Zunächst stellt sich die Frage: Was genau ist eine Stammtischparole?
Eine Stammtischparole ist eine politische oder gesellschaftliche Meinungsäußerung, die durch Vereinfachungen, Populismus und pauschale Schuldzuweisungen gekennzeichnet ist. Menschen, die solche Parolen vertreten, bedienen sich dabei einer herablassenden Ausdrucksweise. Sie diffamieren Personengruppen oder Einzelpersonen. Dabei verallgemeinern sie gerne und benutzen Stereotype. Sie meinen, die Wahrheit zu besitzen und versuchen dies rhetorisch zu vermitteln. Ihre Sprüche sind reine Statements, völlig unbegründet und ohne Beweise. Da „Sprüchereißer" oder „Sprücheklopfer" ebenfalls diffamierend ist, wird in diesem Artikel von Gesprächspartner beziehungsweise dem Diffamierenden gesprochen.
* Was will derjenige erreichen, der Andere diffamiert?
Der Diffamierende will sich mit seinen Aussagen lediglich selbsterhöhen und von anderen Gruppen abgrenzen. Dabei legen die Diffamierenden oft eine „Schwarz-Weiß-Malerei" an den Tag, ganz nach dem Motto: „Bist du nicht für mich, dann bist du gegen mich." Viele wollen sich selbstdarstellen und haben ein geringes Interesse an einer Diskussion zu dem Thema.
* Wie kann ich reagieren? - Erfahrungswerte
Ich selbst bin seit mehr als einem Jahr bei Amnesty International aktiv und habe dabei auch schon Erfahrungen mit Diffamierungen jeglicher Art gemacht. Sehr aufschlussreich war für mich ein Workshop von Amnesty mit Tipps, wie man auf Stammtischparolen reagieren sollte. Am Ende des Seminars übten wir alle die Tipps durch ein Rollspiel ein, wobei einer der „Sprüchereißer" war, der andere dagegen hat argumentiert und einer war Beobachter.
* Was meinst du damit? Nachfragen
Anhänger von Pegida demonstrieren in den verschiedensten Städten Deutschlands mit Slogans wie „Für die Erhaltung unserer Kultur." Dabei kannst du deinen Gesprächspartner zum Nachdenken bringen, indem du seine Aussagen hinterfragst. Was kennzeichnet die deutsche Kultur? Durch deine Fragen weist du deinen Gesprächspartner auf seine Widersprüche und absurde Aussagen hin.
* Ruhig bleiben
So schwer es einem auch manchmal fällt, versuche deinem Gesprächspartner gegenüber ruhig zu bleiben. Bist du ruhig, dann muss sich dein Gesprächspartner auf dich konzentrieren. Dadurch erhältst du viel mehr Aufmerksamkeit.
* Mit Fakten taktisch punkten
Viele Bürger informieren sich leider nur sehr einseitig über das Weltgeschehen und schauen nicht über ihren Tellerrand. Oft bin ich schon der Behauptung begegnet, dass alle Flüchtlinge in Deutschland nur Wirtschaftsflüchtlinge sind und sich im deutschen Sozialsystem ins gemachte Nest setzen. In diesem Fall entgegne ich meinem Gesprächspartner, dass man die Gründe zur Flucht aus der eigenen Heimat nicht pauschalisieren sollte.
Die meisten Flüchtlinge im Jahr 2014 in Deutschland stammen, laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zu über 28 Prozent aus Syrien und flohen vor Bürgerkrieg und dem blutigen Regime Assads. Laut der neusten Bertelsmann-Studie stimmt es zwar, dass die Flüchtlinge zunächst Leistungen aus dem Sozialsystem beziehen. Erhalten die Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis, zahlen sie allerdings auch Lohn-, Einkommenssteuer und Sozialabgaben. Viele Flüchtlinge kommen mit einer sehr guten Berufsausbildung nach Deutschland, davon können auch wir profitieren. Flüchtlinge zahlen statistisch gesehen mehr in das Sozialsystem ein als sie beziehen.
