1 subscription and 3 subscribers
Article

Die Maklerin, der chinesische Anleger vertrauen

Maklerin Lin Dattner in ihrem Frankfurter Immobilienbüro. Foto: Peter Jülich

Lin Dattner geht mit schnellen Schritten das Foyer des Wohnhochhauses Axis entlang. Sie grüßt herzlich die Pförtnerin und ein chinesisches Ehepaar, das mit Koffern auf der eleganten Sitzgruppe aufs Taxi wartet. Dann geht es mit dem Aufzug in eines der oberen Stockwerke, das noch nach frischer Wandfarbe riecht. Dattners Schlüsselbund klirrt, als sie mit lässiger Geste auf die verschiedene Türen zeigt: „Die Wohnung hier gehört einer Kundin von uns, Kapitalanlegerin, sie wohnt in Stuttgart. Die da drüben ist klein, 60 Quadratmeter, die haben wir gerade erst vermietet." Schließlich erreicht die Maklerin eine weiße Tür, vor der eine bunte Fußmatte liegt. Die Wohnung dahinter gehört weiteren Kunden von ihr. Eine Familie aus Shanghai hat die großzügige Dreizimmerwohnung mit Blick bis in den Taunus für rund 800 000 Euro gekauft und wohnt jetzt darin - manchmal zumindest. „Sie sind nur einige Monate im Jahr in Frankfurt", erklärt Dattner. „Ihr Kind ist in Deutschland auf dem Internat."

Lin Dattner ist darauf spezialisiert, chinesischen Kunden deutsche Immobilien zu verkaufen - vor allem in Frankfurt. Und sie hat viel zu tun dieser Tage. Die Stadt ist beliebt bei Chinesen. 1000 Wohnungen gingen 2016 an chinesische Käufer, doppelt so viele wie noch im Vorjahr. Vor allem im Europaviertel verkauft Dattners Immobilienfirma Anjia gut. So gut, dass die Chefin erst vor wenigen Wochen ein neues Verkaufsbüro an der Europa-Allee eröffnet hat, im Erdgeschoss des Axis-Wohnturms. So arbeiten sie und ihre Angestellten in unmittelbarer Nachbarschaft zu den aktuellen Vermarktungsprojekten: Dem zukünftigen Grand Tower am Güterplatz und Solid Home, einem weiteren Wohnhochhaus, von dem bislang noch nichts zu sehen ist.

Lin Dattner vom Maklerbüro Anjia Immobilien Consulting. Foto: peter-juelich.com

Chinesische Kunden werden bei luxuriösen Neubauten umworben, die Projektentwickler wissen, dass in China viel Anlagekapital darauf wartet, investiert zu werden. Neben großen Fonds und Superreichen, die Immobilien weltweit „blockweise" kaufen, wie Dattner sagt, gibt es auch viele Kunden, die eher zur gehobenen Mittelschicht gehören. „Wie alle Menschen überlegen sie, wie sie ihr Geld am sinnvollsten anlegen können." Aber die Preise in den chinesischen Großstädten explodierten. Außerdem reguliere die Regierung Immobiliengeschäfte immer stärker, um die Spekulation einzudämmen. Der deutsche Markt gilt als sicher und profitabel zugleich.

Befürchtet Lin Dattner, dass chinesisches Anlagekapital demnächst in Deutschland eine Blase mitverursachen könnte? Die Anjia-Chefin schüttelt den Kopf. Die gesetzlichen Regulierungen in Deutschland reichten aus, außerdem machten chinesische Käufer nur einen kleinen Teil der Immobilieninvestoren aus. „Die Deutschen haben schließlich selber genug Geld, vor allem hier in Frankfurt." Sie zeigt aus dem Fenster, die Europa-Allee entlang: „Die meisten Wohnungen hier gehören Versicherungen und großen Pensionsfonds. Wenn jemand die Preise hochtreibt, dann sie - nicht die Chinesen." Dattner wirkt nicht ärgerlich als sie das sagt, eher amüsiert.

Alle Wohnungen, die chinesische Kapitalanleger erwerben, würden in kürzester Zeit vermietet, stünden also nicht leer. Das sei eher bei den Eigennutzern der Fall. Sie machen etwa 30 bis 40 Prozent der Käufer aus. Viele von ihnen pendelten weiterhin zwischen Deutschland und China. Dank zehn Direktflügen pro Tag von Frankfurt aus, kein Problem. Doch immer mehr Chinesen scheint es ganz nach Frankfurt zu ziehen. Hatten 2010 noch 2200 ihren Erstwohnsitz hier angemeldet, sind es heute fast 4000. Demnächst eröffnet die zweite deutsch-chinesische Kita Frankfurts - natürlich im Europaviertel.

Wer richtig umsiedeln will, braucht einen Job - so will es das Aufenthaltsrecht. Doch auch die Berufschancen für Chinesen in Frankfurt verbessern sich: Waren es früher vor allem Jobs in der Gastronomie oder im Verkauf, arbeiten die meisten heute im Finanz- und E-Commerce-Bereich, in der IT oder im Handel, sagt Polly Yu. Sie leitet den „China Desk", den die Frankfurter Wirtschaftsförderung 2006 gegründet hat, um chinesische Firmen bei der Ansiedlung zu unterstützen. „Die zentrale Lage in Europa und die Nähe zu wichtigen Playern der internationalen Finanzbranche macht die Stadt interessant für Unternehmen." 356 chinesische Firmen gebe es derzeit in Frankfurt, und es würden beständig mehr.

Dass Frankfurt für Chinesen aber nicht ausschließlich ein Ort zum Arbeiten oder Investieren ist, sondern auch Zuhause werden kann, wird sich in wenigen Jahren auf dem Kulturcampus zeigen: Dort wollen rund 50 ältere Chinesen und Senioren in das gemeinschaftliche Wohnprojekt „Sonnenschein" einziehen, den Zuschlag für ein Grundstück hat die Gruppe bereits erhalten. Es wäre das erste Projekt dieser Art in Frankfurt. Eine der wichtigsten Unterstützerinnen ist - wie sollte es anders sein - Lin Dattner.

Original