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Privatisiertes Elend: Eingesperrte Einwanderer unter Trump (dpa-Korr)

Die US-Regierung will mehr Einrichtungen bauen, um Einwanderer ohne Papiere einzusperren. Sie will verstärkt mit Privatfirmen kooperieren. Menschenrechtsorganisationen befürchten das Schlimmste.

Washington (dpa) - Die rigorose Migrationspolitik von Donald Trump ist in vollem Gang. Mehr und größere Gewahrsamseinrichtungen werden nötig sein, um seine Anordnung umzusetzen, Einwanderer ohne Aufenthaltspapiere abzuschieben. Die Regierung des ehemaligen Geschäftsmannes wird wohl vermehrt Verträge mit Privatfirmen eingehen. US-Menschenrechtler sind entsetzt.

Seit Jahren kritisieren und verklagen sie Privatfirmen, weil diese Migranten unter unmenschlichen Bedingungen festhielten und sich auf deren Kosten bereicherten. Schimmel in den Duschen, ungenießbares Essen, mangelnde Aufsicht und Wärter, die Insassen misshandeln und Familienmitglieder trennen – die Liste der Vorwürfe ist lang.

"Jeder, der mit dem Thema vertraut ist, denkt, dass es eine riesige Zunahme an Verträgen mit Privatfirmen geben wird", sagt Paul Wright, Direktor des Human Rights Defense Centers. Für Einwanderer, die bis zur Entscheidung über ihr Schicksal teils über Jahre eingesperrt werden, sei das katastrophal. "Die Bedingungen sind überall sehr schlecht, keine US-Einrichtung ist in Ordnung."

Im Februar 2015 gab es einen Aufruhr in einem Privatgefängnis in Texas. Die Insassen schlitzten mit Rasierklingen Zelte auf und steckten sie in Brand. Die Einrichtung musste schließen. Rund 3000 Gefangene hatte sie beherbergt – die meisten davon Migranten, die abgeschoben werden sollten. Das Gefängnis war immer wieder wegen angeblich miserabler Bedingungen in die Kritik geraten.

"Der Grad des menschlichen Leids war einfach unglaublich", sagte eine Krankenschwester vor Gericht. Nach dpa-Recherchen wird es nun unter demselben Betreiber wieder öffnen, der "Management & Training Corporation" (MTC). Die Firma verhandele mit der US-Einwanderungsbehörde ICE, sagte ein Sprecher. Das County sei in finanziellen Schwierigkeiten, deshalb freuen man sich, die Einrichtung wieder zu öffnen. Das Zauberwort lautet Jobs.

Das US-System der Gewahrsamseinrichtungen (detention facilities) für unautorisierte Migranten ist mit über 200 Anstalten das größte der Welt. Etwa 70 Prozent der Einwanderer sind in Privateinrichtungen untergebracht. Zurzeit sind mehr denn je eingesperrt: Im Schnitt sind es 42 000 pro Tag, schätzt das Menschenrechtsnetzwerk Civic. Schätzungsweise rund elf Millionen Menschen im Land haben kein Aufenthaltsrecht.

Christina Fialho, Anwältin und Geschäftsführerin von Civic, sieht das System unter Trump weiter wachsen: "Er will, dass mehr Firmen profitieren, und dass mehr Einrichtungen gebaut werden." Heimatschutzminister John Kelly wies ICE unlängst an, "die Zahl und Kapazität der Einrichtungen an oder nahe der Grenze zu Mexiko um das Größtmögliche zu expandieren".

Für Gefängnisunternehmen wie Geo Group oder CoreCivic ist das eine Chance, Profit zu machen. Seit Trumps Wahl ist der Aktienwert der Geo Group um rund 96 Prozent und jener von CoreCivic um 123 Prozent gestiegen. Auch haben die Unternehmen US-Medien zufolge zusammen 500 000 Dollar für Trumps Inaugurationsfeiern ausgegeben.

Ende August 2016 hatte das Justizministerium unter der ehemaligen US-Regierung von Präsident Barack Obama beschlossen, die Zusammenarbeit mit Privatfirmen zu beenden. Homeland Security prüfte, nachzuziehen. Doch nach der Wahl Trumps entschied es anders – vor allem aufgrund "fiskalischer Überlegungen". Im Februar hob auch das Justizministerium die Verfügung Obamas wieder auf.

Privatfirmen hätten aber den Profit vor Augen, nicht die Sicherheit und Gesundheit der Einwanderer, sagt Anwältin Fialho. Sie versuchten, an allen Ecken und Enden zu sparen. "Das System wurde geschaffen, weil Unternehmen eine Melkkuh darin gesehen haben, Menschen für Profit einzusperren."

Bis Anfang der 1980er waren ihr zufolge nur ein paar Dutzend Migranten in Gewahrsam; heute sind es Zehntausende. Das hänge damit zusammen, dass in den 1980er Firmen begonnen hätten, Lobbying zu betreiben. Zwischen 1994 und 2013 ist das System Studien zufolge um das Fünffache gewachsen. Heute wird es pro Jahr mit etwa zwei Milliarden US-Dollar an Steuergeldern finanziert.

In einer Studie des Detention Watch Networks (DWN) heißt es, Firmen wehrten sich mit Händen und Füßen dagegen, die Öffentlichkeit über ihre Aktivitäten zu informieren. Auch bei schweren Mängeln würden sie nicht zur Rechenschaft gezogen.

Eine dieser Privateinrichtungen liegt in Eloy, US-Bundesstaat Arizona. 14 Migranten sind seit 2003 laut dem DWN dort umgekommen, einige haben Suizid begangen – doch die Betreiber hätten kaum etwas getan, um das zu verhindern. 2014 wurde eine Klage gegen die Geo Group eingereicht. Zehntausende Migranten hätten zwangsgearbeitet, die Firma habe sich auf ihre Kosten bereichert.

Die Unternehmen geben kaum Auskunft. Geo Group sagte der dpa lediglich, ihre Einrichtungen seien "sicher und human". MTC weist online in einem Text über die "Mythen über Vertragsgefängnisse" jeden Vorwurf von sich. ICE war trotz mehrmaligen Nachfragens nicht zu einer Stellungnahme bereit.

"Die Gefängnisfirmen haben keine richtige Opposition in den USA", sagt Paul Wright. Niemand wolle den Widerstand finanzieren, während die Unternehmen Millionen für Lobbying ausgäben. Seit Jahrzehnten seien die schlechten Bedingungen in den Privatanstalten bekannt. "Jeder weiß es, aber niemanden interessiert es."

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