Es hilft sehr, wenn du die eigene Argumentation mit Fakten untermauerst, die auch nachweisbar sind. Viele Organisationen wie PROAsyl, Amnesty International, Human Rights Watch und Bundesämter veröffentlichen regelmäßig überprüfte Fakten über Menschenrechtsverletzungen und Flüchtlinge. Dabei musst du jedoch bei deiner Argumentation taktisch klug vorgehen und die Fakten richtig dosieren. Sonst verfällst du leicht in die Rolle des Oberlehrers und der Diffamierende schaltet auf Durchzug.
* Schaffe einen persönlichen Bezug zum Thema
Um die Flüchtlingsrechte in Europa zu stärken, habe ich Unterschriften für eine Petition von Amnesty International gesammelt. Dabei bin ich leider nicht immer auf Zustimmung der Passanten getroffen und habe versucht, sie zu überzeugen. Oft habe ich meine Gesprächspartner überzeugen können, indem ich einen Bezug zu ihrem Leben hergestellt habe. Wie würde es dir gehen, wenn du quer durch die Wüste fliehen musst, dich einem Schlepper anvertraust und auf einem Schiff vergleichbar mit einer Walnussschale durch das Mittelmeer fährst, immer mit der Angst zu ertrinken im Hinterkopf. Auch hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt, da Erwachsene meiner Erfahrung nach sich von jüngeren Menschen leider oft nichts sagen lassen wollen.
Man kann die Menschen daran erinnern: Zu den Zeiten des Dritten Reichs mussten aus Deutschland Millionen Menschen fliehen und befanden sich so in der gleichen Situation wie Flüchtlinge heute aus Syrien, Irak und vielen anderen Ländern der Welt. Nur leider wollen ein paar Leute heute nichts mehr davon wissen und verschließen sich den Flüchtlingen heute völlig. Beachte die Lebensumstände deines Gesprächspartners. Wenn dein Gesprächspartner beispielsweise von der Thematik selbst betroffen ist, wird er ganz anders reagieren.
* Lass dich nicht ablenken
Setze dich erstmal mit einer Parole auseinander und diskutiere diese mit deinem Gesprächspartner. Er versucht in der Regel zunächst alle seine Sprüche rauszuhauen, damit du ihm nichts mehr erwidern kannst. Konzentriert du dich aber darauf auf die erste Aussage Argumente zu finden, ist es viel leichter, dass du das Gespräch anführst.
* Setze deinen Gesprächspartner nicht herab
Auch wenn es sehr schwer sein kann, so viele diskriminierende Parolen auf einmal zu hören, setze deinen Gesprächspartner nicht herab. Unterscheide zwischen seiner Person und seinen Ansichten. Ansonsten verhärtet das nur die Fronten.
* Nimm deinen Gesprächspartner ernst
Vielleicht hat dein Gesprächspartner einmal Recht, dann widerspreche ihm auch nicht. Sonst fühlt sich der andere nicht als sinnvoller Gesprächspartner ernst genommen. Es gibt Flüchtlinge, die stehlen oder andere Straftaten begehen. Versuche besser deinen Gesprächspartner darauf hinzuweisen, nicht zu pauschalisieren. Straftaten werden auch genauso von Deutschen begangen.
* Such dir Verbündete
Diskutierst du mit einer Gruppe und fühlst dich, als würdest du mit deinem Gesprächspartner wie mit einer Wand sprechen, dann wende dich an die anderen Gruppenmitglieder und versuche diese zu überzeugen. Oft ist es viel einfacher, die Mitglieder einer Gruppe anstelle ihres „Sprechers" zu überzeugen.
* Wenn nichts hilft, das Gespräch beenden Leider gibt es aber auch immer wieder Leute, die sich von nichts überzeugen lassen. Dann ist es besser du gehst, bevor die Situation eskaliert.
Die aktuellen Zahlen über Flüchtlinge in Deutschland bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: http://www.bamf.de/DE/Infothek/Statistiken/Asylzahlen/asylzahlen-node.html
Interessante und wichtige Informationen über das Asylverfahren in Deutschland erfahrt ihr auf der Homepage von PROAsyl: http://www.proasyl.de/
Diese Broschüre von PROAsyl und der Amadeu Antonio-Stiftung enthält viele gute Argumente bei einer Debatte über Flüchtlinge: http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2014/Broschuere_Pro_MR_Contra_Rassismus_Web.pdf