diesem Tag kämpft er mit der Angst. Er erzählt, dass er jede Nacht im Bett seines Vaters schläft. Und dass er nicht mehr alleine rausgeht. Die Angeklagten schütteln den Kopf, manchmal lachen sie etwas hilflos. Und sie wischen sich den Schweiß aus den Gesichtern.
„Der Herrgott soll mir helfen"„Der Herrgott soll mir helfen, er hat alles gesehen!", ruft die Angeklagte dem Richter zu. Sie redet wie ein Wasserfall, fast theatralisch, die Dolmetscherin kommt an ihre Grenzen. „Es tut mir leid", entgegnet der Richter, „aber Gott ist nicht als Zeuge geladen." Auch der zweite Angeklagte präsentiert einen ungewöhnlichen Vorschlag zur Wahrheitsfindung: Er möchte an einen Lügendetektor angeschlossen werden. Auch ihn muss der Richter enttäuschen: „Solche Verfahren sind in der Strafprozessordnung leider nicht vorgesehen."
Am Ende ziehen beide Seiten die Berufung zurück, die Angeklagten nur widerwillig. Damit bleibt das Urteil, wie es ist, und wird rechtskräftig. Die Frau muss für ein Jahr hinter Gitter, der Mann ein Jahr und drei Monate. Der Richter hat am Ende noch einen Trost für die Rumänen: Wenn sie die Hälfte der Haftstrafe verbüßt haben, können sie sich in ihre Heimat abschieben lassen.
Original