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Wine Future Hongkong 2011

300 Weine aus 30 Anbaugebietenstanden zur Verkostung bereit © André Cis

Wine Future Hongkong 2011

Ein Artikel von André Cis | 24.06.2012 - 00:11


Hongkong, Weinmekka des Ostens, war Anfang November Treffpunkt für den „Wine Future“-Kongress mit der Crème de la Crème des Wein-Business.

 
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Tor zum chinesischen Markt und Weltmetropole mit Aussicht: Hongkong © André Cis

Die Wine Academy of Spain mit ihrem Gründer Pancho Campo MW als Veranstalter erwählte die chinesische Sonderverwaltungszone aus gutem Grund als zweiten Austragungsort nach La Rioja. Seit der Abschaffung von Import-Zöllen und sämtlichen Steuern auf Wein 2008 katapultier te sich Hongkong in kürzester Zeit an die Spitze der weltweiten Weinhandelsplätze. Vor allem Chinas ungebremster „Durst“, insbesondere nach Hochkarätigem aus Bordeaux, verhalf Hongkong 2010 mit einem umgesetzten Handelsvolumen von 164 Mio. US-Dollar an die Spitze der Auktions-Metropolen und verwies sogar New York auf die hinteren Ränge. Master of Wine (MW) Jeannie Cho Lee ist überzeugt, dass durch die steuerbedingte Konkurrenzfähigkeit gepaart mit einem einzigartigen Qualitäts-Sicherungssystem durch die „Hong Kong Quality Assurance Agency“ sowie die günstige geographische Lage, Hongkong auflange Sicht einer der dynamischsten Weinmärkte weltweit sein wird. 

Kongress der Superlative


Star-Önologe Michel Rolland zum Weinbau der Zukunft © André Cis

Nicht kleckern, sondern klotzen war der Tenor der nach Eigendefinition „einer der größten je abgehaltenen Wein-Veranstaltungen in der Geschichte“. Wer Ticketpreise ab € 1.000,– nicht scheute, erlebte an drei Tagen geballtes Weinwissen in zwölf Podiumsdiskussionen und konnte zwischendurch noch Weine von 300 verschiedenen Gütern aus 30 unterschiedlichen Weinbau-Regionen verkosten. „Weinpapst“ Robert Parker jun. sowie Masters of Wine Jancis Robinson und Pancho Campo sorgten mit drei separaten Groß-Degustationen zusätzlich für Furore unter den knapp 1.000 Teilnehmern.


Wirtschaftskrise und Web 2.0

Robert Parker mit Veranstalter Pancho Campo erläutern die drei Groß-Degustationen © André Cis

Dass die weltweite Krise an den Finanzmärkten auch den Weinhandel beein_ usst, wurde gleich im ersten Panel von Liv-Ex-Mitbegründer James Miles bestätigt. Es wurde davor gewarnt, Fine Wine grundsätzlich als Investment-Möglichkeit für das schnelle Geld zu sehen, auch wenn sich das Marktvolumen zwischen 2004 und 2010 vervierfacht hat. Dank neuer Technologien und einer immer besser vernetzten Welt ist es zwar leichter geworden, in dieses Geschäftsfeld einzusteigen, allerdings sorgen transparentere Informationen zu Preis und Verfügbarkeit auch für einen sensibler reagierenden Markt. Ebenfalls kritisch beleuchtet wurde das Thema „Weingut- Kauf bzw. -Beteiligung“, welches in den letzten Jahren vermehrt durch eine immer größere Schar prominenter „Winzer“ in die Schlagzeilen geraten ist. Weinmacher José Manuel Ortega Gil-Fournier erinnerte, dass nur die Passion für guten Wein langfristig eine glückliche Basis für derartige Engagements bildet. Große Hoffnungen hinsichtlich des Konsums richtet man an die heutigen Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien, welche gemessen an ihrer Gesamtbevölkerung nach wie vor einen verschwindenden Prozentsatz an Weintrinkern haben, insbesondere im Vergleich mit Ländern der „Alten Welt“ Europas. Dass neue Technologien und Medien große Möglichkeiten für die Popularität des Weines bedeuten, erörterte eine hochkarätige Runde von Wein-Fachjournalisten unter der Leitung von Tim Atkin MW. „Wine Business Monthly“- Redakteur Cyril Penn betitelte die neue Konsumenten- Generation zwischen 26 und 34 Jahren als die „Millennials“. Auch hier spiele das Thema „Transparenz“ eine große Rolle. Wein- Liebhaber von jung bis alt vernetzen sich und bewerten Weine, Weingüter stehen im direkten Kontakt und Austausch mit ihren Konsumenten. Auffallend dabei ist vor allem der Trend, das Thema „Wein“ aus seinem bis dato eher formalen Rahmen zu heben, um Hemmschwellen für junge Generationen abzubauen und junge Erwachsene vom Wein-Lifestyle zu überzeugen. Richard Siddle vom Harpers Wine & Spirit Magazine warnte vor voreiliger Euphorie und verwies darauf, dass die größten Weinverkäufer in Großbritannien als auch anderswo große Supermarktketten sind. Ihr Erfolg ist dem Kunden-Verständnis geschuldet, welche vor allem auf der Suche nach einem guten Preis- Leistungs-Verhältnis und vertrauensvollen Marken sind.

