8 subscriptions and 2 subscribers
Article

DJV-Journalistinnen-Konferenz: Frau macht Medien | f1rstlife

Wie sieht der Arbeitsalltag für Journalistinnen in deutschen Medienhäusern aus? Darüber diskutierten Journalistinnen im Haus der Süddeutschen Zeitung. Die 12. Journalistinnen-Konferenz „Frau macht Medien" des Deutschen Journalistenverbands stand dieses Jahr unter dem Motto „Rasender Stillstand". Andrea Schöne war für f1rstlife mit dabei.

Am ersten Tag war ich etwas nervös, als ich das Gebäude der Süddeutschen Zeitung betrat. Ich war noch nie auf einer Journalismus-Konferenz. „Frau macht Medien" ist eine Journalistinnen-Konferenz, die auch Berufseinsteigerinnen einige Möglichkeiten zur Weiterbildung und Information bietet. Alle zwei Jahre findet die Konferenz immer in einer anderen Stadt statt. In diesem Jahr in München.

Vernetzung, Information, Austausch

Es stand viel auf dem Programm: einige Impulsvorträge, Podiumsdiskussionen, die Vorstellung von Medienprojekten und Workshops. Eines der zentralen Themen waren der Gender Pay Gap. Es wurde hierzu diskutiert, wie sich Journalistinnen gegenseitig am besten stärken können. Dazu diente auch ganz klar der Austausch von Journalistinnen untereinander jenseits des Programms. Gerade für mich als Nachwuchsjournalistin war das die perfekte Möglichkeit, mir weitere Tipps für den Berufseinstieg sowie Kontakte für neue freie Mitarbeiten zu sichern.

Einige Frauenorganisationen stellten ihre Arbeit vor. Die internationale Organisation Business and Professional Women (BPW) bietet beispielsweise gezielt eine Förderung für Studentinnen an. BPW ist eines der größten branchenübergreifenden Berufsnetzwerke für Frauen. Hier können Frauen internationale Kontakte zu anderen berufstätigen Frauen knüpfen und sich gemeinsam für ihre Rechte einsetzen. Weitere wichtige Vereinigungen, die ich auf der Konferenz kennengelernt habe, sind der Journalistinnenbund oder Pro Quote, die sich mehr Frauen in Führungspositionen einsetzen.

Verschiedene Workshops boten die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Für mich waren die Workshops über Rassismus in den Medien besonders interessant sowie die Frage, wie man ein Start-up gründet.

Neue deutsche Medienmacher gegen Rassismus

Sheila Mysorekar, Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher, zeigte in einem Workshop, wie diskriminierungsfreie Berichterstattung über Menschen mit Migrationshintergrund aussieht. Die Journalistin legte dar, wie sich kulturell verankerte Stereotype, beispielsweise über schwarze Menschen oder Sinti und Roma, verfestigt haben. Dabei muss insbesondere beachtet werden, dass nicht klischeehafte Bildsprache verwendet wird, wie beispielsweise bei einem Interview mit einem Dealer, bei dem als Symbolbild schwarze Hände mit Geldscheinen gezeigt werden. Zusätzlich zeigte Frau Mysorekar die historischen Zusammenhänge über die Entstehung von diskriminierenden Stereotypen.

Die Neuen Deutschen Medienmacher setzen sich auch für eine Förderung von Medienschaffenden mit Migrationshintergrund ein. Jeder fünfte Deutsche hat eine, in den Redaktionen aber nur jeder zwanzigste. Im Projekt Vielfaltfinder stellen sie zusätzlich noch eine Expertendatenbank von Menschen mit Migrationsgeschichte zu den verschiedensten Themengebieten zur Verfügung.

Start-up-Gründung selbst gemacht

In einem Start-up zu arbeiten ist voll im Trend. Wie man selbst eines gründet, wissen die wenigsten aus dem Stehgreif. Dazu gab Lina Timm, Leitern des Media Lab Bayerns, Tipps und Tricks, wie man erfolgreich gründen kann. Frau Timm erklärte, dass einige Medienschaffende meinen, sie könnten sowieso nicht gründen.

Viele sind der Meinung, sie haben zu wenig Zeit, brauchen Geld oder finden kein Team. Am Anfang aber lohnt es sich eher, ein Start-up ohne großen Kostenaufwand nebenbei zu betreiben. Am größten ist oftmals die Angst, zu scheitern. An einem Beispiel zeigte Frau Timm, dass sich über die Jahre die Idee komplett verändern kann. Aus Scheitern lernt man.

Ein Gründer muss nach einem Problem suchen, das er mit seinen Fähigkeiten lösen kann. Um herauszufinden, welche Lösung gebraucht wird, hilft es, viel mit anderen Menschen zu sprechen. Gleich danach ging es in die Praxis. Jede überlegte sich eine Idee für ein eigenes Start-up und befragte gezielt die Banknachbarin. So entstand immer konkreter das Gerüst für ein eigenes Start-up-Konzept. Die meisten Ideen kamen im Plenum sehr gut an.

Frauenbild im Journalismus

Laut der stellvertretenden DJV-Bundesvorsitzenden Kathrin Konyen sind Journalistinnen doppelt von männlich geprägten Machtverhältnissen in den Medien betroffen. Zum einen durch überwiegend männliche Vorgesetzte. Zum anderen durch Informanten, die gerne mal versuchen, Informationen durch einen Abstecher ins Hotelzimmer einzutauschen.

