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La dolce vita: Wenn alles auf einmal schief geht

Zurück in Deutschland blicke ich auf meine ersten Wochen in Forlì vor einem Jahr zurück. Den Start meines Auslandsstudiums hatte ich mir deutlich anders vorgestellt. Aber es kommt meistens anders, als man denkt.

Es war mein zweiter Montag in Forlì, als es das erste Mal passierte. Ich kam am späten Nachmittag von meiner letzten Vorlesung und wäre fast mit einem Radfahrer zusammengestoßen. Dieser musterte mich von Kopf bis Fuß und ich hatte ein unwohles Gefühl dabei.


Schnell fuhr ich mit meinem Fahrrad weiter. Doch der Mann folgte mir und stelle mir einige Fragen auf Italienisch. Zunächst hat er mit Smalltalk wie Fragen nach meinem Befinden begonnen. Danach kamen immer privatere Fragen und ich wurde immer unruhiger.

Zum Schluss fragte er mich, ob ich verheiratet bin und ich versuchte, schnell mit meinem Fahrrad zu fliehen, aber leider holte er mich recht schnell ein. Wütend und mit meinen erst mühsam erarbeiteten Italienischkenntnissen schrie ich, dass er mich in Ruhe lassen soll. Dies tat der Mann irgendwann zum Glück auch. Ich blieb mit einem großen Schrecken zurück und machte mich auf den Heimweg.


Leider sollte dies nicht das einzige Mal sein, dass ich diesem Mann begegnete. Zwei Tage später traf ich auf den Mann im Supermarkt und er bot mir seine Hilfe an. Diese lehnte ich ab, da ich mich bei Fremden zu nichts verpflichten wollte. Ich war bereits vorsichtig geworden und reagierte auch nicht auf weitere Versuche des Herrn, mit mir zu sprechen.

Auf dem Heimweg mit meinen Einkäufen lauerte mit der Mann an der gleichen Stelle auf, wo ich ihn beim ersten Zusammentreffen verscheucht hatte. Diesmal war es Abend und ich war alleine auf der Piazza in der Nähe. Keiner konnte mir helfen. Mit lauten Schreien und wütenden Blicken schaffte ich es zum Glück erneut, meinen Verfolger wieder loszuwerden. In diesem Moment erkannte ich, dass dies der Mann war, der mich schon einmal verfolgt hatte.


Nach dieser Erkenntnis wusste ich nicht so recht, was ich tun sollte. Zunächst hatte ich Bedenken, mich an meine Eltern zu wenden. Denn ich hatte Angst, sie würden mir aus Sorge gleich raten, lieber nur ein Semester in Italien zu bleiben. Letztendlich habe ich mich aber doch durchgerungen. Zu meiner Erleichterung haben sie mir nicht mein zweites Semester ausgeredet, sondern mir geraten, zur Polizei zu gehen. Auch meine Freunde aus Deutschland haben, so gut es ging, versucht mir zu helfen.


Gleich am nächsten Tag habe ich die Vorfälle im Auslandsamt der Uni in Forlì gemeldet. Die Sekretärinnen sind mit mir sofort zur Polizei gegangen. Leider konnte ich bei der Polizei keine Anzeige erstatten, da noch nicht genug vorgefallen ist. Das hat mich sehr enttäuscht.

Die Polizisten haben meine Lage dennoch ernst genommen. Erst Recht, da ich mit meiner Behinderung und als Ausländerin mit schlechten Italienischkenntnissen viel schneller angreifbar war. Sie kopierten meinen Personalausweis und forderten mich auf, sofort die Polizei anzurufen, wenn wieder etwas vorfällt. Damit sie auf meinen Anruf schneller reagierten konnten, haben sie sich auch meine Handynummer aufgeschrieben.


(Sprach-)missverständnisse im Studentenwohnheim

Die Verfolgungen waren nicht meine einzige Sorge zu Beginn des Semesters. Die ersten Tage wohnte ich in einem einer Art Hotel von der Uni. Danach stand der Umzug in mein Studentenwohnheim an. Leider nannte mir niemand einen konkreten Einzugstermin, sodass ich mich auf Anfang Oktober berufen hatte. Dieser Tag wurde Monate vorher als mein Einzugstermin genannt.


Meine ersten Freunde halfen mir, meine Sachen zum Studentenwohnheim zu bringen. Zu meiner Überraschung wusste dort niemand etwas von meinem Einzug an diesem Tag. Daher bekam ich eher provisorisch mein Zimmer und den Mietvertrag.

Die Verfolgungen machten mir psychisch sehr zu schaffen. Zur gleichen Zeit musste ich noch eine Hausarbeit für einen Kurs in Deutschland fertig schreiben und viele verschiedene bürokratische Hürden überwinden. Ich war überfordert mit der Situation und leider klappten die bürokratischen Arbeiten im Studentenwohnheim wegen sprachlicher Missverständnisse sehr schlecht.


Ich konnte aus mir unbegreiflichen technischen Gründen die Miete nicht mit meiner Kreditkarte bezahlen und es kam zu Auseinandersetzungen, weil ich so verzweifelt war, dass ich mich sprachlich so schlecht ausdrücken konnte. Dann missachtete ich auch noch mehrfach unwissentlich die Hausordnung, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich bekam eine Abmahnung.


Völlig verzweifelt, da zu dieser Zeit einfach nichts funktionierte, stellte ich mich dem Gespräch. Während der ersten Tage stellte ich auch enttäuscht fest, dass in dem Studentenwohnheim keine Austauschstudenten waren und ich niemanden kannte. Der Weg zur Uni war sehr weit. Daher wollte ich lieber gleich ganz aus dem Wohnheim ausziehen und mit ein Zimmer in einer WG suchen. Dies äußerte ich auch gegenüber den Vertretern der Uni, als es zu einem Gespräch wegen der Verstöße gegen die Hausordnung gab. Bis ich ein WG-Zimmer finden würde, sollte ich noch im Studentenwohnheim bleiben.


Kaputtes Rad und die Hürde Behinderung

Zu allem Übel war dann auch noch mein Fahrrad kaputt, das ich wie einen Rollstuhl als Hilfsmittel nutze. Die Radgeschäfte in der Nähe wollten mir nicht weiterhelfen und meine Orts- und Sprachkenntnisse waren zu schlecht, um nach weiteren Geschäften zu suchen. Da ich mir gar nicht mehr helfen konnte, kamen am Ende meine Eltern, um die Reparatur zu machen.


Auch meine Behinderung stellte sich als Hürde heraus, da ich am Anfang nicht fit genug war, um mit den anderen immer überall mithalten zu können. Der Weg zur Uni von ungefähr drei Kilometern war für mich viel zu weit und ich waren jeden Tag wegen den Anstrengungen sehr müde.


In meinem Wohnheimzimmer war alles für Rollstuhlfahrer angepasst, aber nicht für Kleinwüchsige. Daher musste ich erneut auf alles klettern. Ohne einen Schemel konnte ich nicht einmal mein Bett erreichen. Dennoch wollte ich nicht aufgeben und habe versucht, trotzdem zu einigen Veranstaltungen zu gehen.


Trotz der vielen Probleme hatte ich auch einigen Spaß in meiner Freizeit. Welche Aktivitäten mir im ersten Semester besonders in Erinnerung geblieben sind, erfahrt ihr in meinem nächsten Bericht.
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