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Privattheater"Quotenmessung widerspricht der Kunst"

Privattheater in Deutschland haben es schwer. Sie sind oft auf staatliche Fördergelder angewiesen - für die sie strikte Vorgaben erfüllen müssen. Zwei Fälle aus Hamburg

Eigentlich erwartet man einen großen, prachtvollen Saal, wenn man in die Oper geht. In der Altonaer Kammeroper in Hamburg dagegen ist es klein und gemütlich. Ihr im barocken Stil gestalteter Saal umfasst nur 226 Sitzplätze. Verschieden gestaltete Stühle stehen aneinandergereiht, golden verziert und mit rot gepolsterter Sitzfläche. Auch die Bühne ist klein und im Barockstil gehalten - ihr Portal ist golden, in Prag wurde es geschnitzt. Die Kammeroper ist eines von Hamburgs Privattheatern, also nicht in öffentlicher Hand. Gegründet wurde sie 1996 von Uwe Deeken. Der staatliche Zuschuss beträgt 108.000 Euro im Jahr.

"Für einen Opernbetrieb ist das fast gar nichts", sagt Deeken. Letztes Jahr musste er das Theater mit 50.000 Euro selbst bezuschussen. "Das ging einfach nicht anders. Wir machen immer genau die Produktionen, die wir für wichtig halten. Ehe wir die Qualität leiden lassen, machen wir lieber Schulden, die dann beim nächsten Mal reingeholt werden müssen." Ein Besuch kostet hier zwischen 22 und 35 Euro.

Nur sechs Kilometer weiter liegt das Schauspielhaus, Deutschlands größtes Sprechtheater: Hier können 1.200 Besucher gleichzeitig eine Vorstellung besuchen, und das in einem großzügigen Saal. Jährlich erhält das Theater 318.000 Euro von der Stadt, die Förderung ist in den vergangenen vier Jahren um 6.000 Euro gestiegen. "Durch diese finanziellen Vorteile müssen Staatstheater mehr betriebliche Vorgaben erfüllen. Dafür müssen wir Privaten, wenn es hart auf hart kommt, schließen.", sagt Deeken. Eine Platzkarte in der mittleren Preiskategorie kostet im Schauspielhaus etwa 28 Euro. Ohne staatliche Förderung wäre es das Vierfache. Rund 26 Spielstätten fördert die Stadt Hamburg insgesamt, davon sind 22 privat. Doch rund 90 Prozent der Gelder gehen an die vier Staatstheater, der Rest wird unter den Privaten aufgeteilt.

Täglicher Überlebenskampf und "Einschaltquoten"

Wie groß die Konsequenzen dieser finanziellen Ungleichheit sind, zeigt sich an der Entwicklung der Hamburger Theaterszene: Kleine, private Häuser befinden sich in einem ständigen Überlebenskampf. Nicht bei allen ist das fortwährende Ringen um Gelder und ausverkaufte Vorstellungen erfolgreich. So sind das Theater im Zimmer, das Piccolotheater und das Theater in der Basilika bereits aus der Hamburger Theaterlandschaft verschwunden. Im vergangenen Jahr konnte das Theater in der Washingtonallee einer Schließung nur durch die finanzielle Unterstützung des Bezirks Hamburg-Mitte entgehen. Seine zukünftige Förderung ist ungewiss. Härter traf es das Theater N.N. in Eimsbüttel - hier fiel im Herbst 2013 der letzte Vorhang. "Dass wir plötzlich schließen mussten, kam überraschend und war ein ziemlicher Schock", sagt Dieter Seidel, künstlerischer Leiter und Gründer des N.N.

Für private Theater gibt es strikte Vorgaben von der Kulturbehörde: Mindestens 50 Prozent Auslastung sind erforderlich, um eine Förderung zu erhalten. "Einschaltquote" nennen Uwe Deeken und Dieter Seidel diesen Trend. Sie sind sich einig, mit Kunst hat diese Messung nichts mehr zu tun. "Es geht nicht um Inhalte, sondern darum, wer kommt. Und das kann man natürlich steuern - zum Beispiel durch Freikarten. Aber das ist ein völlig falscher Ansatz. Theater ist keine Ware, die ich verkaufen, verschenken und wieder aussortieren kann", sagt Deeken.

Das Theater N.N. lag schon in den Jahren vor der Schließung knapp unter 50 Prozent. "Die sind ja gar nicht so penibel, habe ich zunächst gedacht", erinnert sich Dieter Seidel. Als dann die Zuschauerzahlen sogar ein wenig stiegen, wähnte er sich in Sicherheit. Wegen "nur" 47 Prozent Auslastung wurden dann 2013 plötzlich alle Gelder gestrichen, was das Aus bedeutete.

In seinen letzten drei Jahren erhielt das Theater jeweils 30.000 Euro Fördergeld - damit konnten genau die Mietkosten abgedeckt werden. Davor wurde im N.N. sieben Jahre lang ohne finanzielle Unterstützung der Stadt gespielt. "Mit der Förderung hatten wir weniger diese existenzielle Angst, die einen sonst verfolgt", sagt Seidel. Trotz vieler Protestaktionen konnte das N.N. nicht genug Geld auftreiben, um eine Schließung zu verhindern. Man habe mehr erwartet - von der Kulturbehörde, aber auch von den einzelnen Parteien, die direkt angesprochen wurden. "Die Kulturbehörde bedauert sehr, dass die Entwicklung des Theaters N.N. eine weitere institutionelle Förderung nicht rechtfertigt", sagt Behördensprecher Enno Isermann.

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