Die Chefredakteure, meistens männlich, seien für Maßnahmen verantwortlich, um mehr Frauen in Ressortposten und die Chefredaktion zu bringen. Oftmals verstünden sie ihre Rolle in Sachen Frauenförderung aber völlig falsch. Erst vor wenigen Tagen wurde Frau Bönisch, Chefredakteurin der SZ-Online, von einem männlichen Kollegen auf eine Journalistenkonferenz eingeladen. Dort waren sie zusammen mit ihren Kolleginnen, den Chefredakteurinnen bei Spiegel Online und von Bild am Sonntag, auf einem Podium mit dem Titel „Wie erlebt man Alphatiere". Da Frauen in Chefposten in den Medien sehr rar sind, würden sie oft zum „Herzeigen" von männlichen Kollegen genutzt werden.

So klischeehaft sind Mädchen- und Frauenzeitschriften

Nhi Le, Bloggerin, Slam Poetin und Moderatorin des Content-Netzwerks funk, sprach mit den Journalistinnen darüber, welches Frauenbild in Mädchen- und Frauenzeitschriften vermittelt werde. Dazu hat sie über Wochen die Bravo Girl und die Glamour gelesen. Hauptschwerpunkt der Bravo Girl ist es, Jungen zu beeindrucken sowie die Frage, wie Jugendliche nach außen hin besser ankommen. Nhi stellte auch einige sehr fragwürdige Flirttipps der Bravo Girl vor, die sie auch für „Jäger und Sammler" von funk in einem Video darstellte.

Schaue es Dir hier an:

In der Zeitschrift Glamour sieht es nicht besser aus. Auch hier stehe Selbstoptimierung im Vordergrund und Singledasein sei ganz schrecklich. Den Frauen werde vermittelt, dass sie selbst Schuld seien, wenn sie keine Beziehung hätten. Viele Psychotipps urteilten rein äußerlich über das Leben der Frau und setzten sie herab. Das Frauenbild in Mädchen- und Frauenzeitschriften müsse daher immer kritisch betrachtet werden. Das können Jugendliche in der Regel nur schwer. Alternative Medienangebote seien kaum vorhanden.

Geschlechterrollen bestimmen bis heute Arbeit von Journalistinnen

Ein Podium diskutierte über Rollenbilder von Frauen in den Medien. Im Fernsehen waren laut Professor Dr. Elisabeth Prommer, Direktorin am Medieninstitut für Medienforschung in Rostock, Frauen auch klischeehaft repräsentiert. In der Regel seien die Frauen in jedem Sender jung und schlank und kämen seltener als Männer vor. Quizshows und Abendshows würden ausschließlich von Männern moderiert; nur bei Telenovelas und Soaps kämen Frauen öfter vor.

In den Chefredaktionen von deutschen Zeitungen seien Frauen ebenfalls völlig unterrepräsentiert. Bascha Mika ist da eine Ausnahme. 1998 wurde sie Chefredakteurin in der taz. Damals war sie die einzige Chefredakteurin in einer überregionalen Tageszeitung. Seit 2016 ist sie Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau. Sie meint, gerade bei Printmedien hätten es Frauen besonders schwer, in die Chefetage zu kommen, da gedruckte Medien besonders konservativ seien und Männer bevorzugten.

Für Meredith Haaf, Redakteurin von SZ-Online, bräuchten insbesondere jüngere Journalistinnen Vorbilder, an denen sie sich orientieren könnten, wenn sie beispielsweise Berufsleben und Familie miteinander vereinbaren oder aufsteigen wollten. Journalistinnen müssten auch vielmehr Rechte von Männern einfordern, statt ihre Arbeit nur anzubieten. Frauen seien sich ihren Rechten heute aber immerhin viel bewusster.

Nhi Lee dagegen erlebt immer wieder, wie ihr als junger Journalistin die Professionalität und das Wissen wegen ihres Alters abgesprochen werden. Lange Zeit sei man „die Kleine". Das werde dann so einige Zeit weitergeführt, bis eine Frau als „alte Schachtel" angesehen werde. Einen Übergang gäbe es kaum. Auch hier wirkten einige sexistische Mechanismen nach wie vor.

Fazit zu Frau macht Medien

Als junge Journalistin im Berufseinstieg herrscht auch für mich etwas Unsicherheit, wie man sich in der Medienwelt orientieren soll. Viele junge Journalistinnen sind sich Diskriminierungen bei ihrer Arbeit, nur weil sie Frauen sind, auch gar nicht bewusst. Die Konferenz bestärkte mich, sich nicht von männlichen Strukturen unterkriegen zu lassen. Daher gebe ich jungen Kolleginnen auf dem Weg: Traut euch und kämpft für eure Berufswünsche im Journalismus. „Frau macht Medien" ist da eine gute Möglichkeit, sich gegenseitig als Frauen zu stärken.

Als Journalistin mit Behinderung fühlte ich mich allerdings nicht repräsentiert. Wenn über Vielfalt im Journalismus gesprochen wurde, dann ausschließlich über Frauen mit Migrationsgeschichte. Ich war die einzige Journalistin mit einer sichtbaren Behinderung auf der Konferenz. Aus Gesprächen mit Journalistinnen spürte ich immer wieder Unsicherheit und Berührungsängste oder wurde gar offen darauf angesprochen. Hier muss sich die Medienwelt dringend öffnen und ihre Arbeitsbedingungen an Menschen mit Behinderung anpassen, um umfassende Vielfalt im Journalismus zu bieten.

Hat Dir der Artikel gefallen? Dann hilf uns, gute Inhalte und jungen Journalismus zu unterstützen!

Original