Werbeplakate können nerven und im Auge weh tun. In Angolas Hauptstadt Luanda aber dominieren sie mancherorts das Stadtbild. Denn von früh bis spät wird plakatiert. Aktivisten sprechen schon von visueller Verschmutzung. Können striktere Regeln helfen?
Eduardo Zongos ist ein besonders eifriger Arbeitnehmer. Für sein Unternehmen, das Klimaanlagen installiert und repariert, fährt er regelmäßig durch Angolas Hauptstadt Luanda und macht Werbung. Heute hat er sich eine besonders sichtbare Stelle im Stadtviertel Palanca ausgesucht: eine Verkehrsinsel. Er bringt den großen Aufdruck mit dem Emblem seines Arbeitgebers kurzerhand unterhalb der anderen Plakate an, die schon dort hängen. Die Verkehrsschilder sind nun gar nicht mehr zu sehen.
Eduardo hat sich noch nie um eine offizielle Genehmigung gekümmert. Er startet seine Werbeaktionen immer auf eigene Faust. Die anderen hätten schließlich auch keine Lizenz, ruft er. Und obwohl jeder seine Plakate an der strategisch günstigsten Stelle anbringen möchte, gelten ungeschriebene Regeln. „Man muss darauf achten, nicht die Werbung des anderen zu überdecken, sonst wird sie irgendjemand abreißen", fügte der junge Mann hinzu.
Im Guerilla-Marketing gelten eigene RegelnAuch Alex, der als Geschäftsführer im Festsaal Lagoa Azul im Viertel Morro Bento arbeitet, praktiziert diese Form des Guerilla-Marketings. Doch schon zwei Mal seien seine Werbetafeln von Kontrollbeamten des Stadtbezirks abgerissen worden, da sie gesetzwidrig angebracht waren. Alex scheint dadurch dazu gelernt zu haben. „Nach einer Woche habe ich die Werbeplakate wieder aufgehängt. Aber diesmal hat sich mein Chef sogar um eine Lizenz gekümmert."
Dona Neusa, Filialleiterin eines Supermarktes, kennt die andere Seite der Medaille nur zu gut. Sie leidet unter den Reklametafeln, die überall um ihr Geschäft herum stehen. Ihr Laden befindet sich in der Nähe einer großen Bushaltestelle - eine attraktive Lage, nicht nur für sie. Jede Woche aufs Neue muss sie mitansehen, wie Tafeln aufgestellt werden. So kam es, dass die Wände des Supermarktes zu einer Werbefläche für Ungeziefervernichtungsmittel, Instandhaltungsunternehmen oder Partys wurden. „Wir haben bereits unzählige Male versucht, die Plakate abzureißen. Aber sobald wir das Geschäft um 22 Uhr schließen, kommen sie zurück und bringen sie wieder an. Wir sind es leid", beklagt die Geschäftsführerin. Ihre eigenen Werbeplakate gehen in diesem Wust schon lange unter.
Maximal einen Meter breitEigentlich unterliegen Reklametafeln in Luanda engen Vorgaben, was Größe und Positionierung angeht. Die seit drei Jahren bestehende Richtlinie besagt beispielsweise, dass die Eisenstangen, an denen sie angebracht sind, mindestens drei Meter hoch sein müssen. Die Tafel selbst darf eine Breite von einem Meter nicht überschreiten. Und eigentlich dürften sie nur in Anwesenheit von Kontrollbeamten aufgestellt werden. „Wir verhängen auch Bußgelder", betont die Generalsekretärin der Werbeabteilung der Provinzregierung, Vanúzia Sambo. 2.252 Kwanza (umgerechnet 17 Euro) beträgt die Strafe - und damit so viel wie eine jährliche Werbelizenz. In den meisten Fällen versuchen die Behörden das Plakat zu entfernen und den Fall an eine Anwaltskanzlei zu übergeben. Doch auch Sambo muss zugeben: „Kaum sind wir weg, hängen die Dinger wieder. Wenn wir die Unternehmen dann kontaktieren, behaupten viele von ihnen, sie hätten die Plakate nicht selbst angebracht. Wir geben uns aber trotzdem nicht geschlagen", bekräftigt sie.
Dabei unternimmt die Provinzregierung alles Erdenkliche, um die Situation in den Griff zu bekommen. Auf Anträge für Werbelizenzen antwortet die zuständige Stelle innerhalb von 48 Stunden. Gibt es Zweifel am geplanten Standort oder an der Werbetafel selbst, wird ein Kontrollteam geschickt. Da all das nicht hilft, soll es in Kürze eine eigene Sondereinheit geben, die regelwidrig angebrachten Werbetafeln entfernt. „Vor allem am Stadtrand ist die Situation schwieriger, weil dort viele Menschen die Reglementierungen nicht kennen", sagt Vanúzia Sambo.
Eine Frage der StadtplanungJosé Guerreiro, Vorsitzender des Werbe- und Marketingunternehmens AAEPM, kann diese Sichtweise ganz und gar nicht teilen. „Im Stadtzentrum würden sofort mehrere Kontrollbeamte auftauchen", sagt er, „doch am Stadtrand bringen Tausende von Firmen ihre Werbung an und kein Beamter kümmert sich darum." Es gehe also auch um Stadtplanung und die Frage, welcher Bezirk den Aufwand überhaupt wert sei, da ist sich Guerreiro sicher.
Um auf das Problem aufmerksam zu machen, hat sich das Team von AAEPM eine besondere Form der Lobbyarbeit einfallen lassen: Über mehrere Monate haben sie die Situation fotografisch dokumentiert. Noch dieses Jahr soll das Dossier an die Provinzregierung übergeben werden. Die Ziele sind klar: Keine Werbung in Kurven, auf öffentlichen Plätzen, auf Fußgängerbrücken und in Kreisverkehren. „Wir haben endgültig keine Lust mehr auf Werbemüll, schlechte Installationen, lausige Sprache und miserable Formate", bekräftigt der Vorsitzende José Guerreiro. „Mal ehrlich: Auf diesen Werbetafeln stehen die Telefonnummern der Unternehmen. Wenn die Behörden behaupten, sie könnten das nicht kontrollieren, dann ist das einfach nur absurd."
Text: Romao Brandao
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