Regionen und Stile


© André Cis

James Suckling warf die Frage auf, ob qualitativ hochwertige Weine nur „handwerklich“ und in kleinen Mengen herstellbar seien. Insbesondere die spanische Weinikone Miguel Torres widersprach dieser These und führte sein Gut „Mas La Palma“ im katalonischen Penedès als Beispiel an. Torres führte ins Feld, dass auch die Großen am Markt sehr wohl in der Lage sind, Terroir-Weine von hoher Qualität zu produzieren. Hausinterne Maßnahmen zur Qualitätssicherung, welche sich kleine Weingüter so nicht leisten können, schließen hierbei unter anderem Verkostungen mit Fass-Produzenten, Labortests für Kork und Wein sowie ständige Vergleichs-Blindverkostungen mit den großen Weinen dieser Welt an. Eduardo Chadwick, renommierter Weinmacher aus Chile, erklärte, dass man Weltklasseweine auch systematisch konzipieren kann und verwies auf seine Koproduktion mit Robert Mondavi namens Seña. Grandseigneur des Piemont Angelo Gaja erläuterte das Potenzial der aufstrebenden Weinregionen Südosteuropas, insbesondere Moldawiens und Georgiens. „Flying Winemaker“ Michel Rolland unterstrich wiederum das enorme Potenzial, welches der Weinbau in Indien, China und Brasilien hat.

Prickelnde Zukunft, Revival der versetzten Weine

Bei allen Freunden versetzter Weine kam Freude auf, als David Furer und seine Gäste am Podium ein starkes Comeback von Port, Sherry und Co. bekräftigten. Insbesondere die Paarung zu neuen Küchenstilen, auch aus dem asiatischen Raum, bieten dieser Getränkegattung vielfältige Möglichkeiten. Essi Avellan MW, Chefredakteurin des Fine Champagne Magazins, erläuterte ihre Sicht auf die Entwicklung der Schaumwein-Branche. Dabei wird auch in Zukunft der Bedarf nach Champagner die Verfügbarkeiten übersteigen, denn auch hier herrscht enormer Bedarf auf den neuen asiatischen Märkten. Aufgrund der gesteigerten Nachfrage insgesamt dürfen sich Konsumenten auch auf eine größere Auswahl an hochqualitativen Produkten aus anderen europäischen Ländern, aber auch aus neuen Weinbau-Destinationen wie Brasilien freuen, wie unter anderem leidenschaftlich vom Prosecco-Produzenten Gianluca Bisol vorgetragen.

„G‘scheit“ trinken

Unter dem Titel „Bildung zur Einflussnahme auf das Konsumverhalten“ debattierten der Direktor des Wine & Spirit Education Trust (WSET) Ian Harris sowie Wein-Ausbilder und Journalist Kevin Zraly, moderiert von Pancho Campo, mit dem Publikum. Während Harris ein klarer Verfechter von Wein-Bildung sowohl für Pro_ s als auch die Allgemeinheit ist, vertreten Zraly und Campo emotional geprägte Standpunkte. Campo geht dabei sogar so weit und provozierte mit dem Vergleich: „Sie müssen die Technik eines Ferraris auch nicht verstehen, um mit dem Auto Spaß zu haben.“ Hingegen sieht Ian Harris den Schlüssel zum Erfolg, mehr Menschen zu Weintrinkern zu machen, darin, ihnen breit angelegt Information und Bildung anzubieten, um Wein zu „verstehen“.

Viel gehört, nicht so viel erfahren


300 Weine aus 30 Anbaugebietenstanden zur Verkostung bereit © André Cis

Dass der Kongress klar auf den asiatischen Markt zugeschnitten war, merkte man spätestens daran, dass sich die bestgemachten und bestbesuchten Vorträge um asiatische Geschmäcke sowie das dortige Kaufverhalten drehten. Hier brillierten die Masters of Wine Jeannie Cho Lee sowie Debra Meiburg mit ihren Podiumsgästen und vermittelten dem interessierten Fachpublikum wissenswerte Fakten. Nach drei Konferenztagen und ausgetrunkenem Wein im Wert von einer Million Euro bleibt der etwas fade Nachgeschmack, nicht wirklich viel Zukunftsträchtiges von Brancheninsidern erfahren zu haben. Es bleibt die Hoffnung, dass die nächste „Wine Future“ vielleicht etwas weniger Wein, dafür mehr Information bieten wird

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