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An Schärfe verloren

An Schärfe verloren

Nicht immer so guter Stimmung: Anthony Kiedis (hier beim Auftritt der "Red Hot Chili Peppers" im Sommer in Nürnberg) ist ein launischer Star.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die "Red Hot Chili Peppers" in der Olympiahalle


Alle paar Jahre bemühen sich Anthony Kiedis und Michael "Flea" Balzary, die biologische Uhr ihrer Band zurückzudrehen. Neubeginn bei Stunde Null. Wahlweise schenken unverbrauchte Kollegen den Red Hot Chili Peppers frische Impulse, wahlweise hilft ein neuer Produzent dabei, noch ein Album hervorzuzaubern. So schwebt nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit nicht mehr die mystische Gestalt von Rick Rubin über dem Werk der kalifornischen Rockhelden; das elfte Album ist - zum ersten Mal - unter der Regie von Brian Burton alias Danger Mouse entstanden. "The Getaway" bietet zwar Platz für funkige Nummern wie "Go Robot" oder rustikale Punksongs wie "Detroit". Abgesehen von "Dark Necessities" findet man allerdings keine Songs mit Hit-Potenzial.


Ob es deshalb nur vier Nummern der neuen Platte auf die Setlist zum München-Gastspiel in der Olympiahalle geschafft haben? "Can't Stop" eröffnet den Abend, eine sichere Nummer, die das Publikum, das alle Altersgruppen vereint, sofort in Feierstimmung bringt. Es folgen bewährte Hits aus den Vorgängeralben, die Kiedis der Reihe nach herausschüttelt. Viele der Besucher kennen jede Zeile auswendig, und auch nach mehr als drei Jahrzehnten gelingt es den Red Hot Chili Peppers noch, eine ausverkaufte Halle in Ekstase zu versetzen.

Als die Fans "Happy Birthday" anstimmen, zeigt sich Kiedis, der am 1. November Geburtstag feiert, unbeeindruckt. Die Stimmen aus den ersten Reihen verhallen unter den Klängen von "The Adventures Of Rain Dance Maggie". Der Gitarrist Josh Klinghoffer zeigt mit einem stattlichen Solo, was er kann. Trotzdem erinnert man sich mit Wehmut an John Frusciante, der noch immer nicht ersetzt scheint. Denn so versiert Klinghoffer auch sein mag, irgendwie wirken seine Riffs ungelenk und die altbekannte Frusciante-Flea-Chemie fehlt. Ohnehin entsteht kaum ein Dialog mit dem Publikum. Der gesprächige Flea wirkt, als wolle er die mangelnde Präsenz Kiedis ersetzen, der dem Publikum über lange Strecken nur den Rücken zuwendet.


Zwischen den Songs irren die Stars ein wenig planlos umher, mitunter wirkt Kiedis derangiert und deutet seinen Bandkollegen mit schmerzverzerrtem Gesicht an, sie sollen doch bitte mal etwas Ruhigeres spielen. Fast hat es den Anschein, als wolle man durch in die Länge gezogene Gitarren- und Basssoli Zeit schinden, um sich über die weitere Abfolge der Songs zu besprechen. Schließlich verlässt Anthony Kiedis die Bühne, und diese große Band der Rockgeschichte setzt bei der Zugabe mit "Give It Away" zur finalen Jamsession ein. Schade. Früher waren die Chili Peppers schärfer.

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