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Ein Magazin für Lesben

Straight - ein Magazin für feminine Lesben

Seit heute ist das Magazin "Straight" auf dem Markt. Es ist ein Lifestyle-Magazin für feminine Frauen, die Frauen lieben. Das Wort Lesbe wird eher dezent benutzt. Aufsehen löste bereits ein Werbespot mit Double von Angela Merkel aus.

„Straight" kann zwei Dinge bedeuten. Erstens: Gerade, geradeaus, geradeheraus. Zweitens: Heterosexuell. Das neue Magazin „Straight" identifiziert sich mit dem ersten und mokiert sich über das zweite. Es ist ein Heft für Frauen, die Frauen lieben. Seit Mittwoch ist es auf dem Markt. Zunächst in kleiner Auflage, 15 000 Exemplare finden sich in Zeitschriftenregalen Deutschlands. Eigentlich waren weniger geplant, doch die Anfrage der Händler ist groß. Mit einem provokanten Werbespot, indem ein Merkel-Double mit einer Frau kuschelt, erlangte das Magazin bereits große Aufmerksamkeit im Netz. Das Video wurde via Twitter verbreitet.

"Straight" ist handgeschnitzt

Hinter dem Heft steht kein Großverlag wie Gruner und Jahr, der mit aufwendiger Analyse und vielen Konferenzen eine neue Nische für sich entdeckt hat. Es ist ein Herzblutprojekt der Journalistin Felicia Mutterer. „Die Idee, das Magazin zu gründen, kam durch einen sehr persönlichen Ansatz. Für lesbische Frauen ist die Identitätsfindung nach wie vor schwer, gerade abseits der Großstädte. Ich habe mich früher auf dem Zeitschriftenmarkt nicht wieder gefunden ", sagt die Mutterer, die in Münstertal aufgewachsen ist.

Die Idee fürs Heft kam Mutterer schon vor fünf Jahren. Im November 2014 beschloss sie, das Projekt umzusetzen. Aus ihrem Startup „Tchakabum", über den Mutterer zunächst Armbänder vertrieb, machte die ARD-Journalistin einen Verlag. Sie stellte ein Team zusammen, holte Eva Werle und Sven Markschläger als Geschäftspartner, Nadine Lambertz, Andreas Pietsch und Jasmin Acar für die visuelle Gestaltung. Ein Dreivierteljahr und viel Arbeit später, ist die erste Ausgabe fertig. Die meisten Texte der ersten Ausgabe stammen von Mutterer.


Ungewöhnlich gewöhnlich

Das Cover in schwarz-weiß zieren zwei Frauen, die ebenso gut von jedem anderen Cover einer Frauenzeitschrift herunterlächeln könnten. Auch beim groben Durchblättern ist erst einmal kein Unterschied festzustellen. Modestrecken, Interviews, Kolumnen, Beautytipps. Vielleicht ist es genau das, was die Leserin feststellen soll: Erstmal ist da kein Unterschied. Auch die Titelstory über lesbische Frauen am Arbeitsplatz macht mit der Überschrift deutlich, was „Straight" vermitteln möchte: „Kein Bock auf Stigma". Mutterer ist es wichtig politisch-gesellschaftliche Geschichten und Lifestyle-Themen zu kombinieren. Neben einem Artikel zur Homo-Ehe und einem Porträt über einen Samenspender berichtet "Straight", wo es die schönsten Turnschuhe gibt oder wie die Wohnung von Radiomoderation Sonja Koppitz aussieht.


In Deutschland leben schätzungsweise zwei Millionen lesbische Frauen. Eine beachtliche Zielgruppe also. Abgesehen von kleineren lokalen Magazinen, gibt es jedoch nur eine Zeitschrift, das L-Mag, die sich explizit an lesbische Frauen richtet. Die Auflage des L-Mag, liegt bei 17 000. „Für homosexuelle Männer gibt es ein wesentlich größeres Angebot", sagt Mutterer, „ich würde es auch begrüßen, wenn noch mehr Produkte für frauenliebende Frauen auf den Markt kämen".


Plattform für feminine Lesben

 Damit möchte das Magazin auch Frauen (und eventuell auch Männer) ansprechen, die sich selbst nicht zu der Homepage von „Straight" wird das Wort „Lesbe" nur dezent benutzt. Während sich das L-Mag in ihrem kurzen Claim als "Magazin für Lesben" betitelt, beschreibt sich "Straight" als ein Heft für "Frauen, die Frauen lieben" - und genauer: „für Frauen, die sich für Frauenliebe interessieren unabhängig davon, ob sie sie selbst leben oder nur davon träumen."  Ebenso schreibt „Straight", dass es „den feminen Lifestyle in der queeren Commuinity" sichtbar machen möchte. Das klingt wiederum nach Exklusivität. Was ist mit den homosexuellen Frauen, die keinen „femininen" Lifestyle pflegen? „Ich rechne mit Kritik", sagt Mutterer, „die gibt es immer, wenn man etwas macht. Aber mir geht es darum das Angebot vielseitiger zu gestalten, nicht etwas anderes zu verdrängen".


Dennoch, warum wird hier unterschieden? Geht es darum Lesben wie Anne Will und Miriam Meckel hervorzuheben? Personen, an denen sich heterosexuelle Menschen vielleicht weniger stoßen als zum Beispiel an der rustikalen L-Mag-Chefin Manuela Kay? Ist das nicht ein Rückschritt? Nein. Vielmehr ist es Ergebnis eines geläufigen Prozesses bei Subkulturen.


"Femmes" kämpfen an zwei Enden

Während der letzten Jahre hat sich innerhalb der queeren Community die „Femme"-Bewegung etabliert. Zu ihr gehören lesbische und bisexuelle Frauen, die betont feminin sind. „Femmes" kämpfen somit an zwei Enden: Zum einen möchten sie mit dem Stigma brechen, dass „feminin" gleich „heterosexuell" bedeutet, zum anderen damit, dass lesbisch sein verlangt, feminine Züge abzulegen. „Straight" ist ein Ergebnis dieser Bewegung, auch, wenn sich das Magazin nicht explizit auf die "Femme"-Bewegung beruft. Mit fortschreitender Akzeptanz kommt immer der Punkt, an denen sich Communities und Kulturen vermischen und aufspalten. Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Wunsch, sie vor Entfremdung zu schützen und Weiterentwicklung zuzulassen.

Überträgt man das auf den Zeitschriftenmarkt, scheint das größere Angebot für schwule Männer auch eine größere Selbstverständlichkeit für Vielfalt innerhalb der schwulen Community widerzuspiegeln. Mit "Straight" ziehen die Frauen nun nach. Für manche bedeutet das: Um- und Weiterdenken.

„Straight" fängt erst einmal langsam an. In diesem Jahr erscheinen insgesamt zwei Ausgaben für 4,90 Euro. Im kommenden Jahr sollen es sechs weitere geben.

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