Die Begeisterung für die Royals irritiert mich. Nach der Verlobung des britischen Prinzen Harry mit Meghan Markle seufzte gefühlt das halbe Internet verzückt. Selbst Bekannte, die sonst bei jeder Gelegenheit für Gleichheit aller und gegen Privilegien Einzelner plädieren und denen ich deshalb nicht einmal die kleinste Tendenz zum Monarchismus unterstellt hätte, sind aus dem Häuschen und verabreden sich schon jetzt zum gemeinsamen Beschmachten der Live-Übertragung im nächsten Jahr.
Schon 2011 verfolgten Millionen die Hochzeit von William und Kate. Es herrscht eine Faszination, die nicht nur Bunte-Leserinnen in Ausnahmezustand versetzt - und ich frage mich: Woher kommt das? Ist es die Sehnsucht nach einem wahr gewordenen Märchen, ein Flashback in die Geborgenheit der Disney-Filme aus der Kindheit? Und warum färbt dabei nichts ab auf den Vatikan, die letzte absolute Monarchie Europas mit prachtvollen Inszenierungen?
Ich glaube, hinter der Hochzeitsfaszination steckt auch eine Sehnsucht nach Idealen, die scheinbar vorgelebt werden. Nach Vorbildern, nach Schönheit und Eleganz. Doch der Schein trügt: Man braucht sich nicht erst an Diana Spencer zu erinnern, um zu erkennen, dass hinter den Fassaden viel Verzweiflung steckt. Wer sich mit ihrer Geschichte beschäftigt, merkt schnell, dass gerade ein übertriebenes öffentliches Interesse zu ihrem Drama wesentlich beigetragen hat. Doch die Verehrung macht auch bei denen, die dies rational erkennen müssten, nicht halt. Die skurrilste Diana-Pilgerstätte Londons steht für mich im Untergeschoss des Luxuskaufhauses "Harrods". Lebensgroße Figuren der Prinzessin und ihres letzten Liebhabers sind vor einem marmorierten Brunnen aufgestellt. Frische Blumen liegen aus, zwei Kerzen brennen vor den Porträts. Ein seltsamer Schrein, eine Kapelle mitten im Kommerz. Für Besucher liegt ein Buch aus, ich blieb an einem Eintrag hängen: "Wenn die reichen Menschen sterben, sollen sie heilig sein, aber es gibt kein Memorial für die Armen." "Heilig" - in der Dokumentation The Story of Diana erzählt ein Freund, wie sich die Menschen nach dem Unfall immer wieder an ihn klammerten: "Weil ich sie gekannt und berührt hatte, dachten sie, sie würden ein bisschen von ihr bekommen, wenn sie mich berühren." Ein Mann als Berührungsreliquie.
Der Anklang des Sakralen überrascht mich dabei nicht, denn das Paradoxe ist: All diese ersehnten Dinge wie Schönheit, große Ideale oder prächtige Inszenierungen finde ich auch in der katholischen Kirche. Was die Inszenierungen einer königlichen Hochzeit angeht, kann die Kirche mit ihren Pontifikalämtern mehr als mithalten. Die Kathedralen wurden dafür gebaut. Und mit den Heiligen bietet die Kirche Idole, ich denke an Katharina von Siena oder Thérèse von Lisieux. Wenn die Kirche das bei großen Events wieder aufleben lässt, ist sie meistens voll. Doch wenn ich begeistert davon erzähle, werfen mir diejenigen Rückständigkeit vor, die sich als Gegner jedes Elitegedankens verstehen und die jetzt so enthusiastisch für die Royals schwärmen. Konsequent finde ich das nicht.