Wer sich in Frankfurt auf Routenplaner wie „Google Maps" verlässt, muss Umwege in Kauf nehmen. Denn nicht alle verfügbaren Verkehrsmittel werden auch angezeigt. Wer also beispielsweise vom Hauptbahnhof zum Dornbusch fahren möchte, dem wird nur eine S-Bahn-Verbindung nach Eschersheim, kombiniert mit einem Fußweg von 20 Minuten, angezeigt. Dabei gibt es direkt am Dornbusch auch eine U-Bahn-Station.
Ähnlich im Nordend: Wer zum Günthersburgpark will, soll von der Konstablerwache aus eine halbe Stunde zu Fuß gehen. Dabei hält direkt am Park die Straßenbahn. Wird der Fußweg zwischen der letzten S-Bahn-Station und dem Ziel noch länger, wird die Verbindung gar nicht mehr angezeigt. Gerade Touristen kann das irritieren, denn sie glauben, weitaus längere Fußwege und weitere Strecken auf sich nehmen zu müssen, als notwendig sind, um von A nach B zu gelangen.
Kaum ein Tourist hat lokale Apps installiertGoogle sammelt schon seit einigen Jahren weltweit Daten von Verkehrsunternehmen, um die Verbindungen anschließend in den Routenplaner „Google Maps", die meistgenutzte internetgestützte Kartenanwendung weltweit, zu integrieren. Auf vielen Smartphones ist „Google Maps" bereits als Anwendung vorinstalliert und dient seinen Nutzern als Wegweiser. Seit September 2012 sind die Fahrpläne der Deutschen Bahn integriert, die auch die S-Bahnen betreibt. Im November desselben Jahres gaben Münster und München als erste deutsche Städte ihre Fahrplandaten an Google weiter. Zu ihnen gehören Bus-, Straßenbahn- und in München auch U-Bahn-Verbindungen.
Andere Städte wie Berlin, Hamburg, Hannover und Duisburg haben in den folgenden Jahren nachgezogen. Frankfurt allerdings nicht. Wer auf direktem Weg zum Ziel möchte, muss auf die Online-Dienste des Rhein-Main-Verkehrsverbunds ( RMV) oder der Deutschen Bahn zurückgreifen. Allerdings hat kaum ein Tourist die Anwendungen des lokalen Verkehrsverbunds auf seinem Handy installiert.
In Zukunft auch Abfragen in EchtzeitDer RMV verweigert die Veröffentlichung, weil er seine Transit-Daten schützen will. „Google will alle Rohdaten von uns, wir bieten ihnen aber nur das fertige Produkt an", sagt ein Sprecher. Das bedeutet, dass Google zwar auf die Fahrpläne und Auskünfte des RMV über dessen Internetauftritt zugreifen kann, jedoch nur unter einer Verlinkung zu der Internetseite. Der RMV will, dass seine Kunden auch weiterhin die von ihm bereitgestellten Online-Dienste in Anspruch nehmen und nicht zur Konkurrenz wechseln.
Der RMV zeigt dort auch Echtzeitinformationen und Verspätungen an - das kann „Google Maps" bisher nicht. Google dürfe zwar bestimmte Schnittstellen benutzen, aber nur zu den Bedingungen des Verkehrsverbunds, heißt es. Diese Vereinbarung will der RMV auch in Zukunft nicht ändern. Nach seinen Angaben ist mit den anderen Verkehrsverbünden abgesprochen gewesen, dass diese ihre Transit-Daten nicht an Google weitergeben.
„Google Maps" erweitert laut dem Fachdienst „9to5Google" sein Kartenangebot um Echtzeitfunktionen der Nahverkehrsverbünde. Bislang hat dies in Großbritannien, den Niederlanden, Budapest, Chicago, Seattle und San Francisco funktioniert. Echtzeitinformationen für Deutschland sollen nach Angaben von Google innerhalb der nächsten zwei Jahren folgen. Damit „Google Maps" jedoch die Echtzeitfunktionen anzeigen kann, muss schon vorher mit den einzelnen Nahverkehrsverbünden zusammengearbeitet werden.
Warum München die Daten an Google weitergabGoogle sieht die fehlende Kooperation einzelner Verkehrsverbünde darin begründet, dass es für diese sehr aufwendig sei, die Transit-Daten an Google weiterzugeben. „Google bleibt aber weiterhin in Gesprächen mit ihnen und möchte die genauen Verkehrsverbindungen aller deutscher Städte mit in sein Routensystem einbeziehen", sagt eine Pressesprecherin des Unternehmens.
Warum aber gehen andere Verkehrsverbünde weniger zurückhaltend mit ihren Daten um als der RMV? In München beispielsweise hat man sich ganz bewusst dafür entschieden, die Daten der lokalen Verkehrsgesellschaft an Google weiterzugeben. „Die Fahrpläne vervollständigen den Service von Google und erhöhen dadurch den Nutzwert. Außerdem bietet uns die Integration unserer Fahrplandaten in ,Google Maps' die Möglichkeit, Bus und Bahn noch besser zu vermarkten und neue Kunden zu gewinnen", sagt ein Sprecher der Münchner Verkehrsgesellschaft.
Die Linke: Daten sollten öffentlich verfügbar seinDer Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg ist noch einen Schritt weiter gegangen. Als Vorreiter in Deutschland hat die Stadt Berlin ihre Fahrplandaten noch vor der Zusammenarbeit mit Google für jedermann öffentlich einsehbar unter www.daten.berlin.de zur Verfügung gestellt. Damit sollen, nach Aussagen einer Sprecherin, die Transitdaten transparent gemacht und für neue Verknüpfungen und digitale Anwendungen verfügbar werden. Sowohl andere Unternehmen als auch Privatpersonen können über Schnittstellen Daten nutzen, die überwiegend Echtzeitinformationen enthalten, und daraus neue Mobilfunk-Apps entwickeln. So gibt es bereits eine animierte Visualisierung des öffentlichen Personennahverkehrs in Berlin und eine Karte, die ihrem Nutzer in 3-D-Optik den Weg anzeigt. Diese Anwendungen sind auf der Internetseite zusammengetragen, und jeder kann hier seine eigene App hinzufügen.
Der auf Netzpolitik spezialisierte Frankfurter Stadtverordnete Martin Kliehm (Die Linke) hält die Entscheidung des RMV für kurzsichtig. Wenn der RMV seine Daten öffentlich zur Verfügung stelle, könnten außer Google auch andere Daten-Entwickler daraus Routenplaner mit verschiedenen Funktionen entwickeln. „Es sollte den Nutzern überlassen sein, welche Anwendung sie als Wegweiser in Anspruch nehmen. Wer sich absichern möchte, ob die U-Bahn wirklich keine Verspätung hat, kann immer noch auf den Dienst des RMV zurückgreifen", sagt er.