Kein Hackathon ohne Booksprint, das ist die Regel, erst recht natürlich, wenn es darum geht, die Buchbranche zu hacken, so wie auf der ersten Electric Book Fair, die im Juni 2014 in der Berlin-Weddinger Coworking- und Eventzone „Supermarkt" stattfand. Kaum war die Messe vorbei, gab's auch schon ein elektronisches Kompilat im epub-Format - und zwar zur „Ästhetik des E-Books". Urquell dieser Debatte ist nicht so sehr die Messe selbst, sondern der legendäre Anti-E-Book-Rant von Friedrich Forssmann, dem Suhrkampschen Setzer von Arno Schmidts voluminösen Typoskriptromanen.
Die meisten der im E-Book versammelten Texte sind denn auch Repliken auf Forssmanns im Februar 2014 via Suhrkamp-Blog gepostete Philippika „Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt" (schon die Überschrift ist übrigens Quatsch), deren tl;dr-Version so geht: „E-Books sind ein Unfug, ein Beschiß und ein Niedergang!".
Als eine der ersten antwortete damals Zoe Beck. „Das eBook schmutzt, nässt und ist bissig. Außerdem ist es ständig besoffen und kotzt überall hin", bündelte die Autorin & E-Book-Verlegerin in ihrer Replik auf die Forssmannsche Polemik die Phalanx der Vorurteile recht saftig. Doch die „Grabenkampf- und Schlammschlachtdiskussion eBook vs. Papierbuch" sei eigentlich eher traurig - laufe sie doch auf eins hinaus: „Die Unterstellung, ein eBook sei per se Müll".
Man kann natürlich auch quasi systemtheoretisch-manichäisch argumentieren wie Christiane Frohmann: „E-Books sind keine Bücher". Die Salonière & Startup-Verlegerin behält sich vor, ihre Vorteile ungeniert zu genießen: „Ich liebe die strukturelle Offenheit von E-Books. Ich liebe die Möglichkeit, in einem Text lesend hin- und herzuspringen. Von drinnen nach draußen und wieder zurück. Im E-Book sind Sachen Wirklichkeit geworden, von denen Bücher träumten. Ich liebe und nutze die 30.000-E-Books-am-Strand-Option". Als umtriebige E-Publisherin mit geringem Budget liebt Frohmann E-Books natürlich auch, plädiert aber eingedenk der ästhetischen Schwächen für einen „regelmäßigen Austausch über typografische Ideale und technische Möglichkeiten" zwischen „Geräteherstellern, Storebetreibern, Appdesignern, Verlegern, klassischen Gestaltern und Lesern"
Die üblichen Verdächtigen, doch es gibt auch ganz besonders verdächtige Verdächtige. Das viele E-Books nicht schön aussehen, so Charlotte Reimann in ihrem „Plädoyer für eine digitale Typografie", sei nämlich insbesondere die Schuld der Verlage: „eBooks werden von den meistens Verlagen als Nebenprodukte angesehen, die Prozesse sind in der Buchproduktion auf Print ausgelegt". Deswegen fehle allein schon die Bereitschaft, Zeit und Geld in gutes Design von eBooks zu investieren. Letztlich habe die Gestaltung von E-Books aber auch mehr mit Webdesign als mit klassischer Print-Typografie zu tun - und Typografen mit Programmier-Know-How seien noch eine seltene Spezies. (Es gibt sie aber, z.B. Fabian Kern, der ein kleines How-To zum Einbinden von Fonts in epubs geschrieben hat).
Doch selbst wenn es noch viel zu tun gibt: Ganz vorne dran sind Digital-Startups wie Frohmann, CulturBooks oder mikrotext schon jetzt, wenn es um die (auch typo-)grafische Gestaltung von E-Book-Covern geht, von der Wiedererkennbarkeit in Thumbnail-Größe bis hin zum Design von Reihentiteln. Das zeigen die Beispiele und Statements in Charlotte Reimanns Beitrag „Netzbilder - Die Covergestaltung von E-Books".
Die Berliner Kommunikationsdesignerin Andrea Nienhaus (von ihr stammen u.a. die Cover der Mikrotext-Titel) nähert sich dem Thema Typografie dann noch einmal ganz grundsätzlich: Was sind eigentlich die Kriterien für ein 'schönes E-Book' im Jahr 2014? Einfach, soviel ist klar, ist die Sache nicht. „Es gibt viele Faktoren, darunter die Funktionen der Lesegeräte, die Software, die für das Lesen eines 'schönen E-Books' ausschlaggebend sind, vom Inhalt des Buchs ganz abgesehen".
Was jedoch fehlt, ist ein Schiedsrichter. Die Jury der Stiftung Buchkunst etwa, in Sachen Print die maßgebliche Instanz, fühlt sich bisher außerstande, E-Books zu beurteilen. Eigentlich erstaunlich, denn Buchgestaltung findet schon seit den 1980er Jahren am Computerbildschirm statt, Stichwort: Desktop Publishing. Nienhaus gibt einen kleinen Einblick in ihre Arbeitspraxis als Buchgestalterin für Print und Digital, und zieht das Fazit: „Buch und E-Book unterscheiden sich in der Dateierstellung gar nicht so sehr".