Als kleines Mädchen hat sie in ihrem Heimatdorf Ghomikola im Nordiran für die gleichen Rechte wie ihr Bruder gekämpft. Als Studentin in der Küstenstadt Babol wurde sie als Regimegegnerin verhaftet. Als Parlamentskorrespondentin in Teheran erhielt sie wegen ihrer kritischen Berichte Berufsverbot. Im Londoner Exil hat sie die Facebook-Initiative gestartet, die seit 2014 als Plattform der Proteste von Iranerinnen gilt: „ My Stealthy Freedom". Die Rede ist von Masih Alinejad, die heute in New York lebt. Ihr Traum: Irgendwann in ihre Heimat zurückzukehren.
von Alexandra Eul
Masih, wie steht es um die Frauen im Iran?
Sie sind derzeit die lautesten Stimmen, die eine Veränderung fordern. Das macht Hoffnung! Das iranische Regime kann die Frauen nicht länger zum Schweigen bringen. Dafür hat ihr Protest gegen die Zwangsverschleierung zu viel Wucht. Seit 39 Jahren sind die Iranerinnen unzufrieden. Sie hatten nur lange gar nicht die Möglichkeit zu protestieren!
Du hast 2014 einen Frauenprotest im Internet lanciert: My Stealthy Freedom.
Ja, angefangen hatte das alles mit einem Facebook-Foto von mir in London, inmitten einer von blühenden Bäumen gesäumte Allee. Dazu habe ich damals geschrieben: „Immer dann, wenn ich in einem freien Land den Wind in meinen Haaren spüre, erinnere ich mich daran, wie meine Haare unter der iranischen Regierung in Gefangenschaft gehalten wurden." Jede Frau im Nahen Osten, die einen Schleier tragen muss, verstand sofort, was ich damit meine. Auf dieses Foto habe ich unzählige Reaktionen bekommen. Also habe ich als nächstes ein Foto gepostet, das mich unverschleiert im Iran zeigt und gefragt: „Wollt ihre eure geheimen Freiheiten mit mir teilen?" Ab da wurde ich mit Fotos von unverschleierten Frauen bombardiert.
Hast du mit einer solchen Resonanz gerechnet?
Nein, niemals! Ich war anfangs sogar richtig geschockt. Mir war ja selbst über Jahre eingetrichtert worden, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, über den Hidschab zu sprechen. Das war wie eine Gehirnwäsche. Aber als die ganzen Fotos kamen, habe ich begriffen: Es ist Zeit! Die Iranerin, die sich damals als Allererste dabei gefilmt hat, wie sie unverschleiert durch die Straßen gelaufen ist, hat mir letztens noch geschrieben: „Schau Masih, wir haben gesät - und jetzt ist endlich Frühling! Knospen überall!"
Warum jetzt?
Die Frauen haben einfach genug. Schon lange. Genug von der Zwangsverschleierung. Genug von den Vorschriften, was sie tragen sollen. Genug von der Sittenpolizei. Und zu dieser Frustration ist inzwischen etwas hinzugekommen: Social Media! Die iranische Regierung hat Kanonen und Kugeln, sie hat Gewalt und Gefängnisse, sie kontrolliert die Zeitungen und das Fernsehen. Aber wir, die Frauen aus dem Iran, haben Facebook, Instagram, Twitter und Telegram - das sind unsere Waffen.
Was bewirken die?
Sie lassen uns begreifen, dass wir nicht alleine sind. Dass wir nicht auf andere warten müssen, die uns endlich befreien. Wir können uns selbst befreien! Dank „My Stealthy Freedom" sind die Iranerinnen plötzlich sichtbar. Sie bekommen die gleiche Medien-Aufmerksamkeit, wie sonst nur der iranische Präsident. (...)
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