Sommer 2017 in Münster. Die alle zehn Jahre stattfindenden „Skulptur Tage" stehen bevor, als die Kommissare Thiel und Krusenstern einen grausigen Fund machen: Das Kunstwerk einer Clownsfigur, prominent vor dem Rathaus platziert, entpuppt sich als fein säuberlich in Pappmaché gehüllte Leiche. Der Ermordete ist ein ehemaliger Münsteraner Stadtrat, der wegen Missbrauchsvorwürfen seinen Posten verloren hat, gegen eine Strafzahlung aber freigesprochen wurde. Wer wollte ihn so sehr verurteilt sehen, dass er seine Leiche als Witzfigur im wahrsten Sinne des Wortes inszenierte?
Schnell fällt der Verdacht auf den Künstler Zoltan Rajinovic, ein unter dem Alias „G.O.D." auftretender Exzentriker. Als der Gerichtsmediziner Boerne dann auch noch zu dessen Meisterschüler auserkoren und der Fall immer skurriler wird, taucht eine zweite Leiche kunstvoll verpackt als Skulptur auf, gefolgt von einer dritten. Noch bevor der verschrobene Sohn der Kuratorin, der es faustdick hinter den Ohren hat, unangenehm auffällt, lacht sich diese ins Fäustchen, denn der Skandal ist perfekt: Alle Welt blickt auf Münster, pünktlich zur Veranstaltungseröffnung.
Wie sehr trifft es die Kunstszene, dass sie im Film so dargestellt wird, als ginge sie über Leichen? Und kann ein Künstler ohne medizinische Ausbildung problemlos eine Leiche einbalsamieren? Wir haben Experten gefragt.
***
Frage 1: Bei der Obduktion stellt Gerichtsmediziner Boerne fest, dass der Leiche postmortal ein Schnitt an der Halsschlagader zugefügt wurde (Minute 8). Woran erkennt er das?Antwort von Univ.-Prof. Dr. med. Eva Wardelmann (Direktorin des Gerhard-Domagk-Instituts für Pathologie der Universitätsklinik Münster):
Bei einem prämortalen Schnitt in die Halsschlagader, also vor dem Ableben des Patienten, würde es in die Halsweichteile hinein, also in das Fettgewebe und die Muskulatur bluten. Diese Blutung könnte man im Gewebe sehen. Wenn das Opfer aber bereits gestorben ist, blutet es in der Regel zwar aus dem Gefäß heraus, wenn das Blut noch nicht geronnen ist, allerdings blutet es nicht mehr in das Gewebe hinein. Somit kann man schon erkennen, ob der Täter erst nach dem Tod die Halsschlagader des Opfers aufgeschnitten hat.
***
Frage 2: Boerne stellt außerdem fest, dass der Leichnam einer Thanatopraxie unterzogen wurde, sprich: zur Verzögerung der Verwesung hat der Mörder das Blut des Opfers durch Formalin ersetzt (Minute 11). Boerne erklärt, eine solche Praxis sei problemlos mit einer Pumpe von einer Person ohne medizinische Ausbildung durchführbar. Halten Sie es für glaubhaft, dass dies einem Laien gelingt? Antwort von Eva Wardelmann:Ja, das ist durchaus denkbar. Natürlich braucht man eine gewissen Fingerfertigkeit, um das Formalin in die Venen der Leiche zu bekommen. Ich vermute aber, dass es dazu mittlerweile Anleitungen auf YouTube gibt. Ein Laie, der weiß, worauf es ankommt, kann sich das problemlos aneignen.
Frage 3: Stimmt es, dass der Todeszeitpunkt, so Boerne (Minute 11), nach einer Thanatopraxie tatsächlich nicht mehr auszumachen ist? Antwort von Eva Wardelmann:***
Frage 4: Der Künstler Zoltan alias „G.O.D." wird in seinem Atelier gefilmt, wie er ein komplett erhaltenes menschliches Skelett „bearbeitet". Ist es denkbar, dass ein Künstler einfach so an ein menschliches Skelett kommt?Ja, denn das Problem ist, dass damit sichere Zeichen für einen Tod wegfallen: die Leichenstarre oder Leichenflecken. Auch ist nicht mehr festzustellen, wie schnell die Körpertemperatur sinkt. All diese Parameter ändern sich nach einer Thanatopraxie, denn wenn das Blut durch Formalin ausgetauscht wurde, kann es nicht mehr aus dem Gewebe austreten.
***
Antwort von Eva Wardelmann:
Bevor ich mit meinen Kollegen darüber diskutierte, hätte ich gesagt: Der Künstler muss Kontakte nach Osteuropa haben oder zu irgendwelchen illegale Kanälen. Aber dann wurde ich eines besseren belehrt. Über das Internet sollte das keine große Kunst sein, und sobald Sie sich über Deutschlands Grenzen hinweg bewegen, sind Skelette relativ leicht zu bekommen.Teilweise kann man Skelette sogar auf Flohmärkten kaufen; diese stammen dann vielleicht aus Südostasien. Solch ein sorgloser Umgang mit menschlichen Knochen ist in Deutschland aber natürlich nicht so ausgeprägt. Aber bedenken Sie den medizinischen Bedarf. In nahezu jeder Schule war oder ist es für den Biologieunterricht üblich, mit einem menschlichen Skelett zu arbeiten. Vielleicht kennt der „Tatort"-Künstler ja über ein paar Ecken Lehrpersonal.